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Landwirte schüchtern Journalisten einBauernverband distanziert sich

„Das geht gar nicht“, sagt Verbandspräsident Rukwied über Aktionen von Landwirten vor Privathäusern von Journalisten und Politikern.

Auf dem Weg zu einer angemeldeten Demonstration: Trecker bei Hannover Foto: imago

Berlin taz | Der Deutsche Bauernverband verurteilt Proteste von Landwirten vor den Privathäusern von Journalisten und Politikern. „Wir distanzieren uns von solchen Aktionen in aller Deutlichkeit“, teilte Präsident Joachim Rukwied der taz am Freitag auf Anfrage mit. „Das geht gar nicht. Der Schutz der Privatsphäre ist ein hohes Gut. Dialog geht anders“, so Rukwied.

Bauern hatten am vergangenen Sonntag einen Zeitungsjournalisten und eine Kommunalpolitikerin in Niedersachsen mit Protesten vor deren Privathäusern bedrängt. So wollten die Landwirte gegen Äußerungen der Betroffenen zur Agrarpolitik vorgehen. Verantwortlich war die Gruppe „3 vor 12“, die sich auch an den bundesweiten Protesten tausender Bauern Ende Oktober beteiligt hatte. Diese waren von der Initiative „Land schafft Verbindung“ organisiert worden.

Etwa 20 Bauern zogen am Sonntagmorgen vor das Haus eines Redakteurs der Braunschweiger Zeitung, wie das Blatt selbst und das Internetportal Regional Braunschweig berichten. Demnach fuhren die Landwirte mit einer Schubkarre voller Mist vor. Sie hätten dem Journalisten vorgeworfen, er habe „polemisch und fachlich sehr mangelhaft“ über die Bauern geschrieben, hieß es in der Zeitung. Auf dem Fußweg vor seiner Einfahrt hätten sie Tische und Bierbänke aufgebaut.

Selbst als der Journalist zum Sonntagsdienst in die Redaktion musste, blieben sie sitzen. „Die Familie des Kollegen empfindet die Lage zunehmend als bedrohlich, wie eine Belagerung“, schrieb das Blatt.

Wut über einen Zeitungskommentar

Eine ähnliche Aktion fand gleichzeitig vor dem Privathaus einer Kommunalpolitikerin der Grünen im Landkreis Wolfenbüttel statt, die in einer Pressemitteilung Proteste der Bauern gegen Umweltauflagen kritisiert hatte. Das berichteten Medien und der Gemeindeverband Cremlingen der Partei.

Der von den Bauern monierte Meinungstext des Redakteurs sei fair mit den Landwirten umgegangen, erklärte die Braunschweiger Zeitung. Tatsächlich hieß es in dem Kommentar zu den Demonstrationen von Bauern Ende Oktober: „Man kann das sehr gut verstehen, dass die Landwirte auf die Barrikaden gehen.“ Er riet ihnen aber auch: „Nicht nur klagen über Verbote und Verluste, sondern Lösungsvorschläge machen.“ Die Bauern seien nicht allein schuld an Um­welt­pro­ble­men wie dem Insektensterben, der Verschmutzung des Grundwassers und dem Klimawandel, „aber unbeteiligt eben auch nicht“.

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12 Kommentare

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  • Steht das Bild in irgendeinem Zusammenhang mit dem Inhalt. Im Text steht nüscht von Demonstrationen.

  • Den Artikel gab es doch schon vor drei Tagen in der taz. taz.de/Bauern-schu...sten-ein/!5642142/

    Was gab es seitdem Neues zu berichten Herr Maurin? Die Distanzierung des Bauernverbandes existierte auch schon vor ein paar Tagen.

  • Nicht zu fassen, dass sie den Konflikt auf derartige Weise ins Privatleben verlagert haben. Das ist total grenzverletzend.

    • @Fallmanagerin:

      Es ist zu fassen, denn es ist absolut nichts grenzverletzendes geschehen.



      Die Sache wird viel zu heiß gekocht.



      Ein paar Familien mit Kindern haben jemanden am Sonntagmorgen mit Kaffee und Brötchen besucht und um ein Gespräch gebeten. Nicht mehr.

      • @Michael19:

        Naive Verharmlosung?

        "Auf dem Fußweg vor seiner Einfahrt hätten sie Tische und Bierbänke aufgebaut.



        Selbst als der Journalist zum Sonntagsdienst in die Redaktion musste, blieben sie sitzen."

        liesst sich für mich wie Nötigung.

  • Den Bauern ist auch bei "ordentlichen"Demonstrationen jedes Gefühl für Verhältnismaßigkeit abhanden gekommen. Mit Maschinen der Premiumklasse protzen sie durch Stadt und bejammern Ihre Daseinsängste. Wie kann mit einer solchen Phallusorgie ersthaft gegen das Artensterben antreten. Das ist ja schon für sich allein beschämend.



    Leider haben auch Bauern mit besseren Absichten das Virus im Hirn, daß zu einer Demonstation ihre Dieselrösser mit müssen.

    • @noncarnnever:

      Wie auch Sie, falls Sie einer Arbeit nachgehen, möchten und müssen auch Landwirte zeitgemäß arbeiten. D.h. nicht mit einer 40 Jahre alten Maschine. Diese "Maschinen der Premiumklasse" ermöglichen dem Landwirt erst umweltschonende Produktionsverfahren umzusetzten und einen Arbeitsplatz zu haben der dem Nutzer angemessene Arbeitsplatzbedinngungen bietet. Wie soll die Landwirtschaft sonst mit anderen Branchen vergleichbare Arbeitsbedinngungen bieten?



      Wenn Sie "Museumslandwirtschaft"wollen werden Sie fast keinen Finden der unter solchen Bedinngungen Arbeiten möchte. Die Lebensmittel kommen dann aus anderen Ländern.

      • @Michael19:

        wer Landwirtschaft noch in der Handarbeitstufe kennengelernt hat, der wird sich den Segen des technischen Fortschrittes sein Lebtag nicht mehr ausreden lassen. Was dieser technische Fortschritt sicher nicht erreicht hat sind "vergleichbare Arbeitsbedingungen anderer Brachen" zu schaffen (Das sollte wohl ein Witz sein?), und noch weniger der Erhalt von Arbeitsplätzen. Vielmehr hat er einen brachialen Wettbewerb unter den Bauern zur Folge, der Millionen von ihnen zum Aufgeben gezwungen hat. Dieser Prozess wird sicher erst enden, wenn die LW vollständig industrialisiert ist. Eine andere Folge ist die extreme Schlagkraft der Maschinen. Dadurch können (um nur ein Beispiel zu nennen) Grünlandflächen bis zu fünf mal im Jahr abgemäht werden, was die Wiesen zu einer Todeszohne für alle Bodenbrüter und Insekten macht. Das ist der wirkliche Preis für diese Technik.

    • @noncarnnever:

      Vielleicht ist vielen Bauern nicht wirklich bewusst, für WEN sie im eigentlichen auf die Straße gehen.

      Ohne Herrn Maurin zu nahe treten zu wollen, den gesamten Bauernstand für eine handverlesene Schar von Ausgeflippten wiederum in Generalhaftung nehmen zu wollen zeigt sehr anschaulich, dass man nicht unbedingt gewillt zu sein scheint, in eine ehrliche Diskussion eintreten zu wollen.

      Welchen Knüppel schwingen Sie denn über jenen Häupter, die nicht auf die Straße gegangen sind, dennoch aber eine Veränderungsbereitschaft im Umfeld der landwirtschaftlichen Urproduktion einfordern.

      Wir kommen um einen offenen gegenseitigen Meinungsaustausch mit im Ergebnis beiderseits vertretbaren Kompromisslösungen nicht herum, wenn auch künftig LW im heimischen Umfeld noch betrieben werden soll. Sie alle wollen doch keine unter der Glyphosatdusche erzeugte, gentechnisch veränderte Nahrungsmittel auf dem eigenen Tellern, mehrheitlich mit Blut befleckte Sojaprodukte in Ihren Discounterregalen, oder...!?

      Eine gelingende Ökologie ohne Ökonomie ist leider undenkbar; und dabei schiele ich nicht begehrend auf eine Ausweitung unseres Prämienverteilsystems, damit in alljährlich wiederkehrender intensivmedizinischer Staatsbetreuung die Bauern gerade noch am Leben erhalten werden können.

      Wer allerdings die Quadratur des Kreises beherrscht, darf sich gerne zu Wort melden.

    • @noncarnnever:

      Die Bauern haben völlig Recht. Was den Bauern bzw. Landwirten in den letzten Jahren für neue Gesetze und Vorschriften vorgesetzt wurden ist ungeheuerlich. Teilweise ohne fachliche und praxistaugliche Hintergründe. Warum gelten diese Gesetze dann nicht auch in anderen EU-Ländern? Wie sollen unsere Landwirte mit anderen Ländern konkurrieren, wenn sie mit wesentlich höheren Standarts produzieren müssen? Für einen Landwirt ist eine 40 Stunden Woche Luxus und nicht machbar. Warum sollen die Landwirte nicht mit den Traktoren protestieren? Es ist Ihr wichtigstes Werkzeug? Das ist eben die Landwirtschaft von heute. Und Sie benötigen eben große Maschinen um die Flächen zu bearbeiten zu können, die noch vor wenigen Jahren noch von vielen Landwirten mehr bewirtschaftet wurden. Die aber aufgrund der schlechten Preise und schlechter Stimmungsmachegegen sie bereits aufgegeben haben. Es sollte sich einmal jeder am Frühstückstisch überlegen, woher das Essen vor ihm herkommt. Kauft regional, den bereits unsere konventionellen Lebensmittel sind gesünder und nachhaltiger produziert als "Bio Lebensmittel" vom Ausland! Wenn es so weitergeht gibt es in zehn Jahren nur noch die Hälfte der Landwirte. Denkt mal bitte darüber nach, woher ihr eurer Essen haben wollt, Ausland oder Deutschland?

    • @noncarnnever:

      Erfolgreiches Motto: "Lerne zu klagen, ohne zu leiden." ;-)