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Leibwächter beim G-20-GipfelDie Schlägertrupps der Mächtigen

Auch schlecht erzogene Leibwächter kommen nach Hamburg. Wie müssen sie sich benehmen und wann dürfen sie festgenommen werden?

Es wird einem ganz Angst und Bange Foto: ap

Berlin taz | In Washington hauten Erdoğans Leibwächter rein: Während des US-Besuchs des türkischen Präsidenten im Mai verprügelten seine Bodyguards Demonstranten. Videoaufnahmen davon verbreiteten sich via YouTube rasant. Kommende Woche werden Erdoğan und viele weitere Staatschefs zum G-20-Gipfel in Hamburg erwartet. Leibwächter bringen die Gäste auch wieder mit. Die taz sagt, was Bodyguards und Demonstranten wissen müssen.

Reisen die Prügeltürken aus Washington mit Erdoğan nach Hamburg?

Gegen zwölf türkische Sicherheitsbeamte haben die amerikanischen Behörden Haftbefehle erlassen. Auf Druck der Bundesregierung hin werden sie offenbar nicht mit nach Deutschland kommen. „Wir gehen davon aus und haben Anhaltspunkte dafür, dass diese Personen in absehbarer Zeit nicht deutschen Boden betreten werden“, sagte ein Sprecher des Außenministeriums am Montag in Berlin.

Falls sie doch kommen: Könnten sie festgenommen werden?

Erstens kommt es darauf an, ob die USA gegen die Leibwächter über Interpol ein Fahndungsersuchen erwirkt haben, das den deutschen Behörden vorliegt. Die Frage danach will das Bundesjustizministerium nicht beantworten. Zweitens kommt es darauf an, ob die Leibwächter in Deutschland überhaupt belangt werden können oder ob sie Immunität genießen.

Genießen Leibwächter ­Immunität?

In Paragraf 20 des Gerichtsverfassungsgesetzes heißt es: „Die deutsche Gerichtsbarkeit erstreckt sich nicht auf Repräsentanten anderer Staaten und deren Begleitung, die sich auf amtliche Einladung der BRD im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten.“ Erdoğan ist nach Hamburg eingeladen (immun). Seine zwölf Prügeltürken offenbar nicht (nicht immun). Seine übrigen Leibwächter hingegen schon (immun).

Dürfen die Leibwächter in Deutschland zuschlagen?

Vielleicht. Die hoheitlichen Aufgaben bleiben zwar bei der deutschen Polizei. Den ausländischen Bodyguards bleibt aber wie jedem anderen das Recht auf Notwehr und Nothilfe. Wird ihr Boss angegriffen, dürfen sie also eingreifen – solange alles verhältnismäßig bleibt. Was das heißt, ist Auslegungssache.

Dürfen die auch ballern?

Zumindest dürfen die Leibwächter ihre eigenen Waffen mitbringen. Laut Waffengesetz können „ausländische Diplomaten und gleichgestellte ausländische Personen“ beim Bundesverwaltungsamt die Erlaubnis beantragen, Waffen mitzubringen. Der Antrag ist bei Staatsbesuchen reine Formsache.

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20 Kommentare

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  • Die Frage ist nicht, "Wann dürfen sie festgenommen werden?", sondern "VON WEM?"

    http://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Party-Exzess-G20-Polizisten-heimgeschickt,polizei4398.html

  • Ein Staatsoberhaupt und sein Gefolge genießt Immunität im Ausland für Handlungen während seiner Amtszeit. Diese Immunität besteht nach Ablauf der Amtszeit fort. Ausgenommen davon sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und ähnliche Delikte. Was man darunter im Einzelnen zu verstehen hat, ergibt sich aus dem römischen Statut, welches auch als Grundlage des Internationalen Strafgerichtshofs dient: https://de.wikipedia.org/wiki/Verbrechen_gegen_die_Menschlichkeit

     

    Im engeren Sinne gehören Verwandte und Ehepartner nicht zum Gefolge. Leibwächter ebenfalls nicht - sie können notfalls jederzeit gegen andere geeignete Sicherheitskräfte ausgetauscht werden, wenn dies zweckdienlich erscheint.

    Gefolgsleute, die sich nachweislich und wiederholt nicht an die Gesetze des Gastlandes halten, können von den Behörden des Gastlands auch zur „Persona non grata“ erklärt werden, was einer Ausweisung und Aufhebung der Immunität gleich kommt.

  • @all

    Irgendwie irritiert es mich immer noch, dass sich taz-Lerer*innen offenbar lieber zu Stilfragen ("stilloses Stilmittel") als zum Wesen einer Sache äußern. Womöglich ist ja doch was dran an der Behauptung, die Tageszeitung würde ihre Leserschaft überwiegend aus dem Kreis der (ganz leicht) aufmüpfigen Bürgerkinder rekrutieren.

     

    In der Tat ist „Prügeltürke“ ein Griff tief ins Begriffsklo. Allerdings ist die eigentliche Sauerei der Umstand, dass die Vertreter der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer mit einer Privatarmee nach Deutschland reisen. Man bedenke: Deutschland ist ein (vergleichsweise) friedlicher Rechtsstaat mit (halbwegs) funktionierender Exekutive. Und auch jene Staaten, die ihre Vertreter nach Deutschland schicken, sind nicht nur reich und mächtig, sondern auch rechtsstaatlich und demokratisch grundiert. Die Repräsentanten, die sich in Deutschland treffen, sind legitimiert und erfolgreich. Die Angst, die sie offenbar um ihr nacktes Leben haben, ist also nicht erklärlich – außer durch ein richtig schlechtes Gewissen und/oder richtig schlechte Erfahrungen.

     

    Für mich sieht es so aus, als hätten die prügelnden Bodyguards nur deswegen eine Daseins-Berechtigung (samt Immunität), weil es immer noch gewaltbereite Demonstranten gibt. Gäbe es die nicht, wäre der einzig verbleibende Grund für das Mitführen waffentragender Gorillas durch die Regierenden deren Furcht vor ihrem eignen langen Schatten.

     

    Wäre es nicht schön, wenn die „Eliten“ sich mangels "Prügel-Prostestierern" demnächst selbst entlarven müssten als Menschen, die ganz genau wissen, dass sie vielen anderen immer wieder schweres und schwerstes Unrecht zufügen? Ein Unrecht, dass die Betroffenen wegen des Machtungleichgewichts so tief in einen Wahnsinn treibt, dass sie zum erweiterten Selbstmord Zuflucht nehmen müssten - wenn sie nicht zu vernünftig wären, um noch regiert werden zu müssen?

    • @mowgli:

      Da möchte ich Ihnen in allen Punkten widersprechen.

      1. Da ich die Leibwächter der Politiker nicht für den eigentliche Problem des G20 Treffens halte (ernsthaft?) und

      2. Personenschutz für Politiker & Prominente durchaus Sinn machen kann, glaube ich erst recht nicht,

      3. dass eine Täter-Opfer-Umkehr hier angebracht ist und

      4. sich die Mächtigen dieser Welt selbst entlarven. wenn wir die Füße still halten. (Das hätte noch nicht mal Ghandi verstanden)

      5. Wenn Ihnen das aber ein großes Anliegen ist, dann stellt sich die berechtigte Frage, ob die Kommentarspalte der taz die richtige Adresse ist während

      6. mein sprachkritischer Einwand hier noch eher seinen Adressaten finden könnte. (Hallo, Herr Schulze!)

      7. Gerade in Zeiten der AfD sollte der Zusammenhang zwischen Sprache, Denken und Zivilisation den ein oder anderen Gedanken wert sein.

      • @pitpit pat:

        Und um den letzten Punkt abzuhaken: Ein Bürgerkind bin ich auch nicht, sonst hätte ich wahrscheinlich gewusst, wie man Gandhi schreibt ;)

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    Statt solcher Bildzeitungsthemen würde ich mir von der taz mehr Berichte über die Organisation und die vielfältigen Stimmen des Protests wünschen.

  • "Prügeltürken" ist so ein Ausdruck den ich eher in der Compact als in der Taz erwartet hätte...

  • 3G
    32795 (Profil gelöscht)

    Ich lach mich gleich weg. Trump wird von einer kleinen Armee bewacht und die großen Brüder von den US-Streitkräften wären sehr schnell zu Tausenden da. Und dass ist jetzt nur Trump, da sind noch 19 andere.

     

    Wie auch immer, Leute die darauf trainiert sind notfalls ihren Körper als Schutzschild zu verwenden ticken anders. Die sind nicht darauf konditioniert "Nothilfe" zu leisten. Die sind "eingeteilt", ein Teil bringt den Chef in Sicherheit und der andere Teil ballert die Angreifer nieder.

     

    Nothilfe, Notwehr und Verhältnismäßigkeit sind denen jucke. Glaubt irgendwer die würden vor dem Gipfel in deutschem Recht geschult? Und dann prüft man sie auch noch ob sie es verstanden haben?

     

    Hey Leute, vergesst alles was ihr gelernt habt, wir fahren nämlich nach Deutschland, da ist alles ein bisschen anders. Echt jetzt?

     

    Wenn es Demonstranten schaffen an die großen Maxen ranzukommen und die Personenschützer sehen da eine Bedrohung, dann reagieren die genau so wie man ihnen das eingeimpft hat. Der große Max wird in den Fluchtwagen gepackt und die Bedrohung wird ausgeschaltet.

     

    Dieser Artikel ist eine Anleitung zum Selbstmord.

  • Ich denke mit der Wortwahl "Prügeltürken" soll an die "Prügelperser" des Schah von Persien 1967 in Berlin erinnert werden und daran,dass sich Erdogan zu einem ähnlich unbeliebten autokratischen Herrscher gemausert hat.Er steht ja in seinem Stil und Gebahren diesem seinerzeit verhassten Staatsoberhaupt von Amerikas Gnaden in nichts nach.

    • @Markus Müller:

      Ich finde den Terminus "Prügeltürken" dennoch nicht passend.

      Vor 50 Jahren mag Derartiges vielleicht nicht als rassistisch wahrgenommen worden sein. Heute ist das anders.

  • Ich habe keine Krokodilstränen zu bieten, dafür aber zwei - ganz verschiedene – Einwände:

     

    1. Prügeltürken ist insofern schon beachtenswert, weil ‚Prügelleibwächter‘ oder ‚Prügelsecurity‘ die genauere Beschreibung wäre. Dadurch, dass hier aber ‚türken‘ benutzt wird, wird der Gesamtbegriff subtil anders konnotiert. Gemeinsam mit dem auffälligen Gleichklang ist das ein Stilmittel – aber stilvolles.

    2. Grundsätzlich sind diese bildzeitungstypischen Komposita meist immer etwas vulgär. Das Attribut wird eben nicht nur sprachlich, sondern auch semantisch etwas fester an den Hauptbegriff gekettet. Für mich zeigt schon die sprachliche Form an, wie weit das Denken da differenzieren soll: Möglichst wenig.

     

    Man hätte die gleiche Deutlichkeit auch bspw. mit ‚Bringt Erdogan seine Schläger aus Washington mit?‘ haben können.

    • @pitpit pat:

      Ich stimme voll und ganz zu.

    • @pitpit pat:

      Pardon, ein Fehler:

       

      Gemeinsam mit dem auffälligen Gleichklang ist das ein Stilmittel - aber kein* stilvolles.

       

      Die tageschau online Nachricht lautet übrigens: 'Erdogan kommt ohne Prügel-Leibwächter'

  • Wenn es Satire sein sollte dann finde ich sie nicht gut gelungen. Wenn es ernst gemeint sein sollte ist es rassistisch und gehört ebenso gelöscht wie jeder rassistische Kommentar.

    • @Markus:

      Was bitte?

  • 'Prügeltürken' ist ein sehr fieser Begriff, den ich sofort in der BILD verortet hätte. Überlegt Euch das bitte nochmal.

    • @pitpit pat:

      BILD und taz mögen eindeutige Feindbilder...

    • @pitpit pat:

      Dem kann ich mich anschließen. Die Wortwahl ist doch sehr unglücklich.

      • @Holzkopf:

        Es ist aber von "die Prügeltürken aus Washington" die Rede und im Kontext eindeutig, dass damit genau die 12 türkischen Leibwächter Erdogans gemeint sind, die nachweislich in den USA geprügelt haben, und übrigens nicht nur dort. Von daher geht das für mich in Ordnung, weil nicht generalisiert wird. Krokodilstränen sind da nicht angebracht.