Lehrer Teske über Rechtsextremismus: „Es gab kein Gesprächsangebot“

Der Lehrer Max Teske machte rechte Vorfälle an seiner Schule in Brandenburg öffentlich – und verließ diese wegen fehlender Unterstützung.

Portrait von Max Teske.

Lehrer Max Teske Foto: Markus Schreiber/ap

taz: Herr Teske, nachdem Sie und Ihre Lehrerkollegin Laura Nickel im Frühjahr rechtsextreme Vorfälle an Ihrer Schule im Brandenburgischen Burg öffentlich machten, haben Sie diese jetzt verlassen. Wie geht es Ihnen beiden zurzeit?

Max Teske: Soweit ganz okay. Aber es ist recht stressig, weil wir viele Termine haben.

Wie kann man sich generell das Klima in Ihrem damaligen Kollegium vorstellen? Waren die Vorfälle bekannt und es wurde einfach darüber hinweggesehen?

Das ist zu dienstintern. Ich habe ein Schreiben vom Schulamt bekommen, dass ich nicht über diese Situationen sprechen darf.

Max Teske, 31, ist Lehrer für Mathematik und Geografie. Er arbeitete an der Grund- und Oberschule in Burg. Nach seiner beantragten Versetzung wechselt er an eine andere Schule in Brandenburg. Er ist vor wenigen Tagen in die SPD eingetreten.

Wie haben Sie auf das Schreiben reagiert?

Man fühlt sich unter Druck gesetzt und hat das Gefühl, dass man zum Täter gemacht wird.

Wann haben Sie sich das erste Mal unwohl in der Schule gefühlt?

Eigentlich nachdem herauskam, dass ich einer der Verfasser des Brandbriefs bin.

Hatten Sie das Gefühl, dass Sie als Nestbeschmutzer gesehen wurden?

Ja, genau. Da hat sich die Atmosphäre geändert.

Eine Lehrerin Ihrer ehemaligen Schule hat sich öffentlich mit Ihnen solidarisiert. Ist das erst im Nachhinein geschehen und ist sie dort die einzige?

Nein, sie hat uns schon während wir noch an der Schule waren unterstützt, und ist damit auch nicht die einzige.

Fühlen Sie sich von staatlicher Seite im Stich gelassen?

Man muss dem Schulamt und wahrscheinlich auch dem Bildungsministerium zugutehalten, dass wir relativ schnell eine neue Schule finden konnten. Die Politik stellt sich aber so hin, als hätte sie alles getan, was meiner Meinung nach nicht der Fall ist.

Die Lehrkräfte Max Teske und Laura Nickel bei einer Demonstration.

Die Lehrkräfte Teske und Nickel sprechen bei der Demo „Vielfalt statt Einfalt“ im Mai in Cottbus Foto: Luise Mosig

Zum Beispiel Brandenburg Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD).

Herr Freiberg hat ja im Interview gesagt, dass es Gesprächsangebote gab. Ich habe nicht ein Gesprächsangebot erhalten. Er war bei uns an der Schule, aber ich wurde nicht eingeladen zu dem Gespräch. Das finde ich schon sehr bezeichnend, wie Teile der Politik zu dem Thema stehen.

Sie haben nun das Bündnis „Schule für mehr Demokratie“ mitgegründet. Was ist das Ziel?

Wir haben verschiedene Forderungen, sowohl an den Bildungsminister als auch an die Schulämter und an die Schulen generell. Wir wollen einen Ort schaffen, wo sich Lehrkräfte untereinander austauschen können, wo sich Schüler mit Lehrkräften austauschen können, wo sich Eltern austauschen können. Gerade zu Themen wie Rassismus, Sexismus und Homophobie.

War die Gründung des Bündnisses eine Reaktion auf die Vorfälle?

Genau. Das Bündnis wurde kurz nach einer Kundgebung vor dem Cottbusser Schulamt im Mai gegründet, bei der Laura Nickel und ich an die Öffentlichkeit gegangen sind.

Wer hat sich dem Bündnis bisher angeschlossen?

Wir haben mittlerweile ungefähr 50 Unterstützer:innen. Da sind Eltern dabei, Schüler:innen, Schul­so­zi­al­ar­bei­te­r:in­nen und Lehrkräfte.

Haben sich auch Personen aus Ihrer ehemaligen Schule dem Bündnis angeschlossen?

Ja, mehrere.

Haben Sie konkrete Vorstellungen von Maßnahmen, wie man an Schulen solche Vorfälle und Strukturen verhindern kann?

Eine Forderung ist, dass Lehrkräfte verpflichtet werden, Weiterbildungen zu besuchen zum Thema Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie, um für diese Themen zu sensibilisieren. Außerdem soll die Demokratiebildung im Zentrum des Schulalltags stehen, dafür sollen Unterrichtsstunden zur Verfügung gestellt werden.

Die Ausbildung von Lehrkräften muss neu strukturiert werden, damit Demokratie viel mehr Beachtung im Studium erhält. Da die ersten sechs Semester im Grunde ein Fachstudium sind, ist der pädagogische Anteil sehr gering. Lehrkräfte müssen wissen, auf was sie sich ein­lassen. Und sie müssen geschult werden, wie sie mit gewissen ­Situationen umgehen können.

Denken Sie, dass es unter Lehrkräften einen hohen Anteil gibt, die nicht fest auf dem Boden der Demokratie stehen?

Das kann ich schwer einschätzen. Aber wir haben ja allein zwei prominente Beispiele, den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke und den rechtsextremen „Volkslehrer“ Nikolai Nerling. Ich möchte nicht wissen, wie hoch die Dunkelziffer ist.

Wie könnte man verhindern, dass so jemand Leh­re­r:in wird?

Ich denke, es muss eine stärkere Kontrolle seitens der Politik geben. Es müsste ganz klar geschaut werden, welche Lehrkraft legt ein Fehlverhalten an den Tag, das nicht demokratiefördernd ist.

Spielt der Lehrkräftemangel mit rein, dass je­de:r gebraucht wird?

Ja, wahrscheinlich schon. In Brandenburg ist Lehrkräftemangel ein Riesenthema. Lehrkräfte müssen Fächer unterrichten, die sie nicht studiert haben, sie sind maßlos überarbeitet. Und das sind ja nicht nur die sechs Stunden, die man am Tag vor der Klasse steht. Sondern auch Vor- und Nachbereitungszeit, Elterngespräche, die Sorgen der Schüler.

Allein im Schulamt Cottbus gab es zwischen dem 1. und 12. Mai acht Meldungen wegen rechter Vorfälle.

In Südbrandenburg haben wir eine sehr gefestigte, wirtschaftlich starke Neonaziszene. Da kommen Rocker, Kampfsportler, Hooligans und Teile der AfD zusammen. Sie betreiben Restaurants, Tattoostudios oder Klamottenlabels. Die Rechtsextremen sind hier in der Mitte der Gesellschaft angekommen und das schlägt sich natürlich auch an Schulen nieder. Zudem haben sie mit Energie Cottbus ein Sammelbecken um unschuldige Jugendliche, die Lust auf Fußball haben, für sich zu gewinnen.

Haben Sie von außerhalb Ihrer Schule, von Schü­le­r:in­nen oder anderen Lehrkräften, in den vergangenen Wochen Nachrichten bekommen?

Wir sehen in den sozialen Netzwerken, dass ganz viele Schüler berichten: Das ist bei uns genauso.

Von Lehrkräften haben wir aus der ganzen Republik Nachrichten bekommen. Sie haben sich für unser Engagement bedankt, aber auch von ähnlichen Vorfällen berichtet. Seitens der Lehrkräfte bekommen wir Zuschriften eigentlich aus der ganzen Republik, die sich für unser Engagement bedanken und die teils auch von ähnlichen Vorfällen berichten.

Wenn das so ist, passt es aber nicht, dass Bildungsminister Freiberg nach Ihrem Brief von Einzelfällen in den Schulen gesprochen hat.

Definitiv nicht. Der Fokus muss auch ein Stück weit von dieser Schule wegkommen, weil Rechtsextremismus ein gesamtgesellschaftliches Problem ist, was sich in Schulen niederschlägt.

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