Letzter freier Radiosender Klubrádió: Verstummt in Ungarn
Der ungarische Radiosender Klubrádió verliert seine Lizenz, das bestätigt das Gericht am Dienstag. Es zeigt, wie die Regierung Medien kontrolliert.
Eine der letzten unabhängigen Stimmen in Ungarn, der Sender Klubrádió, wird Ende dieser Woche verstummen. Am Dienstag lehnte ein Gericht in der Hauptstadt Budapest eine Verlängerung der Lizenz ab. Zur Begründung hieß es, dass der Sender gegen zwei Strafen nicht in Berufung gegangen sei und diese daher Rechtskraft erlangt hätten. Einige Beobachter kommentierten die Entscheidung kurz und knapp: lächerlich. Dem Sender bleibt nun vorerst nichts anderes übrig, als sein Programm ausschließlich im Internet abzuspielen.
Klubrádió wurde 1999 und damit während der ersten Fidezs-Regierung unter Viktor Orbán (1998–2002) gegründet. Bei der Parlamentswahl 2010 löste Orbán die Sozialisten an der Regierung ab. Zu seinen ersten Amtshandlungen gehörte auch die Verabschiedung neuer Mediengesetze, die unter anderem die Schaffung eines „Medienrats“ vorsehen. Dieses fünfköpfige Gremium ist ausschließlich mit Fidesz-Anhängern besetzt und unter anderem auch für die Vergabe von Sendelizenzen zuständig.
Kurz darauf geriet auch Klubrádió ins Visier. Neben den üblichen Schikanen wie Ausschluss von Pressekonferenzen, Boykott durch Regierungsstellen und dem Verlust lokaler Lizenzen kam es zu mehreren Gerichtsverfahren. Obwohl die Entscheidungen zugunsten von Klubrádió ausfielen, weigerte sich der Medienrat, die im Februar 2011 ausgelaufene Lizenz um zwei weitere Jahre zu verlängern. Nachdem Tausende Hörer*innen eine Unterstützerkampagne gestartet hatten, wurde die Lizenz 2013 schließlich um weitere sieben Jahre verlängert.
Doch im vergangenen September lehnte der Medienrat eine Verlängerung der Lizenz erneut ab. Zur Begründung hieß es, Klubrádió habe sich mehrere Verstöße gegen das Mediengesetz zuschulden kommen lassen, da es Einschaltquoten zu spät gemeldet habe.
Bieten mit Bibel und Regierung
Stattdessen wurde ein Bieterwettbewerb für die Lizenz eröffnet, um die sich außer Klubrádió noch zwei Kandidaten bewarben – darunter ein Bibelradio. Die beiden Mitkonkurrenten scheiterten jedoch an Formfehlern, aber einer von ihnen, die regierungsnahe LBK (Medienanbieter 2020 GmbH) ging gegen die Medienbehörde in Berufung.
Das aber könnte die Lizenzvergabe auf Jahre blockieren. Denn seit einer Gesetzesänderung im vergangenen Jahr, die die Mehrheit der Fidesz-Abgeordneten absegnete, können keine Lizenzen vergeben werden, solange ein Bieterverfahren läuft. Versuche der Opposition, dieses Gesetz zu kippen, scheiterten. Am vergangenen Donnerstag lehnte ein Budapester Bezirksgericht es ab, Klubrádió zumindest vorläufig die Lizenz zu verlängern. Für Orbán und seine Mannschaft hat das den schönen Nebeneffekt, dass der aufsässige Sender bis nach der Parlamentswahl im April kommenden Jahres kaltgestellt ist.
Die Causa Klubrádió ist nur ein weiteres anschauliches Beispiel dafür, dass der Aktionsradius für die wenigen noch verbliebenen unabhängigen Medien in Ungarn immer weiter eingeschränkt wird. 2018 wurden, unter tatkräftiger Mithilfe von Orbán-freundlichen Oligarchen, rund 500 Medien in einer neu geschaffenen Mitteleuropäischen Presse- und Medienstiftung (Kesma) vereinigt. Deren Loyalität wird unter anderem mit Anzeigen der Regierung erkauft. Kritische Medien werden finanziell ausgetrocknet, da potenzielle Anzeigenkunden zu Techt Sanktionen befürchten müssen.
„Reporter ohne Grenzen“ führt Ungarn auf ihrem Index für Pressefreiheit derzeit auf Platz 89 von 180. Schon Ende 2019 hatte die NGO festgestellt, dass es in Ungarn einen Grad an Kontrolle der Regierung über die Medien gebe, die in einem EU-Mitgliedsstaat beispiellos sei. Die Organisation Media Freedom Rapid Response, die sich um die Belange von Journalist*innen in EU-Ländern und Kandidatenländern kümmert, hat jetzt die Europäische Kommission dazu aufgefordert, mit Ungarns Regierung eine Lösung für Klubrádió zu suchen und den Sendebetrieb solange sicherzustellen, bis über das Bieterverfahren juristisch entschieden ist. Diese Forderung dürfte wohl folgenlos bleiben.
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