Streit in Berlins SPD: Giffeys Problem heißt Raed Saleh

Der SPD-Chef geht rabiat gegen interne Kritiker vor. Co-Chefin Franziska Giffey müsste ihn aus eigenem Interesse an die kurze Leine nehmen.

Die Berliner SPD-Vorsitzenden Raed Saleh (im schwarzen Anzug) und Franziska Giffes (im roten Jackett) stehen weit voneinander entfernt auf dem Landesparteitag der Berliner Sozialdemokraten vergangenen November.

Raed Saleh und Franziska Giffey beim Landesparteitag der Berliner SPD im November 2020 Foto: dpa

Warum hat Raed Saleh nicht seine Hand zur Versöhnung ausgestreckt? Seit November ist der Chef der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus auch Landesvorsitzender der Berliner SPD. Zusammen mit der sozialdemokratischen Spitzenkandidatin für die Wahl zum Abgeordnetenhaus, Franziska Giffey, bildet er eine Doppelspitze. Raed Saleh hat alles erreicht. Nichts geht mehr ohne ihn. Es sei denn, er stellt sich selbst ein Bein.

In Spandau, da ist Saleh der Chef der Kreis-SPD, scheint er nun übers Ziel hinausgeschossen zu sein. Einer seiner Getreuen, Ordnungsstadtrat Stephan Machulik, kandidiert im Wahlkreis 3 gegen den umweltpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Daniel Buchholz. Der hatte den Wahlkreis 2016 souverän geholt. Wollte Machulik tatsächlich ins Landesparlament, hätte er sich auch für zwei andere, vakante Wahlkreise entschieden können.

Hat er aber nicht. Zu Recht hat Buchholz das als Kampfansage begriffen und den Vorgang öffentlich gemacht. Seine Erklärung: Saleh, der in Spandau alle Fäden zusammenhält, wolle ihn wegen eines Briefes kaltstellen, den 14 Abgeordnete, darunter auch Buchholz, 2017 verfasst hatten. Darin kritisierten sie den Führungsstil von Saleh als Fraktionschef. Er vernachlässige die Fraktionsgeschäfte und promote lieber sein eigenes Buch, hieß es damals. Außerdem kehre er Debatten unter den Tisch.

Saleh hat die Kritik ausgestanden, indem er sie ausgesessen hat. Mehr noch. Er ist auf der Karriereleiter ganz oben angekommen. Warum geht er nun auf ­einen Rachefeldzug? Diese Frage kann der 43-Jährige wohl nur selbst beantworten.

Giffey kann nicht warten

Eine aber kann auf diese Antwort nicht warten. Ebenfalls seit November ist Franziska Giffey, derzeit Bundesfamilienministerin, zusammen mit Saleh nicht nur Landeschefin der Berliner SPD. Kurz nach dem Parteitag, auf dem sie 89,4 Prozent der Delegiertenstimmen bekam, wurde sie vom Landesvorstand einstimmig zur Spitzenkandidatin nominiert. Die offizielle Kür soll am 24. April erfolgen.

Bis dahin muss die SPD geschlossen dastehen, denn Giffey steht noch eine Menge Arbeit bevor. Weder hat sich ihre Nominierung signifikant in einem Aufschwung bei den Meinungsumfragen niedergeschlagen. Noch ist die neuerliche Prüfung ihrer Doktorarbeit durch die FU Berlin abgeschlossen. Innerparteiliche Konflikte mit Potenzial zur Schlammschlacht kommen da zur Unzeit.

Sollte Saleh Daniel Buchholz tatsächlich für seine Unterschrift unter den Brief von 2017 abstrafen, ist das keine Spandauer Provinzposse. Das weiß auch Franziska Giffey. Sie müsste Saleh deshalb von der langen an die kurze Leine nehmen. Aber kann sie das? Buchholz scheint es zu hoffen. Er sagt der taz, er wünsche sich, „dass Franziska Giffey in diesem Fall vermittelt“.

Doch das ist nur die eine Baustelle. Die nächste erfolgt dann zeitgleich zur Kür Giffeys als Hoffnungsträgerin der SPD. Am gleichen Tag nämlich wird die SPD-Landesliste für die Bundestagswahl abgestimmt. Sollte Michael Müller Platz eins verfehlen, wäre das der Bruch eines Deals. Denn Müller hatte sich im Januar 2019 nur zugunsten Giffeys und Salehs von der Parteispitze zurückgezogen, weil ihm die beiden zugesagt haben, mit ihm als Spitzenkandidat in den Bundestagswahlkampf zu ziehen. Stattdessen herrscht nun Russisch Roulette in der SPD. Wen trifft die Kugel als Nächstes?

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Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.

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