Liebeserklärung an Maradona: Diego, der Onkel-Gott
Mit Diego Maradona verliert die WM ihren glamourösen Superstar. Das war er, trotz des 0:4 im Viertelfinale. Denn Götter scheitern ohne Ehrentreffer.
Glam ist nicht, wenn der Anzug perfekt sitzt. Glam ist, wenn das ganze Ensemble ein bisschen verrutscht ist. Maradonas Anzug saß überhaupt nicht, aber dafür alles andere. Ob am Spielfeldrand, auf der Pressekonferenz oder im Training - diese WM hatte nur einen glamourösen Superstar, und das war, nach dem Ende des Heldenfußballs, kein Spieler, sondern ein Trainer: er, Diego Armando Maradona. Mit dem Ausscheiden Argentiniens verliert das Turnier die absolute Leidenschaft, das beste Entertainment, die große Show, ja das Gesicht.
„Diego, der Junge heißt Müller“, titelte die argentinische Zeitung Olé nach der Niederlage. Das aber dürfte den Trainer der Albiceleste nach dem Spiel genauso wenig interessieren wie vor dem Spiel. Zu Recht. Denn ihm - und keinem anderen - durfte es egal sein, wer Müller, Mesut oder Miro ist, denn er ist Maradona, und er hat Messi. Und er wollte nur eins: spielen! Egal gegen wen. Kein verlogenes „Das ist ein schwerer Gegner“, wenn es gegen Griechenland geht; keine falsche Bescheidenheit über ein Ziel, das nichts anderes als Weltmeister sein kann. Wozu Feindsondierung, wenn man sich auf sich selbst verlassen kann.
Und trotzdem ist Diego Maradona eben nicht die Diva à la José Mourinho, der sich, egal ob er Chelsea, Inter oder Real trainiert, für den eigentlichen Star auf dem Platz hält. Maradona ist der Lieblingsonkel, der noch eine Extraportion Schlagsahne auf die Torte gibt, er ist der Familienvater, der keinen seiner Söhne jemals verstoßen würde, er ist der zwölfte Spieler auf dem Platz, der mit allen anderen elf leidet und mit allen anderen elf jubelt. Mit ihnen! Und der für alle anderen elf töten würde. Nichts und niemand, keine Hand und kein Wink Gottes kann seinen Glauben an seine Spieler, seine Jungs erschüttern.
Maradona ist nicht der von Ehrgeiz zerfressene Erfolgscoach, er ist kein verbissener und verkniffener Taktierer. Und deswegen passte es auch bestens, dass er sich keinen Tabellenfuchs als Coach an die Seite stellte, sondern einen Carlos Bilardo, der von moderner Taktik und Trainingsmethoden genauso wenig Ahnung hat wie er selbst, von proletarischem Witz aber umso mehr. Maradona ist kein Schnösel wie der französische Trainer Domenech, kein ausrastender Trainigsanzug wie der Brasilianer Carlos Dunga, kein protestantisch zurückhaltender, nur in Ausnahmesituationen die Kontrolle verlierender Wut-Jogi, er zwinkert nicht wie jeder andere, er verdreht die Augen wie kein anderer.
Keiner nahm ihn als Trainer wirklich ernst, weil Maradona selbst die ganze Angelegenheit nicht ernst nahm. Denn Ernst ist der Spitzname von Langeweile. Und wenn es etwas gibt, was es mit Diego Armando nie gibt, dann ist es Langeweile.
Nur weil er nicht die immer gleichen Standards eines jeden Trainers von sich gab, galt er den Profi- und Hobbykommentatoren nichts. Aber er ist alles, er ist Gott. Und wahre Götter scheitern ohne Ehrentreffer.
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