Liebeserklärung ans Zeitungssterben: Solang es Missstände gibt
Die Medienkrise wirbelt alles auf und Journalisten müssen sich wieder in die Welt begeben. Räumt eure Schreibtische!
E s gibt die Schönheit der Medienkrise, das Gute am Zeitungssterben. Es ist, als reiße jemand das Fenster auf: Manuskripte wirbeln auf, Frühlingsluft im Flur, die Wehrlosigkeit gegenüber dem Neuen.
Es gibt einen Sinn in diesem Absturz: Journalisten, deren Aufgabe es ist, sich in die Welt zu begeben, müssen sich in die Welt begeben. Alles neu. Räumt eure Schreibtische. Geht auf die Straße, da ist das Leben, das wir kennen müssen, wenn wir schreiben. Es ist nicht so, dass etwas stirbt und nichts nachkommt. Journalisten werden ewig gebraucht, immer und überall, solange es Missstände gibt.
Wie es Ärzte gibt, solange wir krank sind. Wie es die Küstenwache gibt, solange wir aufs Meer fahren. Journalisten verfluchen Autoritäten. Sie sind Optimisten. Sie kämpfen. Im Zweifel sind jene, die Kapital aus Journalismus schlagen wollen, Gegner. Der Kapitalismus hat Angst vor Journalisten, er liebt die Journalismus-Simulation.
Es ist nicht so, dass die Verlage die Herrscherinnen über Stift und Papier sind. Es gilt: Da ist ein Problem, wir werden Zeuge, wir legen Zeugnis ab. Wir haben Misstrauen, ein Notebook, wir haben Internet. Dieser Beruf ist einfach, denkt man sich die Ablenkungen weg, die Verwässerungen, die Störungen. Das Gute: Journalisten können nicht anders, als ihren Beruf auszuüben, solange sie ihre Augen offen halten.
Journalisten brauchen keine Aufträge, keine Chefredaktionen, keine Schreibtische, keine Durchwahl, keine Verlage, keine Weihnachtsfeiern, keine Konferenzen, sie brauchen keine Großraumbüros, sie brauchen keine Adressen, sie brauchen keine Kantinen, keine Reisekostenabrechnungen, keine Etagen.
Sie brauchen Mut. Diese Krise ist wunderbar.
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