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Landwirte gegen zu billige LebensmittelBildet Bauernkartelle!

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Bauern sollten nicht nur Aldi dafür verantwortlich machen, dass sie zu wenig verdienen. Sie müssen sich zu Kartellen zusammenschließen.

Für faire Milchpreise: Milchbauern-Protest vor einer Molkerei in Wismar im November Foto: Jens Büttner/dpa

D ie Klagen des Deutschen Bauernverbands und vieler Landwirte über die Billigpreispolitik von Aldi, Lidl und den anderen Supermarktketten sind wohlfeil. Diese Bauern lenken von ihrer eigenen Verantwortung dafür ab, dass sie zu wenig für ihre Produkte wie Milch oder Schweine bekommen.

Der Handel tut nur das, was sein Job ist: Er kauft Lebensmittel so billig wie möglich ein, damit er sie mit möglichst viel Gewinn verkaufen kann. Dass vom Endpreis heute weniger als vor 50 Jahren bei den Bauern ankommt, liegt nicht nur an der größeren Konzentration des Handels auf lediglich noch vier Konzerne. Der wichtigste Grund für die Preissenkungen ist vielmehr, dass die Bauern dank Technik die Produktionskosten in den vergangenen Jahrzehnten stark reduziert haben. Zudem produzieren sie von vielen Lebensmitteln schlichtweg viel mehr, als Deutschland verbraucht – weil sie auf den Export setzten, der aber immer wieder zusammenbricht, zum Beispiel wegen Tierseuchen. Da das Angebot die Nachfrage übersteigt, verfallen die Preise.

Die Bauern könnten sich zu Kartellen zusammenschließen, die die Produk­tions­menge – falls nötig – senken. Im Gegensatz zu anderen Branchen dürfen sie das laut EU-Recht. Es stimmt, dass bisher auch eine Beteiligung etwa der Molkereien an solchen Branchenorganisationen vorgeschrieben ist, aber diese Gesetze ließen sich relativ leicht anpassen. Doch beim Bauernverband ist noch nicht einmal der Wille erkennbar zu solchen Kartellen. Das liegt auch daran, dass seine Funktionäre selbst in Aufsichtsräten von Molkereien sitzen, die die Einkaufspreise drücken. Er vertritt da eben nicht immer die Interessen der Bauern. Oder er lässt sich leiten von den Interessen einiger großer landwirtschaftlicher Betriebe, die mit dem Preisdruck doch noch ganz gut klarkommen, indem sie kleinere Höfe aus dem Markt kegeln.

Das können und müssen die Landwirte ändern. Sie könnten andere Funktionäre wählen und den eigenen Verband stärker unter Druck setzen, Kartelle zu fördern. Das wäre effizienter, als die Schuld auf andere zu schieben.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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8 Kommentare

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  • Wenn Herrn Maurin recht hätte, und die Preise nur schlecht sind, weil zu viel erzeugt wird, müssten ja im Umkehrschluss alle Produkte, wo wir zu wenig erzeugen ( Obst, Gemüse, Honig, spezielle Getreidearten und alle Bio-Produkte ) exorbitant im Preis steigen. Warum ist das nicht so ??



    Deutschland ist keine Insel, und der Handel kauft da ein wo es am billigsten ist.

    • @Günter Witte:

      Auf die Mangelprodukte hat man keinen Einfluss, höchstens auf europäischer Ebene. Auf Fleisch und Kartoffeln, die auch in den Export gehen schon eher.

  • Der Normannische Gemüsebauer, in dessen Ferienhaus ich als Kind/Jugendlicher jeden Sommer verbracht habe fuhr in den 1990ern seine Produkte immer zu seiner "coopérative". Ich fand das immer sehr sympatisch, das war im Grunde eine Genossenschaft, die Lagerung und Vermarktung übernahm und den Bauern Mitspracherecht und Abnahmegarantie bot. Hab mich immer gefragt, warum mir das in Deutschland nie begegnet ist.



    Bürger-Energie-Genossenschaften funktionieren doch auch, warum machen die Bauern das nicht?

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Danke für den Artikel!

  • Nette Idee, aber halt nicht zu ende gedacht.



    Selbst wenn man es schaffen würde das sich die Deutschen Landwirte bündeln, warum sollte der Handel dann zu höheren Preisen in Deutschland kaufen und nicht im Ausland ?? Es wird bestimmt eine kleine Gruppe Verbraucher geben, die zu höheren Preisen Regional kaufen, aber den Gro der Konsumenten ist es egal ob ihre billigwahre in den Regalen der Konzerne aus Holland, Dänemark, Spanien oder Deutschland kommt.



    Jede Branche in Deutschland ist in den Letzten 50 Jahren produktiver geworden, überall produzieren weniger Personen mehr Wahre, das jetzt den Landwirten zum Vorwurf für schlechte Preise zu machen, ist schon fast die Quadratur des Kreises.



    Schweinefleisch ist Momentan der beste Beweis, das der Erzeugerpreis eigentlich unerheblich ist, was der Handel an der Theke verlangt. Die Erzeugerpreise für Schweine sind seit Januar von über 2,00 € auf 1,20 € je kg Schlachtgewicht gefallen, im Laden ist Schweinefleisch teilweise sogar teurer geworden. WO BLEIBT DIESES GELD ??? Der Preis für ein Brötchen würde sich um 1 Cent erhöhen, wenn der Getreidepreis um 100 % steigt.



    www.topagrar.com/p...reis-10137451.html



    Es ist also viel mehr dran als einfach zu sagen, verlangt halt mehr dann bekommt ihr mehr.

    • @Günter Witte:

      Herr Maurin hat wohl durchaus Recht. Es geht nur mit der Bündelung durch Erzeugergemeinschaften, die in Bauernhand liegen müssen!

      Die ständige Weigerung von Bauern, wahrnehmen zu wollen, dass dies so ist, ist für mich einfach unfassbar.

  • Amilcar Cabral vermittelte den Bauern in Guinea-Bissau, dass sie durch die Preise und die damals staatlichen Aufkaufbehörden ausgebeutet würden. Der Klassenkampf der selbständigen Bauern findet also gegenüber den Händlern und Abnehmern statt.



    (Ich kaufe nur alle 6 Wochen Biowürsten und brauche täglich Quark von Bioland also der doppelte Preis für die Milch als bei den Discountern.)



    Wettbewerbsrechtlich könnte der Staat den Bauern Zusammenschlüsse erlauben und muss die Lebensmittelkonzerne zerschlagen, entflechten. Dann würde die Marktmacht symmetrischer.



    Drittens die community supported agriculture, also EVGs.