Lesben im Frauenfußball: „Outing schadet nicht“
Der Frauenfußball muss sein Lesbenlabel nicht loswerden, meint Gudrun Fertig. Die Online-Chefin des „L.MAG“ im Interview über Homophobie und Geschlechterrollen im Frauenfußball.
taz: Frau Fertig, an allen Ecken wird gerätselt, wer von den deutschen Nationalkickerinnen lesbisch ist. Sollten sich die Spielerinnen outen?
Gudrun Fertig: Grundsätzlich wäre es schön, wenn sich alle Lesben outen. Aber niemand soll dazu gezwungen werden.
Schadet es den Spielerinnen, wenn sie es täten?
GUDRUN FERTIG, 41, Online-Chefredakteurin von L.MAG, dem einzigen Kaufmagazin für Lesben im deutschsprachigen Raum. Sie kickt beim SV Inter/Soli in der Berliner Bezirksliga.
Persönlich nicht. Sie werden nicht aus dem Kader fliegen, und Sponsoren ziehen sich bestimmt auch nicht zurück. Aber es schadet dem Image des Frauenfußballs. Derzeit wird ja verzweifelt versucht, den Lesbenstempel loszuwerden. Deshalb wäre ein Coming-out vieler Spielerinnen in den Augen mancher Funktionäre und Funktionärinnen sicher kontraproduktiv.
Warum muss der Lesbenstempel weg?
Weil man Frauenfußball zu einem Event des Massensports machen möchte, und deshalb fährt man über die feminine Schiene. Ich glaube aber nicht, dass das funktioniert.
Warum nicht?
Weil ein Bild produziert wird, das gar keine Grundlage hat.
Trägt das Schweigen der Spielerinnen zu einer größeren Homophobie bei?
Was den Fußball als Breitensport betrifft, bestimmt. Fußball ist mittlerweile die beliebteste Teamsportart bei Mädchen, und es gilt langsam als uncool, keine Mädchenmannschaft im Verein zu haben. Außerdem gibt der DFB Geld für die Mädchenförderung. Da stören zu viele Lesben.
Was ist schlimm daran, dass mehr lesbische als heterosexuelle Frauen kicken?
Gar nichts. Aber es ist mit dem Image des „normalen Frauensports“ immer noch nicht kompatibel.
Haben Eltern Angst, dass sich ihre Tochter „ansteckt“?
Es gibt solche Ängste, ja.
Wie kann man dem entgegenwirken?
Indem lesbische und heterosexuelle Mädchen gemeinsam kicken.
Warum spielen so viele Lesben Fußball?
Gegenfrage: Warum gehen so viele Schwule zum Ballett? Das hat doch mit Geschlechterrollen zu tun. Aber auch hier ändert sich einiges. Neulich erzählte mir ein Kollege, dass jetzt sehr viele heterosexuelle Männer Ballett tanzen und die Zahl der Schwulen beim Ballett sinken würde.
Haben Fußballspielerinnen mehr Testosteron?
Diese biologistische These ist absoluter Quatsch. Das maskuline Bild des Frauenfußballs hat eher mit kulturellen und sozialen Normen zu tun. Für heterosexuelle, pubertierende Mädchen war es bis vor kurzem noch undenkbar, Fußball zu spielen, sie wurden aktiv davon abgehalten. Mädchen war eine andere Rolle zugewiesen.
Lesbische Frauen haben doch aber auch eine Frauenrolle.
Ja, aber sie haben sich kaum von gängigen Rollenbildern leiten lassen. Das ist etwas anderes.
Warum?
Vielleicht weil sie ohnehin etwas im Abseits gestanden haben. Vielleicht aber auch, weil kein Mann an ihrer Seite sagte: Deine Muskeln gefallen mir nicht.
Die aktuelle Ausgabe des L.MAG titelt mit Lira Bajramaj, einer offen heterosexuellen Spielerin.
Viele andere Spielerinnen haben es explizit ausgeschlossen, auf dem Cover von L.MAG abgedruckt zu werden. Das ist ja auch schon eine Aussage.
Morgen spielen erneut die Nigerianerinnen. In Nigeria ist Homosexualität verboten, und die Trainerin des Nationalteams, Eucharia Uche, verleugnet die Lesben in ihrem Team. Was sagen Sie dazu?
Die Spielerinnen werden dieses Thema in der Öffentlichkeit vermeiden. In Nigeria ringt der Frauenfußball noch stark um Anerkennung. Für viele Mädchen ist es ein Emanzipationsschritt, Fußball zu spielen, der ihnen ganz neue Perspektiven für ihr Leben eröffnet.
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