Landkreis Dahme-Spreewald vor Stichwahl: Angst vor AfD-Landrat in Brandenburg

Lokale Unternehmen warnen vor der Wahl eines Rechtsextremen zum Landrat. Im ersten Wahlgang hatte der völkische AfD-Kandidat Steffen Kotré gewonnen.

Ein Spreewald-Kahn mit Touristen an Bord

Idyll droht AfD-Landrat: In Dahme-Spreewald wird am Sonntag gewählt

BERLIN taz | Acht Jahre lang könnte dem Landkreis Dahme-Spreewald ein rechtsextremer Landrat drohen: Am Sonntag steht in Brandenburg der AfD-Kandidat Steffen Kotré in einer Stichwahl mit dem amtierenden parteilosen Zeuthener Bürgermeister Sven Herzberger. Wohl auch nach dem Schock, dass der rechtsradikale Bundestagsabgeordnete aus dem völkisch-nationalistischen Flügel der AfD den ersten Urnengang am 8. Oktober gewonnen hatte, haben kurz vor der Stichwahl lokale Unternehmen, Forschungs- und Bildungsstätten aus Dahme-Spreewald vor den wirtschaftlichen Folgen der Wahl von Extremisten gewarnt.

In einem gemeinsamen Aufruf heißt es: „Weltoffenheit, gegenseitiges Verständnis und Respekt sind Werte, auf denen der Wohlstand unserer Region aufgebaut ist – gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist das wichtiger denn je. Auch unser Tourismus kann nur florieren, wenn wir Weltoffenheit leben und Extremismus eine klare Absage erteilen.“ Man rufe Wähler dazu auf, für einen weltoffenen Landkreis aufzustehen und „Extremismus und rechten Parolen eine Absage“ zu erteilen.

Die Unternehmen haben sich auf Initiative der Kampagnen-Plattform Campact vernetzt und wollen offenkundig einen zweiten AfD-Landrat nach dem thüringischen Sonneberg verhindern. Am Samstag soll es zudem um 17 Uhr eine zivilgesellschaftliche Demonstration unter dem Motto „Kein brauner Landrat im bunten LDS“ am Bahnhof von Königs Wusterhausen geben.

Tatsächlich waren nicht wenige im Landkreis geschockt, als im ersten Wahlgang AfD-Kandidat Kotré 35,3 Prozent holte und damit hauchdünn vor dem parteilosen Bürgermeister Herzberger lag, der auf 34,8 Prozent kam. Die AfD profitiert derzeit vor allem vom Bundestrend und den multiplen Krisen der Gegenwart. Für den Osten gilt das umso mehr, wobei Dahme-Spreewald kein abgehängtes und strukturschwaches Flächenland ist, sondern wirtschaftlich boomt als Speckgürtel Berlins, BER-Standort und Touristenregion. Das Land hat eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten in Ostdeutschland, gilt eigentlich als SPD-Stammland.

Im ersten Wahlgang hat dabei aber auch das Desinteresse in den bevölkerungsreicheren Kommunen mit Berlin-Nähe der AfD in die Karten gespielt – zwar lag Kotré dort hinten, aber dort blieb auch die Wahlbeteiligung unter dem Kreis-Durchschnitt von 50,8 Prozent: In Schönefeld, wo in den letzten Jahren Tausende zuzogen, nahmen etwa nur 31 Prozent an der Wahl teil. Auf der anderen Seite profitierte Kotré auch von gewachsenen rechtsextremen Strukturen wie dem in Zützen ansässigen rechtsextremen Verein „Zukunft Heimat“, wo der AfD-Kandidat 60,2 Prozent bekam.

Gegenkandidat ist Bürgermeister in Zeuthen

Sein Gegenkandidat Sven Herzberger wird nun von der CDU, FDP und SPD, aber auch Linken und Grünen unterstützt. Er setze im Wahlkampf aber weniger auf „Blockbildung“, sondern vor allem auf verbindenden Pragmatismus, wie er dem rbb sagte: „Es geht darum, jemanden, der Verwaltung kennt, der im Landkreis lebt und der vor allen Dingen aus der demokratischen Mitte der Gesellschaft kommt, zum Landrat zu wählen.“ Er wolle eine Verwaltung führen, und politisch verbinden und nicht spalten, wie er sagt.

Kotré, der selbst nicht im Landkreis lebt, war im Wahlkampf vor allem durch Hetze gegen Flüchtlinge, Leugnung der menschengemachten Klimakrise und auf Landkreisebene uneinlösbaren bundespolitischen Forderungen aufgefallen. Eine biografische Konstante im Leben Kotrés ist eine große Nähe zu Rechtsextremen und Holocaustleugnern: Sein Name tauchte bereits vor rund 20 Jahren auf einer Unterstützerliste des notorischen Holocaust-Leugners und ehemaligen RAF-Anwalts Horst Mahler auf, ebenso dürfte Kotré in der gleichen Zeit der Urheber von Blut-und-Boden-Gedichten auf Neonazi-Websites sein.

Innerhalb der AfD trieb Kotré zunächst im Lager des mittlerweile wegen seiner rechtsextremen Vergangenheit aus der Partei geflogenen Andreas Kalbitz die Radikalisierung voran und ist einer der Erstunterzeichner der Erfurter Resolution von 2015, einer Art Gründungsurkunde des völkischen AfD-Flügels. Zuletzt unterzeichnete er 2022 mit rechtsextremen Politikern aus der Slowakei und Polen zusammen mit rechtsextremen Antisemiten ein „Manifest gegen Globalismus“ – darunter wiederum solche, die den Holocaust infrage stellen.

Berüchtigt ist Kotré selbst innerhalb der AfD für seine notorische Russlandnähe. Im Bundestag sprach er von angeblichen amerikanischen Biowaffenlaboren in der Ukraine – selbst vermeintlich Parteifreunde nannten das danach „widerliche Putin-Propaganda“. Zahlreich sind auch seine Auftritte in russischen Propaganda-Shows. Wissenschaftsfeindlichkeit und Rassismus gehört natürlich auch zum Rundum-Paket: Die Erderwähnung und Klimakatastrophe leugnet Kotré, als Landrat will er für Abschiebungen sorgen, obwohl er nicht dafür zuständig wäre.

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