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Lauterbach und die QuarantänepflichtWe love Eigenverantwortung

Karl Lauterbach wollte die Quarantänepflicht für Menschen außerhalb des medizinischen Sektors beenden. Dabei ging es nie um Freiheit – nur um Profite.

Die Maskenpflicht beim Einkaufen ist gefallen – nun können alle selbst entscheiden Foto: Sven Hoppe/dpa

W elche Körperverletzung wiegt schwerer: eine Corona-Infektion mit möglichen Langzeitfolgen spreaden oder eine beherzte Faust ins maskenlose Gesicht der aufdringlichen Person neben mir? Dienstagmorgen konnte ich im Supermarkt an nichts anderes denken. Am Abend zuvor hatte Karl Lauterbach vorgeschlagen, ab Mai die Quarantänepflicht für Menschen außerhalb des medizinischen Sektors zu beenden. Unter den ganzen Social Barebacker_innen – also Leuten ohne Maske in vollen Innenräumen – würden sich auch jene tummeln, die Corona ganz sicher haben. Mittlerweile hat Lauterbach den Vorschlag revidiert.

Ich hatte neulich Corona. Dank dreifacher Impfung war der Verlauf mild, aber ich würde es nicht noch mal durchmachen wollen. Bisher trage ich keine Folgen davon. Leider können das viele andere – laut der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin bis zu 15 Prozent der Erkrankten – nicht von sich behaupten. Dass der Gesundheitsminister wegen Personalmangels die Durchseuchung vorantreiben wollte, passt in den Kurs der Regierung. Leute sollten krank zur Arbeit erscheinen, dort alle anstecken und vielleicht noch mit Long Covid belohnt werden.

Denn was das Aufheben von Pflichten zum Infektionsschutz für Arbeiter_innenrechte bedeutet, hat sich bereits herauskristallisiert. Ganz ehrlich: Wem kann maus es schon zum Vorwurf machen, trotz Corona ackern zu gehen, wenn die Alternativen Lohnausfälle oder gleich Kündigungen sind? Wer verzichtet freiwillig auf den Urlaub, wenn die teuren Tickets und Unterkünfte nicht rückerstattet werden? Nur die wenigen, die es sich leisten können und wollen.

Die Regierung will über Eigenverantwortung reden? Wo wurde an die Eigenverantwortung appelliert, als vor zehn Jahren der rezeptfreie Zugang zur „Pille danach“ als bedenklich galt, weil Leute sich das Medikament sonst „wie Smarties“ reinpfeifen würden? Wo ist die Eigenverantwortung heute, wenn es um Abtreibungen geht? Oder um Hormontherapien und Namensänderungen? Ist es nicht auch Eigenverantwortung, ob und welche Drogen eine Person konsumiert und wie viele sie mit sich herumträgt?

Weshalb nicht alle Grenzen öffnen?

Weshalb nicht alle Grenzen öffnen und Leute selbst entscheiden lassen, wo sie leben wollen? Wozu überhaupt den Body-Mass-Index als Zugangsbedingung für irgendwas setzen? Sollte es in Zeiten der Inflation überhaupt noch „klauen“ und nicht „improvisierte Umverteilung“ heißen? Warum eine Wehrpflicht diskutieren, wenn die Regierung Wert auf Eigenverantwortung legt? Überhaupt: Ist die Abschaffung von Polizei und Knästen nicht überfällig?

Es gibt viele Bereiche, in denen Eigenverantwortung sinnvoll ist. Eine Pandemie, in der maus zwei Jahre lang vergeblich nach Solidarität und Ar­beit­neh­me­r*in­nen­rech­ten gesucht hat, gehört nicht dazu. Wenn der Kontrolletti­staat plötzlich auf antiautoritär macht, sollten wir stutzig werden. Denn es ging nie um Freiheit, sondern immer nur um Profite.

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17 Kommentare

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  • Was für ein aggressiver, unsympathischer Beitrag…

  • Zum Thema Eigenverantwortung frage ich mich immer, wenn ich so etwas lese - wie empfindet man als Autor*in die Eigenverantwortung, wenn man impliziert, man könnte Menschen ohne Maske die Faust ins Gesicht schlagen und jemand das dann als Anregung nimmt und umsetzt? Vielleicht sogar bei älteren Mitbürgern oder Kindern?

    Man weiß doch gar nicht, wer den Text liest, wie es dem gerade geht und wie der einzelne Passagen versteht!

    Sollte man sich dann nicht mit Aussagen, die als Gewaltaufruf von einigen verstanden werden können, etwas zurückhalten?

    Es hätte doch diverse alternative Möglichkeiten gegeben, das entsprechende Gefühl ohne Gewaltaufruf auszudrücken?

  • "Die Regierung will über Eigenverantwortung reden? Wo wurde an die Eigenverantwortung appelliert, als vor zehn Jahren der rezeptfreie Zugang zur „Pille danach“ als bedenklich galt, weil Leute sich das Medikament sonst „wie Smarties“ reinpfeifen würden? Wo ist die Eigenverantwortung heute, wenn es um Abtreibungen geht? Oder um Hormontherapien und Namensänderungen? Ist es nicht auch Eigenverantwortung, ob und welche Drogen eine Person konsumiert und wie viele sie mit sich herumträgt?"



    Hey, Sie können doch nicht einfach gute Argumente bringen und dann auch noch feministische! Wo soll das hinführen? Denken Sie an die armen Konservativen, die da Schnappatmung kriegen. ;-)

  • Die Rechnung ist doch ganz einfach... es gibt nur impfen oder an Corona erkranken. Manchmal beides. Wenn also die Knaller keine Impfpflicht zulassen, dann müssen alle Corona kriegen. Mehr steckt da meines Erachtens nicht dahinter.

    • @Christian Ziems:

      Falsch. Es gibt nur Impfen UND an Corona erkranken oder Ungeimpft an Corona erkranken.

      Nicht an Corona erkranken gibt es auf Dauer nicht. Die Impfung verhindert weder die Infektion, noch eine merkliche Erkrankung bei der Erstinfektion.

      Sie reduziert deutlich das Risiko eines schweren Verlaufs und ebenso das Risiko von längerfristigen Folgen, weshalb die geimpfte Erstinfektion der ungeimpften Erstinfektion vorzuziehen ist.

      Weiterhin klar vorzuziehen ist die Erstinfektion im Sommerhalbjahr gegenüber der Erstinfektion im Winter, weshalb eine Aufrechterhaltung von Quarantäneregeln über den Sommer das Gefahrenpotential erhöht.

      Leider denken viele Politiker offensichtlich nicht über längere Zeiträume.

    • @Christian Ziems:

      Wir wissen doch alle, welcher Partei wir das verdanken. Die hätte halt immer gern, dass nur die (wirtschaftlich) Stärksten überleben. Von den anderen wählen zu viele SPD.

  • 9G
    93851 (Profil gelöscht)

    Toller Kommentar, dem bis auf – apropos Profite(!) – noch folgendes hinzuzufügen ist:







    www.nzz.ch/interna...undheit-ld.1644849

    www.zdf.de/nachric...akonzerne-100.html .

    • @93851 (Profil gelöscht):

      Daß die Pharmaindustrie zu den "Guten" gehört, ist immer noch ein weit verbreiteter Irrglaube. Es ist im Grunde auch nur eine Industrie, die ziemlich rücksichtslos auf Profitmaximierung ausgerichtet ist, egal, wer oder was dabei zu Schaden kommt.

      • @Wurstfinger Joe:

        "Daß die Pharmaindustrie zu den "Guten" gehört, ist immer noch ein weit verbreiteter Irrglaube."

        Wenn die Pharmaindustrie zu den "Schlechten" gehört, warum kann sie denn so einen Profit machen, so viele Pillen, Tropfen, Lösungen, Impfungen etc. verkaufen? Sind die vielen Erkrankten zu dumm und lassen sich nur von der Werbung blenden?

        Die pauschale Abqualifizierung "Es ist im Grunde auch nur eine Industrie, die ziemlich rücksichtslos auf Profitmaximierung ausgerichtet ist, egal, wer oder was dabei zu Schaden kommt." ist doch wohl auch nicht das Gelbe vom Ei.

  • Das heißt nicht "Es geht um Profite.", das heißt "Es geht um die Wirtschaft!". 😄



    Aber mal ganz ehrlich, das war schon deutlich an den Maßnahmen vorher erkennbar, aber jetzt hat es wenigstens mal jemand gesagt bzw. geschrieben. Profitiert daran haben nur die Großen, während kleine und kleinste Unternehmen bzw. Selbständige immer noch auf dem Zahnfleisch kriechen.

  • Einem Menschen ohne Maske mit der Faust ins



    Gesicht schlagen….



    Selten so was Aggressives von einem



    taz-Kolumnisten gelesen!



    Nein, taz - für sowas zahl ich nicht

    • @Capitan Ituarte:

      Nicht jeder ist ein Christ oder Ghandi, der gern symbolisch oder real die andere Wange hinhält, besonders nach eigenen schmerzlichen Erfahrungen, die das rücksichtslose Verhalten des Gegenübers auslösen kann. Da kann man schon mal auf nicht ganz so gewaltfreie Gedanken kommen, und solange die Ausführung unterbleibt, ist das auch kein Problem.

      • @Wurstfinger Joe:

        +1

  • 0G
    03998 (Profil gelöscht)

    Ok - also der Kontrollettistaat sollte gefälligst seine Arbeit tun und weiterhin strenge Maßnahmen ergreifen gegen Corona, weil die Entwicklung einer Pandemie zur Endemie eben nicht von jedem verstanden wird.



    Wenn das nicht geschieht dann gefälligst Polizei und alles andere, was irgendwie lästig ist, abschaffen.



    Und als erstes unser Bildungssystem, man/frau sieht ja wohin das führt :).

    • @03998 (Profil gelöscht):

      Sie scheinen auch dem Irrtum zu erliegen, dass ein endemisches Covid irgendwelche Vorteile hätte.



      HIV, Borreliose, Tetanus, alles endemisch bei uns.



      Was daran ist gut?

  • danke :-) ich huste noch immer und der blutdruck steigt, wenn ich mich zu schnell bewege und ich hab definitiv keine lust auf ne zweite infektion

    • @videostar:

      Bei Longcovid-syndromen sind aktive Viren in innere Körperteile vorgedrungen, auch wenn der Nasen- oder Rachenabstrich negativ ist.



      Schon 2020 hat man im Riechnerv bei negativ Getesteten vormals positiven, aktive Viren gefunden.