piwik no script img

Lauterbach präsentiert HitzeschutzplanApp-Warnung bei Lebensgefahr

In Deutschland sterben jährlich Tausende an extremer Hitze. Um die Zahl zu senken, legt Gesundheitsminister Karl Lauterbach einen Hitzeschutzplan vor.

Soll bei Hitze Leben retten: Aufklärung, Meldungen per Warn-App – und dazu ein Ventilator Foto: iamgebroker/imago

Berlin taz | Hitze kann tödlich sein: Alleine 2022 sind laut Berechnungen des Robert Koch-Instituts rund 8.000 Menschen in Deutschland an den Folgen von Hitze gestorben. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) möchte die Zahl noch in diesem Jahr halbieren.

Am Freitag stellte der Minister in Berlin den nationalen Hitzeschutzplan vor und zeigte sich zuversichtlich: „Ich bin mir sicher, dass wir die Bilanz verbessern können“. Lauterbach setzt auf die Sensibilisierung der Bevölkerung, auf ein Hitzewarnsystem und den verstärkten Schutz vulnerabler Gruppen.

Bereits im Juni hatte Lauterbach angekündigt, mit der Beteiligung von Pflege, Ärzteschaft, Wissenschaftler*innen, Kommunen und Ländern einen Hitzeschutzplan auszuarbeiten, orientiert am Vorbild Frankreichs. Dort wurden viele Maßnahmen schon nach einer großen Hitzewelle 2003 ergriffen, während es in Deutschland bislang noch keine landesweit einheitliche Strategie gab.

Man müsse jetzt schnell aufholen, so Lauterbach, denn wegen des Klimawandels sei mit immer mehr Hitzewellen zu rechnen. Auch in diesem Jahr seien seine Auswirkungen schon zu spüren: Zwischen Anfang April und Anfang Juli starben laut dem Minister bereits rund 1.500 Menschen an den Folgen extremer Hitze. Ein beträchtlicher Teil der angekündigten Maßnahmen sei wegen der Dringlichkeit bereits in Umsetzung, so Lauterbach.

Der Plan sieht eine stärkere Sensibilisierung der Bevölkerung für die Gefahren durch Hitze vor. Vor allem besonders gefährdete Menschen, wie Ältere, chronisch Erkrankte, Kranke, Schwangere, Kinder sowie Obdachlose sollen mit Verhaltenshinweisen versorgt werden. Zu diesem Zweck hat das Ministerium bereits eine Plakat-Kampagne gestartet, die in Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen Anwendung finden soll. Auf den Plakaten soll über Schutzmaßnahmen informiert werden, wie beispielsweise viel Trinken, körperliche Anstrengung vermeiden oder im Schatten aufhalten.

Hausärzte erreichen vulnerable Menschen

Markus Beier, Chef des Deutschen Hausärzteverbands, sagte am Freitag, die Hausarztpraxen könnten viele der besonders vulnerablen Menschen erreichen und informieren. Chronisch Erkrankte sollen künftig bei Arztbesuchen darauf aufmerksam gemacht werden, wenn sie bei starker Hitze besonders gefährdet sind und individuelle Verhaltensmaßnahmen an den Tag legen sollen.

Dia­be­tes­pa­ti­en­t*in­nen müssten etwa über die richtige Aufbewahrung von Insulin bei Hitze aufgeklärt werden; Pa­ti­en­t*in­nen mit Herzschwäche, die üblicherweise angehalten werden, ihre Flüssigkeitszufuhr zu drosseln, sollen um den erhöhten Flüssigkeitsbedarf bei Hitze wissen. Deutschlandweit würden schon jetzt Schulungen durchgeführt, um das Praxispersonal auf den Umgang mit Hitzewellen vorzubereiten.

Um die Bevölkerung rechtzeitig zu informieren, wenn Hitzewellen drohten, intensiviert das Ministerium außerdem die Zusammenarbeit mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern. Der Deutsche Wetterdienst liefert dem Ministerium die Wetterdaten zu Hitzeereignissen. In Zukunft könnten auch Warnmeldungen per SMS oder über die NINA-Warnapp verschickt werden – allerdings nur bei extremen Hitze. Dazu erfolgt noch eine Abstimmung mit dem Bundesinnenministerium.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • "Das wäre Hitzeschutz vom Feinsten."

    Tatsächlich gebaut werden gleichzeitig andere Dinge: neue Seniorenwohnheime zum Beispiel, bei uns 3 Stück (wie "aus einem Wurf"). Glatte Häuserfronten, anstelle von Balkonen bodentiefe Fenster (auch in Süd-West-Lage). Eine der neuen "Residenzen" ersetzt einen weggerissenen 60er-Jahre-Bau, - der statt auf - in - den Hang gebaut war, terrassenförmig angelegt viel Schatten bot und Platz für Begrünung. Leider hatte man ihn bis zur Baufälligkeit vernachlässigt. Interessant wäre, wie viele der neuen Seniorenresidenzen, die stellenweise wie Pilze aus dem Boden schießen, überhaupt über baulichen Hitzeschutz verfügen. Den Heimaufsichten reicht es vermutlich, wenn die Bewohner - zur Not per Aushang - animiert werden, ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen.

  • Warnmeldungen vor Hitze als "Hitzeschutz" anzupreisen ist wirklich seltsam.

    Wirksamer Schutz vor weiterer Aufheizung der Atmosphäre mit diesen "Info- Maßnahmen" des Gesundheitsminsters: Null!

    Stromverbrauch (Verbrennung fossiler Energieträger) für Absendung von Warnmeldungen an Millionen User mit aufgeladenem Smartphone: Naja etwas.

    Gut ist der Wille, etwas zu tun gegen die zunehmende Hitze. Doch dazu gehört wesentlich mehr als Warnmeldungen zu verschicken. Das alleine ist blinder Aktionismus.

    Es gibt große Kliniken (ohne Klimaanlage), die haben Patientenzimmer im fünften/sechsten/siebten Stock. Mit unbegrünten Flachdächern drüber. Kein Dachgarten. Nix. Nur schwarzes Bitumen drauf.

    Die Patientenzimmer darunter haben im Sommer bis zu 40 Grad Innenraumtemperatur. 35 Grad nachts. Dort drinnen liegen kranke Menschen und sollen "genesen". Bei billigstem Krankenhausessen.

    Glücklich ist, wer nicht schwer krank ist. Ältere Kliniken sind überhaupt nicht auf wochenlange Temperaturen über 30 Grad eingerichtet/ausgerichtet und haben dringenden Renovierungs-/Modernisierungsbedarf.

    Alle Kliniken mit Klimaanlagen auszustatten mit gleichzeitig großflächiger Installation von Solarzellen auf den Dächern und als Schattenschutz in den Patientengärten. Das wäre Hitzeschutz vom Feinsten. Kostet natürlich richtig. Doch schützt vor Hitzetod im Krankenhaus.

    Müssen nur wollen... . ;-)

  • Man wird wohl nicht darum herumkommen, in Krankenhäusern und Altenheimen massiv Klimaanlagen nachzurüsten. Die App-Idee ist angesichts der Hauptopfergruppe der senilen oder dementen Alten eine echte Schnapslösung. Die rufen ja eher perplex nach der Staionsschwester, um sich den Warnhinweis erklären zu lassen.

    • @hedele:

      Ja und nach der Stationsschwester können sie lange rufen. Die ist im Dauerlauf unterwegs und hat pro Patient / Bewohner drei Minuten Zeit ... Oder ist inzwischen selbst kollabiert, - denn tatsächlich geht es durchaus nicht nur um Alte und Kranke. Bei einer hohen Luftfeuchtigkeit bekommt auch ein gesunder junger Körper (bereits bei unter 30 Grad) gravierende Probleme. Weil er die Körpertemperatur nicht mehr durch Schwitzen regulieren kann. Kreislaufzusammenbruch und sogar Organversagen drohen. Ist vielen nicht bewusst. Wer weiß, wie viele schwere Unfälle auf das Konto von Überhitzung gehen, weil alles, was unter 60 ist, sich als zu fit für die "Opferrolle" hält.