Landstrom für Kreuzfahrtschiffe: Hamburgs viel zu lange Leitung
Im Hamburger Hafen soll künftig die Mehrheit der Kreuzfahrtschiffe mit Landstrom versorgt werden. Die Linke hält das für Greenwashing.
Nun kann man einwenden, dass die Kreuzfahrt als schwimmende Kleinstadt so viel CO2 ausstößt, dass Greenwashing schon im Ansatz scheitert. Andererseits verbringen die Schiffe mehr als die Hälfte der Zeit in Häfen – da macht es einen Unterschied, wie sie währenddessen die Energie für all die Schwimmbäder, Kinos oder auch Eislaufbahnen erzeugen. Entweder mit den bordeigenen Motoren mit Schweröl, Schiffsdiesel oder Gas und entsprechend hohem CO2-Ausstoß – oder aber mit Landstrom, der in Hamburg aus regenerativen Quellen stammen soll.
Dass Landstrom-Versorgung sinnvoll ist – so weit ist man sich auch in Hamburg einig. Doch die Linke glaubt nicht, dass der Senat die Weichen so stellt, dass dieses Ziel erreicht werden wird. Denn einerseits, so argumentiert deren umweltpolitischer Sprecher in der Bürgerschaft, Stephan Jersch, seien gar nicht alle Schiffe landstromtauglich. Und selbst unter denen, die diese Voraussetzung erfüllen, seien nicht alle zertifiziert und damit für die Landstromversorgung freigegeben.
„Die Zahlen belegen eindeutig, dass die Vorstellung des Senats weit von der Realität entfernt ist, sodass hier von einer Täuschung gesprochen werden kann“, schreibt Jersch. „Das ist Greenwashing par excellence – zugunsten der Kreuzfahrtindustrie.“ 2024 sollen laut Senat 180 Schiffsanläufe mit Landstrom versorgt werden – laut Jersch sind darunter nur 46 Anläufe von Schiffen, bei denen das möglich ist.
Mehr politischer Druck gefordert
Warum nutzt die Kreuzfahrtbranche, die schon im kommenden Jahren für 70 Prozent ihrer Emissionen Zertifikate kaufen muss, das Landstromangebot so wenig? Die Antwort ist einfach: Der Landstrom ist teurer. Um wie viel, ist unbekannt, denn die Reedereien machen keine Angaben dazu. Der Hamburger Senat, so beschreibt es zumindest die Linke, will den Reedereien und der einträglichen Tourismusbranche nicht auf die Füße treten.
In der Senatsantwort auf eine Anfrage der Linken nach Vereinbarungen zur Landstromnutzung heißt es wenig informativ: „Der Hafen Hamburg unterhält einen regelhaften Austausch mit den Kreuzfahrtreedereien.“ Vereinbarungen mit den Reedereien, die noch nicht über landstromfähige Schiffe verfügen, soll es „bis spätestens 2030 geben“.
Glaubt man den Kritiker:innen, wäre mehr Druck notwendig. „Ohne politische Vorgaben stellt der Preisunterschied einen wirtschaftlichen Nachteil dar, sodass Reedereien trotz der Nachteile für die Luftqualität weiterhin Strom an Bord erzeugen, statt erneuerbaren Landstrom zu nutzen“, schreibt Christian Kopp, Referent für Verkehrspolitik beim Nabu. Gerade in Hamburg, wo der Hafen so nahe bei der Innenstadt liegt, sei „ein Blick auf die Luftqualität“ wichtig.
Genau das ist es, was auch die Hamburger Linke fordert. Tatsächlich hatte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) im April 2023 in einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt eine ganz andere Entschiedenheit gezeigt: Man wolle nicht auf die für 2030 geltende EU-Regelung zur Landstrompflicht in allen wichtigen Häfen warten. Er kündigte Gespräche mit Rotterdam, Amsterdam und Genua an – doch bislang sind keine Ergebnisse bekannt. In der Senatsantwort heißt es lediglich: „Der Erste Bürgermeister hat persönliche Gespräche geführt.“
Immerhin kann sich der Senat darauf berufen, dass die Zahl der Landstromversorgungen zwischen 2017 und 2023 von 9 auf 35 gestiegen ist. Eine neue Landstromanlage am Terminal in Steinwerder, die in diesem Jahr in Betrieb gehen soll, wird laut Mitteilung der Wirtschaftsbehörde „den Anteil der Landstrom-Versorgungen an allen Anläufen erheblich erhöhen“. Eine Anfrage der taz, wie die Behörde mit nicht landstromfähigen Schiffen umgehen will, wurde bis Redaktionsschluss nicht beantwortet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Klimakiller Landwirtschaft
Immer weniger Schweine und Rinder in Deutschland