Lehrermangel an Schulen: Elternprotest gegen Unterrichtsausfall
An der Eduard-Möricke-Grundschule in Berlin-Neukölln protestieren am Freitag Eltern und Kinder gemeinsam für bessere Lernbedingungen.
Von der Politik fühlen sich die Demonstrierenden im Stich gelassen. Regelmäßig falle der Unterricht aus, es gebe zu wenig Lehrer:innen, und die, die da sind, seien überlastet, berichten viele der Eltern der taz. Immer wieder würden sie Briefe bekommen, dass sie ihre Kinder doch bitte zu Hause lassen sollen. Die Sorge um die wachsenden Bildungsdefizite ihrer Kinder ist groß.
Die Anwesenden betonen, dass sich ihr Protest weder gegen die Schule noch ihre Lehrkräfte richtet. Im Gegenteil, sie solidarisieren sich mit ihnen, zeigen Verständnis und heben das Engagement der Schule hervor. Doch nicht wenige Lehrkräfte stünden mittlerweile am Rande des Burn-out. Durch die aktuellen Krankheitswellen verschärfe sich die Situation zunehmend.
Darunter leide auch das soziale Miteinander innerhalb der Klassen. Durch den regelmäßigen Unterrichtsausfall fehle den Kindern der regelmäßige Rhythmus, was auf Kosten der Motivation und Freude am Lernen gehe. Auch die Ganztagsbetreuung sei mittlerweile aufgehoben worden. Eine Mutter berichtet, dass ihre 6-jährige Tochter zwar gerne richtig lesen und schreiben lernen würde, aber wenig Lust hätte, in die Schule zu gehen.
Lehrerin der Eduard-Möricke-Grundschule
Sie und die anderen Kinder spürten die Überlastung der Lehrenden. „Wir sind vom harten Kern. Wir geben nicht auf“, versucht eine Lehrerin der Grundschule aufmunternde Worte zu finden. Obwohl sie, wie sie berichtet, sich großer Belastung ausgesetzt fühlt.
Einst galt die Schule als Vorbild
Nicht selten müssten die Erstklässler:innen bei Vertretung gemeinsam mit den älteren Jahrgängen zusammen unterrichtet werden, berichten die Eltern. Die Willkommensklassen treffe es noch härter, erzählt eine Lehrerin. Wird eine Lehrkraft als Vertretung abberufen, müssten die Schüler:innen alleine bleiben und würden nicht gefördert. Dabei benötigen insbesondere diese Kinder geschulte Betreuung, kaum eines von ihnen spricht deutsch. Eigentlich wäre es die Aufgabe der Willkommensklassen, den Kindern zu helfen, sich hier zurecht zu finden. Lange Zeit war man dabei sogar Vorbild für andere Schulen gewesen.
Dass die Situation an der Schule einst gänzlich anders ausgesehen hatte, bestätigt auch die ehemalige Schülerin Helin. Die 17-jährige beteiligt sich am Protest, da auch bei ihrer neuen Schule die ersten Stunden ausgefallen sind. Unterrichtsausfall und Personalnot gehören nicht nur an der Eduard-Möricke-Grundschule, sondern an vielen Berliner Schulen zum Alltag.
Die Protestierenden fordern in einer Petition unter anderem eine gerechtere Verteilung der Lehrkräfte, gezielte Förderung der Ausbildungskapazitäten von Lehramtsstudiums und deutlich mehr Sozialarbeiter:innen an Schulen. Dazu hat sich die Elterngemeinschaft dem Bündnis „Schule muss anders“ angeschlossen.
Der Protest geht weiter
Bei dem Protest am Freitagmorgen sind neben Eltern und Grundschüler:innen auch zwei Bezirkspolitiker:innen dabei. Philipp Dehne von der Linksfraktion und Marina Reichenbach von der SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Neukölln befürworten den Protest und haben die Organisator:innen eingeladen, um ihr Anliegen persönlich vor dem Neuköllner Bezirksausschuss für Bildung, Schule und Kultur vortragen zu können.
Doch die Möglichkeiten des Bezirkes sind begrenzt, sagen sie. Vor allem könne man für mehr Öffentlichkeit sorgen und die Anliegen an Parteimitglieder im Land weiterleiten, erklärt Marina Reichenbach. Ansonsten könne der Bezirk lediglich über bauliche Maßnahmen entscheiden.
Der Protest vom Freitag sei nur der Auftakt, versichert Mitorganisatorin Katharina Mahrt der taz. Man wolle aktiv den Kontakt zu den Eltern benachbarter Schulen suchen. Auch mit Schulen aus Marzahn seien sie bereits im regen Austausch. „Wir bereiten uns für einen größeren Protest vor“, erklärt Mahrt. Schließlich gehe es um die Zukunft der nachfolgenden Generationen.
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