Landgrabbing in Deutschland: Utopie Wiese
Der Bauer Janusz Hradetzky kam nach Brandenburg, weil er sich 20 Kühe wünscht und 90 Hektar Land. „Ihr seid wahnsinnig“, sagen die, die sich hier auskennen.
Seit er vor einem dreiviertel Jahr in das brandenburgische Stolzenhagen gezogen ist, blickt Janusz Hradetzky jeden Tag aus seinem Küchenfenster auf grüne Wiesen: kilometerlang, ungenutzt. Hradetzky ist 27 Jahre alt, seinen Sohn Johann trägt er in einem Leinentuch vor dem Bauch. Der Wunsch, der ihn und seine Frau in dieses Dorf gebracht hat, ist simpel: 20 Kühe, ein Stall, Weideland, und dann Milch und Käse aus eigener Produktion. „Ihr seid wahnsinnig“, sagen die, die sich hier auskennen.
Janusz und Anja Hradetzky haben gemeinsam Öko-Agrarmanagement studiert. Sie arbeiteten auf Bauernhöfen in Polen und in Südtirol. Auf der Alm molk er die Kühe und sie kochte den Wanderern Spaghetti Carbonara aus selbstgemachtem Käse und Speck. Als Anja schwanger wurde, suchten sie nach eigenem Land. Doch in Brandenburg kostet ein Hektar staatlicher Boden mittlerweile rund 240 Euro im Jahr - unbezahlbar für die junge Familie, die rund 90 Hektar Fläche bräuchte.
„Leider ist es utopisch, einen Hof mit ausreichend Land zu finanzieren“, schreibt Hradetzky im Januar 2013 an die Landesregierung in Potsdam. Hatte sie nicht in ihrem Wahlprogramm einen Ausbau der ökologischen Landwirtschaft gefordert?
Ein privater Naturschutzverein hat den Hradetzkys jetzt zugesagt, ihnen Grasland für rund 50 Euro pro Hektar zu verpachten. Im Dorf haben sie einen der alten Bauern überredet, einen seiner Ställe zur Pacht abzugeben. Doch schriftlich haben sie noch nichts, die Miete bezahlt im Moment der Staat. Im Nachbardorf plant unterdessen die Ex-LPG-Genossenschaft „Odertal“ eG Lüdersdorf eine neue Schweinemastanlage. Für 3548 Tiere, schreibt die Lokalzeitung.
Janusz Hradetzky engagiert sich mittlerweile im Bündnis Junge Landwirtschaft. Der Verband vertritt 20 Existenzgründer, die Probleme haben, an freie Flächen zu kommen. Seine Frau Anja hält Vorträge über Crowdfunding, Solidarprojekte oder alternative Finanzierungsmodelle für Bauernhöfe. Sie hoffen auf eine Gemeinschaft, die in ökologische Landwirtschaft investiert. Auf die Politik hoffen sie nicht mehr.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Bundesregierung und Trump
Transatlantische Freundschaft ade
Bundestagswahl für Deutsche im Ausland
Die Wahl muss wohl nicht wiederholt werden
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße