Mögliches Ende des Radiosenders Cosmo: GEZ kennt keine Staatsbürgerschaft
Unsere Autorin startete als Kinderreporterin bei Cosmo in den Journalismus. Dort stehen migrantische, junge, queere Perspektiven im Zentrum.
C osmo, das mehrsprachige Radioprogramm der ARD, steht vor dem Aus. Der einzige Sender, der mehrsprachig aus migrantischer Perspektiven sendet und gesellschaftliche Vielfalt hörbar macht, soll aus Spargründen abgeschafft werden. Diese Nachricht trifft ein Publikum, das ohnehin schon viel zu selten in deutschen Medien repräsentiert wird: migrantische Communitys. Denn der Sender stellt ihre Perspektiven konsequent in den Mittelpunkt und sendet in zehn verschiedenen Sprachen.
Doch Cosmo war nie nur Radio, sondern Anknüpfungspunkt für viele weitere Angebote – zum Beispiel Konzerte und einen Instagram-Account – für junge, migrantische und auch queere Menschen. Auch diese gehen durch ein Aus von Cosmo verloren.
Das mögliche Ende von Cosmo ist für mich persönlich. Ich durfte als Kinderreporterin dort zum ersten Mal ins Mikro sprechen, und das zweisprachig. „Mein eines Ohr ist türkisch, das andere ist deutsch“, sagte ich damals. Dass ich beide Sprachen spreche, war ausnahmsweise mal ausdrücklich gewünscht. Deutsch-türkische Zweisprachigkeit wird sonst meist nicht als Vorteil gesehen.
Für meine Großeltern, die in den 60ern als sogenannte „Gastarbeiter“ nach Deutschland kamen, war es ein Moment des Stolzes: Ihre Enkelin im deutsch-türkischen Radio. Für sie war Cosmo, das damals noch Funkhaus Europa hieß, ein Stück Heimat im „Gurbet“, dem Leben in der Fremde.
Dass genau dieses Programm jetzt verschwinden soll, ist ein fatales Signal. Cosmo steht für Teilhabe, für Repräsentation, für Diversität. Und gerade in einer Zeit, in der Vielfalt im politischen Diskurs als etwas Negatives dargestellt wird, ist so ein Sender wichtiger denn je. Mit der Petition, die gerade für den Erhalt kämpft, gibt es immerhin noch einen Rest Hoffnung.
Was besonders bitter ist: Es gibt keinen Plan B. Die ARD hat keine Idee, wie migrantische Zielgruppen künftig erreicht werden sollen. Einfach streichen, und dann? Ich persönlich finde das ignorant. Die GEZ zahlt man unabhängig von der Staatsbürgerschaft. Cosmo muss bleiben, wenn die ARD es ernst meint, gesellschaftliche Vielfalt in ihrem Programm abzubilden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Fahrradfeindlicher Nahverkehr
Mein Fahrradproblem und was die Öffis damit zu tun haben
Radikalisierung durch Gaza
Der globalisierte Hass
Proteste gegen Abschiebungen
Trump entsendet Nationalgarde nach Los Angeles
Beitragsbemessungsgrenze
SPD erwägt Erhöhung der Gesundheitsbeiträge
Neuausrichtung des Aktivismus
Parlament im Kuppelzelt
Repression gegen Palästina-Solidarität
Davidsterne und rote Dreiecke