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Lehrer-AusbildungStreit um „Einheitslehrer“

Weil künftige Stadtteilschullehrer in der Ausbildung so viel Fachstudium haben sollen wie Gymnasiallehrer, gehen CDU und FDP auf die Barrikaden. Sie wittern die Einheitsschule.

Wissen, so sollte man meinen, schadet der Lehrkraft nie – egal an welcher Schule Foto: dpa

HAMBURG taz | Der Tagesordnungspunkt 1 des Schulausschusses am 15. Februar endete mit einem Wumms. Nachdem die Senatsbank den Abgeordneten zwei Stunden Rede und Antwort gestanden hatte, beantragte FDP-Politikerin Anna von Treuenfels-Frowein eine öffentliche Anhörung. Denn die Pläne zur Lehrerausbildung, davon sei sie „zutiefst überzeugt“, seien „falsch“.

„Wir waren wie von Donner gerührt“, sagt die Grüne Schulpolitikerin Stefanie von Berg. Denn die FDP-Politikerin hatte ihren Antrag nicht wie üblich vorher angekündigt.

Im Januar hatte es bereits eine Anhörung mit Experten gegeben, im März sollte das Vorhaben von der Bürgerschaft verabschiedet werden, damit die Universität im nächsten Semester mit den Vorbereitungen beginnen kann. Es soll ein eigenes Grundschul-Studium entwickelt und das Studium für Stadtteilschul- und Gymnasiallehrer zusammengelegt werden. Die neue Anhörung kostet nun Zeit.

Zudem sehen sich SPD und Grüne von FDP und CDU ausgetrickst. Denn für eine öffentliche Anhörung reicht ein Viertel der Stimmen. Die erhielten FDP und CDU hier mit Hilfe der AfD.

Für FDP-Frau Treuenfels-Frowein geht es um Grundsätzliches: Sie sieht in dem Plan, künftigen Lehrern der Stadtteilschulen und Gymnasien den gleichen Anteil an Fächerstudium angedeihen zu lassen, den „Einheitslehrer“, der Vorbereitung zur „Einheitsschule“ sein soll. SPD und Grüne legten damit „die Axt an die Stadtteilschule“.

Die neuen Lehrer

Das alte Studium für Grund-, Haupt- und Realschule wird aufgelöst, weil es diese Schulform nicht mehr gibt.

Künftig gibt es ein eigenständiges Grundschulstudium, das Deutsch, Mathematik und ein dritte Fach umfasst.

Für die Klasse 5 bis 13 gibt es neu das Lehramt Sekundarstufe I und II mit zwei Fächern, die vertieft studiert werden.

Beginnen soll die Reform 2020.

Dabei haben Schulsenator Ties Rabe (SPD) und Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) die Schulforschung hinter sich. Der Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, Jürgen Baumert, attestierte ihnen im Januar vor dem Ausschuss, dass die Drucksache eine „kluge Antwort auf die veränderte Schul­struktur in Hamburg“ sei.

Ein Lehrerstudium umfasst 300 Leistungspunkte. Künftig sollen Lehrer, die ab Klasse 5 unterrichten, zwei Fächer vertieft studieren und dort einschließlich Fachdidaktik je 96 Leistungspunkte erwerben. Die übrigen 108 teilen sich auf Pädagogik, Praktika, Abschlussarbeiten zur freien Auswahl auf.

Ebenso wurden bisher Gymnasiallehrer ausgebildet, weshalb der Vorwurf, es komme der „Gymnasiallehrer light“ nicht greift. Baumert sagte, wenn man “Paarlinge“ nehme, also zwei Schüler der 4. Klasse mit statistisch gleichen Ausgangsbedingungen, dann sei der, der auf dem Gymnasium lerne, in Klasse 10 gut zwei Schuljahre weiter als der auf der Haupt- oder Realschule.

Ein Grund sei die Schülerzusammensetzung, der „Hauptgrund“ sei jedoch die Fachlichkeit der Lehrkräfte. Denn es sei falsch zu denken, dass Lehrer für eine gemischtere Schülerschaft mit etwas geringeren Fachleistungen weniger Fachwissen benötigten. Vier der sieben geladenen Experten schlossen sich dem an.

Hinzu kommt, dass die Seminare an der Uni für beide Lehrämter auch bisher schon die gleichen waren, nur die Zusammenstellung des Studienplans wird sich ändern. Und wie bisher soll die eigentliche Vorbereitung auf die Schulform im Referendariat und in der anschließenden dreijährigen „Berufseingangsphase“ erfolgen.

Auch CDU und FDP berufen sich auf Experten

Doch CDU und FDP sehen die Hauptaufgabe der Stadtteilschulen darin, fit für die Berufsausbildung zu machen. Sie stützen sich auf die beiden Hamburger Experten, die Kritik am Modell übten. Der für den Deutschen Lehrerverband Hamburg eingeladene Helge Pepperling sagte, er sehe nicht, warum sich ein Hauptschüler mit den tieferen Gründen der Kernphysik auseinandersetzen sollte. Es reiche doch, wenn der begriffe, dass Radioaktivität gefährlich sei.

Der pensionierte Schulleiter Dietmar Wagner berichtete von seinen 30 Jahre alten Erfahrungen an einer Gesamtschule. Er habe sich „im gymnasialen Zweig erholt, wenn ich aus der Hauptschulklasse kam“. Die Gymnasien räumten nach der 6. Klasse auf. Dann komme „ein bestimmter Typus“ von dort auf die Stadtteilschule.

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1 Kommentar

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  • CDU und FDP möchten eine kleine Gruppe von Schülern besser stellen, dafür opfern sie den Rest. Und das Ganze verpacken sie immer wohlklingend, aber das rächt sich und es rechnet sich nicht. Die Stadtteilsschule ist die Bildungseinrichtung schlechthin geworden, das Gymnasium ist für eine privilegierte Elite, frei von Kindern mit Status und teilweise mit Schulen, die privat mehr Spenden erhalten als andere Schulen. Eigentlich müsste die Regierung sich für alle Kinder und Jugendlichen verantwortlich fühlen und eine Bildungslandschaft schaffen, in der es solche krassen Privilegien wie die Gymnasien gar nicht gibt, denn das sind staatliche Schulen, sie funktionieren aber teilweise wie Privatschulen.