Letzte Generation plant Blockade: „Massenproteste werden häufiger“
Mit einer angekündigten Besetzung will die Letzte Generation die Straße des 17. Juni blockieren. Eine Sprecherin erklärt die neue Strategie.
taz: Die Letzte Generation hat für den kommenden Samstag ab 12 Uhr eine „Massenbesetzung“ der Straße des 17. Juni zwischen Siegessäule und Brandenburger Tor angekündigt. Was hat es damit auf sich?
Lea Rhein: Wenn wir in die Geschichte schauen, sehen wir, dass ziviler Widerstand wirkt. Rechte und Freiheiten, die wir heute genießen, wurden so erkämpft, zum Beispiel das Frauenwahlrecht. Jetzt haben wir gerade in den Niederlanden gesehen, dass ziviler Widerstand auch heute effektiv ist: Dort sind ganz viele Menschen immer wieder auf eine Autobahn gegangen und haben mit diesen Blockaden erreicht, das Ende fossiler Subventionen ins Parlament zu tragen. Wir denken, dass wir diesen Erfolg auch nach Deutschland holen können.
Wobei es ja nur ein vorläufiger Erfolg ist, die niederländische Regierung soll jetzt erst einmal Pläne vorlegen.
Ja, das bleibt jetzt abzuwarten. Aber grundsätzlich ist es schon ein klares Signal an die Bevölkerung, dass die Regierung etwas gegen die Klimakatastrophe tun will.
In den Niederlanden handelte es sich um eine wichtige Verkehrsverbindung in Den Haag. Eine angekündigte Blockade des 17. Juni wird die meisten Autofahrenden wenig jucken.
Der Protest soll vor allem zeigen, dass wir ganz viele Menschen sind, die mit dem aktuellen politischen Kurs der Bundesregierung unzufrieden sind. Dass die Regierung nicht die existenzielle Notlage anerkennt, in der wir uns befinden.
Die 22-Jährige Sozialarbeiterin aus Lüneburg ist eine der SprecherInnen der Klima-Bewegung „Letzte Generation“.
Werden auch andere Gruppen teilnehmen?
Definitiv. Extinction Rebellion Deutschland hat bereits angekündigt, dabei zu sein, und auch aus den Niederlanden werden Leute kommen. Auch andere Klimagerechtigkeitsbewegungen sind herzlich eingeladen, uns zu unterstützen.
Bleibt es denn bei einer einmaligen Aktion? In Den Haag fanden die Blockaden ja täglich statt.
Ich denke, dass auch die Massenproteste häufiger stattfinden werden. Aber wir gehen ja in Berlin schon jetzt jeden Tag auf die Straßen und machen auf das Versagen der Bundesregierung aufmerksam. Es ist einfach vielen Leuten wichtig, die Regierung daran zu erinnern, dass wir den 1,5-Grad-Pfad halten müssen, auf den wir uns völkerrechtlich geeinigt haben.
Also kein Abschied von den unangekündigten kleineren Blockaden?
Die werden parallel weitergehen.
Die Gewerkschaft der Polizei wütet täglich gegen die Letzte Generation: Deren Proteste würden zu viele Einsatzkräfte binden, die gerade dringend anderweitig gebraucht werden.
Wir sind grundsätzlich bereit, unsere Proteste zu unterbrechen, wenn Menschenleben dadurch ganz konkret gefährdet werden. Das haben wir bereits getan, als zu Gewalt gegen JüdInnen aufgerufen wurde, und wir werden es wieder machen, wenn uns die Polizei ganz klar signalisiert, dass es eine konkrete Gefahr gibt. Dazu haben wir auch eine Vernetzung mit der Polizei.
Ein Argument der Letzten Generation für ihre Aktionsformen war immer, dass Demonstrationen wie die von „Fridays for Future“ nichts bewirkt haben. Mittlerweile muss man aber doch konstatieren, dass auch die Blockade-Aktionen nichts bewirkt haben. Am eigenen Anspruch gemessen ist die Letzte Generation gescheitert.
Von Scheitern würde ich auf keinen Fall sprechen. Wir haben es geschafft, das Thema Klimagerechtigkeit wieder auf die Tagesordnung zu holen, als es durch Corona- und Ukrainekrise in der Aufmerksamkeit ganz unten war. Wir haben täglich darauf aufmerksam gemacht, dass die Regierung in Sachen Klimapolitik komplett versagt, und das ist schon ein großer Erfolg. Wir wissen außerdem, dass Widerstand und Protest Zeit brauchen. Und wir sind noch nicht lange dabei.
Die konkreten Forderungen nach einem Essen-Retten-Gesetz, Tempo 100 oder einem Gesellschaftsrat wurden nie erfüllt.
Dadurch, dass die Bundesregierung nicht einmal bereit war, diese ersten, einfachen Sicherheitsmaßnahmen umzusetzen, haben wir gezeigt, dass sie überhaupt nicht bereit ist, unser aller Lebensgrundlagen zu schützen. Wir erwarten jetzt, dass wir bis 2030 raus aus den Fossilen kommen. Uns sagt auch die Wissenschaft wieder ganz aktuell, dass wir den 1,5-Grad-Pfad verlassen. Wir sind es leid, kleinste Veränderungen zu erwarten – die Krise drängt, und wir müssen größere Schritte gehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin