Landwirt verurteilt: Hohe Strafe wegen Tierquälerei
Ein Gericht hat wichtige Vorwürfe von Tierrechtlern gegen einen niedersächsischen Schweinemäster bestätigt. Nun soll er 36.800 Euro Strafe zahlen.
Die Missstände in A.'s Betrieb waren durch Videos aufgeflogen, die Tierrechtler veröffentlicht hatten. Oft bezweifeln Landwirte die Authentizität solcher Aufnahmen. In diesem Fall hat nun ein Gericht Vorwürfe der Aktivisten klar bestätigt.
„Wir sind zufrieden mit diesem Urteil“, sagt Jan Peifer der taz, Vorstandsvorsitzender der Tierrechtsorganisation Aninova (vormals: Deutsches Tierschutzbüro), die 2022 in der Weser Agrar GbR des Schweinemästers unhaltbare Zustände aufgedeckt hatte, in Hessisch Oldendorf im niedersächsischen Landkreis Hameln-Pyrmont. Sätze wie diesen sagt Peifer nicht oft. Viele Fälle von Tierquälerei würden im Sande verlaufen, kritisiert er, juristisch geschehe oft „überhaupt nichts“.
Das Verfahren war zustande gekommen, weil der konventionelle Bauer A. rechtlich gegen das Resultat der Ermittlungen vorgegangen war, einen Strafbefehl von 110 Tagessätzen. Sein Versuch ist fehlgeschlagen, ein für ihn günstigeres Ergebnis zu erwirken.
Kaum Betreungszeit für die Tiere
Eine Gutachterin der Staatsanwaltschaft kam in ihrer Analyse des Undercover-Bildmaterials der Tierrechtler zu dem Schluss, der Tatbestand der Tierquälerei sei erfüllt, es habe in 14 Fällen erhebliche Schmerzen oder Leiden gegeben. Nur 0,5 bis 1 Sekunde Betreuungszeit pro Tier und Tag habe der Betrieb aufgebracht, empört sich Aninova-Chef Peifer.
Patrick Klein, Initiative Tierwohl
Fußend auf Video- und Fotomaterial, das nur schwer zu ertragen ist, hatte die Tierrechtsorganisation 2022 Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Oldenburg erstattet, wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. In dem Betrieb, damals Zulieferer von Westfleisch, einem der größten Fleischvermarkter Deutschlands, hatten die Tierrechts-Aktivisten blutende, stark geschwächte, lahmende, verletzte Tiere entdeckt. Eines lag aufgequollen zwischen den anderen, tot. Kranke Tiere waren nicht separiert, waren unbehandelt. Mitte 2023 hatte das Veterinäramt ein Tierhaltungsverbot gegen den Betreiber erlassen.
Der rund 850 Mastschweine große Betrieb von Carsten A. hatte sogar an der „Initiative Tierwohl“ (ITW) teilgenommen, einer Zertifizierung der „Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung“, eines Branchenverbandes der deutschen Fleischindustrie. Das ist vorbei. „Die Initiative Tierwohl hat den Betrieb umgehend nach Bekanntwerden des Urteils gesperrt“, schreibt Patrick Klein, Sprecher der Gesellschaft, der taz. Die Sperrung gelte „bis auf Weiteres“. Klein betont: „Es gilt hier die Fakten vollumfänglich zu prüfen, um den Fall konkret bewerten zu können. Grundsätzlich nimmt die Initiative Tierwohl Verstöße gegen die vorgeschriebenen Kriterien, insbesondere wenn die Tiere dadurch zu Schaden kommen bzw. unnötig leiden müssen, äußerst ernst.“
Auch das Prüfzeichen der QS Qualität und Sicherheit GmbH hat der Betrieb verloren. Das Siegel, das von Verbänden der Land- und Ernährungswirtschaft getragen wird, soll auch die Einhaltung von Tierschutzvorschriften garantieren.
Am Tag der Urteilsverkündung habe man „die Lieferberechtigung in das QS-System entzogen“, schreibt Oliver Thelen der taz, Vize-Geschäftsführer von QS. „Mit dem Entzug dieser Lieferberechtigung ist der Betrieb nicht mehr berechtigt, Tiere im QS-System und in der Initiative Tierwohl zu vermarkten. Auch die Möglichkeit der Kennzeichnung mit dem QS-Prüfzeichen oder dem Siegel der Initiative Tierwohl ist entfallen.“
Verstöße trotz Qualitätssiegeln
Die am QS-System teilnehmenden Betriebe würden „regelmäßig angekündigt und unangekündigt kontrolliert“, schreibt Thelen. Trotz dieser Kontrollen bleibe es „aber nicht aus, dass einzelne Betriebe von diesen Anforderungen abweichen“. Jeder Fall werde sorgfältig untersucht und bewertet. „Als Qualitätssicherungssystem für Fleisch und Fleischwaren bedauern wir jeden Fall des Verstoßes gegen den Tierschutz“, versichert Thelen.
Westfleisch hatte schon früher reagiert. Philipp Ley, Sprecher von Westfleisch, Münster, schreibt der taz: „Nachdem wir im Jahr 2022 mit den Vorwürfen gegen den Tierhalter konfrontiert worden waren, gingen wir diesen direkt und mit aller Entschiedenheit nach. In diesem Zuge beendeten wir bereits damals die Geschäftsbeziehung.“
Ganz zufrieden ist Aninova-Chef Peifer allerdings nicht. Ohne den Einsatz der Tierrechtler, vermutet er, wären die Zustände bei Carsten A. womöglich unentdeckt geblieben. „Die staatlichen Kontrollen in Deutschland versagen komplett“, urteilt er. Zwischen den Kontrollen in niedersächsischen Mastbetrieben vergehen statistisch Jahrzehnte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“