Lieferdienste mit prekärer Arbeit: Teure Partys, miese Bezahlung
Die Lieferdienstbranche ist ein hartes Pflaster, vor allem für die Fahrer*innen. Etwa Lieferando, das in Berlin eine Zweiklassengesellschaft schafft.
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Doch Zeit ist Geld, und je weniger Zeit die Menschen in Einkaufen und Kochen investieren, desto länger können sie arbeiten. Dass diese Effektivität im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Rücken von prekär angestellten und meist migrantischen Arbeiter*innen ausgetragen wird, scheint dabei nur wenig zu interessieren.
Zumindest sind die schwarzen, lila- oder orangefarbenen Rider im Straßenbild vieler Städte nach wie vor so allgegenwärtig, als hätte es die vielen Berichte über ihre schlechten Arbeitsbedingungen niemals gegeben.
Bringdienste wie Gorillas, Getir oder Lieferando kennen die Gesetze, die einst den Manchesterkapitalismus und dessen ungezügelte Ausbeutung und Profitgier eindämmen sollten. Sie wissen auch genau, wie man sie umgeht, indem man so viel Verantwortung wie möglich an die Arbeiter*innen abgibt, die in der Gig Economy verschlissen werden, als wären sie keine Menschen, sondern Gebrauchsgegenstände.
Die wollen sich das jedoch nicht länger gefallen lassen und wehren sich mit Betriebsratsgründungen gegen zu niedrige Gehälter, Lohndiebstahl und mangelhafte Arbeitsausrüstung.
Auch bei Lieferando, das immer wieder durch schlechte Arbeitsbedingungen für seine Fahrer*innen auffällt, gründen sich immer mehr Betriebsräte, in Berlin sind für Anfang August Wahlen angesetzt. Doch statt seinen Fahrer*innen verkehrssichere Räder und Arbeitshandys zur Verfügung zu stellen, gibt das Management sein Geld lieber dafür aus, eine Zweiklassengesellschaft unter den Angestellten zu etablieren: Mit einer exklusiven Poolparty in Berlin wollte Lieferando am vergangenen Wochenende „den Teamgeist stärken“. Und damit klar ist, wer zum Team gehört und wer nicht, waren nur die Angestellten des Headquarters eingeladen – die Rider, die auf der Straße täglich mit harter körperlicher Arbeit die riesigen Umsätze des Unternehmens einfahren, waren explizit nicht erwünscht.
Es ist nicht das erste Mal, dass Lieferando so unverblümt zeigt, welchen Stellenwert seine Arbeiter*innen für das Unternehmen haben: Während die Mitarbeiter*innen des Headquarters zu Weihnachten mit einem 15-Millionen-Euro-Skitrip in die Schweiz belohnt wurden, erhielten die Rider eine Nudelpackung mit dem Logo des Konzerns. Frei nach dem Motto „Teile und herrsche“ wird das Headquarter hofiert, die Rider werden außen vor gelassen. Doch die Büroangestellten sollten sich gut überlegen, mit wem sie sich solidarisieren: Wenn es hart auf hart kommt, sind auch sie ganz schnell raus.
Das zeigt ein Blick auf den Konkurrenten Gorillas, der Ende Mai 300 Mitarbeiter*innen und damit die Hälfte seiner Beschäftigten im Headquarter entlassen hat, um Geld zu sparen.
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