Lieferdienst für frische Lebensmittel: Amazon bringt Kraut und Rüben
Amazon liefert ab jetzt frische Lebensmittel an Kunden in Berlin und Potsdam. Das könnte Supermarktfilialen an die Grenzen ihrer Rentabilität bringen.
Bestellungen bis Mittag sollen noch am selben Tag pünktlich zum Abendessen geliefert werden. Bei einer Bestellung bis 23.00 Uhr kommt die Ware am nächsten Tag. Der Service steht nur Kunden des jährlich 69 Euro teuren Abo-Dienstes Amazon Prime zur Verfügung, die für den Fresh-Dienst zusätzlich 9,99 Euro monatlich zahlen sollen. Dafür können sie kostenlose Lieferungen ab einem Mindesteinkaufswert von 40 Euro bestellen. Das Preisniveau sei jenem der Supermärkte sehr ähnlich, sagte Michael Lierow, Handelsexperte der Managementberatung Oliver Wyman, der taz.
Amazon greift einen Markt an, der fest in den Händen der vier Großen ist. Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe (Lidl) haben gemeinsam 85 Prozent Marktanteil. Allerdings wird bislang nur 1 Prozent der Lebensmittel im Netz bestellt. „Zu bedenken ist aber generell, dass der Onlinehandel mit frischen Lebensmitteln immer noch ein Zuschussgeschäft für alle Beteiligten ist“, meint Kerstin Hastedt von Edeka.
Dies könnte sich jedoch bald rasant ändern. Denn „mit dem Einstieg von Amazon wird die Branche wird keine Evolution erleben, sondern eine Revolution“, meint Handelsexperte Lierow. Er erwartet in den nächsten Jahren ähnliche Verhältnisse wie in England, wo bereits heute 6 bis 8 Prozent der Lebensmittel per Internet bestellt werden.
Amazon hat im Vergleich zu anderen Onlinevertreibern zwei Vorteile: Amazon verfügt über viel Know-how im Onlinehandel. Zudem würden die Bestellungen von der DHL als Partnerfirma ausgeliefert, wie das Unternehmen verlauten lässt. DHL stellt ohnehin täglich Pakete in ganz Deutschland zu. Ein Korb frischer Lebensmittel und ein Zwischenstopp mehr pro Lieferwagen erhöht da die Transportkosten kaum.
Aus Wettbewerbsperspektive sei ein neuer Teilnehmer auf dem Markt grundsätzlich zu begrüßen, meint Kay Weidner vom Bundeskartellamt. Allerdings könnte dies jedoch, warnt Lierow, mittelgroße städtische Supermarktfilialen an die Grenzen ihrer Rentabilität bringen. Bestellen mehr KonsumentInnen die Nahrung online, fällt der Umsatz dieser Supermärkte bei gleichbleibenden Fixkosten.
Diese Marktanteile würden folglich vom drittgrößten IT-Unternehmen weltweit erobert, bei welchem laut Verdi-Sprecherin Eva Völpel „Gewerkschaftsfeindlichkeit zum Geschäftsmodell gehört“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen