Landesparteitag der Christdemokraten: Am Tiefpunkt

Die CDU ist auf 17 Prozent abgesackt – trotz des Wechsels an der Fraktionsspitze. Der neue Chef Burkard Dregger erklärt das auch damit, dass ihn noch keiner kenne.

Burkard Dregger ist seit Mitte Juni Chef der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Foto: dpa

Es ist ein helles, weitläufiges Eckbüro, in dem Burkard Dregger empfängt; der traditionelle Sitz eines CDU-Fraktionschefs im Berliner Abgeordnetenhaus. Fast genau vier Monate ist es her, dass der heute 54-Jährige den Job übernahm. Ein paar Tage später kündigte er in seiner ersten Pressekonferenz im neuen Amt an, seine Partei bis zur nächsten Berlin-Wahl im Herbst 2021 auf 30 Prozent führen zu wollen. Das schien schon sehr ambitioniert.

Andererseits galt allgemein: Wer, wenn nicht dieses Duo aus dem kantigen Dregger, dem Mann mit dem für die Konservativeren in der CDU so klangvollen Namen, und der liberalen Landesvorsitzenden Monika Grütters sollte die CDU aus den aktuellen Umfragewerten unter 20 Prozent herausführen können?

Ein Dream-Team nennt Dregger selbst dieses Duo. Es überspannt die Flügel der Partei: Grütters arbeitet – qua Amt als Kulturstaatsministerin, aber auch von gegenseitigem Vertrauen geprägt – gut mit Kultursenator Klaus Lederer (Linkspartei) zusammen, zuletzt bei der Entlassung von Stasi-Gedenkstätten-Chef Hubertus Knabe. Dregger hingegen gibt den innenpolitischen Hardliner und wettert beispielsweise in einer Parlamentsdebatte zu den Ereignissen in Chemnitz nicht nur gegen Rechtsradikale, sondern auch gegen Linksextreme.

Es ist durchaus ein Dream-Team, weil es nicht aus der Not heraus entstand, sondern auf Grütters’ ausdrücklichen Wunsch und gegen Konkurrenz. Denn auch Ex-Sozialsenator Mario Czaja wollte damals neuer Fraktionschef werden. Grütters und Dregger können gut miteinander; Grütters selbst holte Dregger schon vor Jahren in den CDU-Landesvorstand.

Doch so breit diese Flügel sein mögen, sie verhelfen der Partei bislang nicht zu Aufwind. Anfang Juni, als in Dreggers Eckbüro noch sein als zu unauffällig eingestufter Vorgänger Florian Graf bis zu dessen freiwilligem Rücktritt saß, lag die Berliner CDU in Umfragen bei 19 Prozent. Nun sind es 17. Absturz statt Aufwind, Platz drei im Berliner Parteien-Ranking, 5 Prozentpunkte hinter der Linkspartei, 1 hinter den Grünen, nur noch 4 vor der AfD. Schlechter schnitt die CDU bisher in keiner Berliner Umfrage ab.

Diese Entwicklung steht zwar nicht auf der Tagesordnung, wird aber trotzdem den Landesparteitag beschäftigen, zu dem die CDU sich am Samstag trifft, 123 Tage nach Dreggers Wahl. Minus 2 Prozentpunkte trotz des neuen Manns mit dem klangvollen Namen: Vater Alfred, der frühere Fraktionschef im Bundestag, gehörte in der Partei den sogenannten Stahlhelmern an. Wegen der schlechten Werte rumort es jetzt in der Partei.

Was läuft falsch? Dregger lehnt sich in seinem Sofa zurück und gibt eine überraschende, weil ihn selbst wenig schmeichelnde Antwort: „Burkard Dregger kennt noch niemand“, sagt er. Er merke, dass die Menschen in der Stadt trotz ­aller Berichterstattung nicht mitgekriegt hätten, dass er Fraktionschef ist. Und außerdem: „Wir haben es seit meiner Wahl auch nicht leicht gehabt mit dem Bundestrend. Aber alles darauf zu schieben wäre zu billig.“

Burkard Dregger, Fraktionschef

„Wir dürfen uns nicht wegducken“

Der Bundestrend, das heißt: die eingebrochene Zustimmung für die Unionsparteien bundesweit nach dem CDU-CSU-Streit über die Flüchtlingspolitik.

Wie soll sich ändern, was in den letzten vier Monaten nicht funktioniert hat? „Wir müssen rausgehen, wir dürfen uns nicht wegducken“, sagt Dregger. Weggebrochenes Vertrauen gewinne die CDU nicht durchs Posts in sozialen Medien zurück.

Das klingt ein bisschen nach Worthülse, weil es von so vielen Politikern jedweder Partei zu hören ist, von ehemals Kurt Becks „nah bei de Leut“ bis hin zu Sahra Wagenknecht, wenn sie für ihre Sammelbewegung wirbt. Dregger kann allerdings darauf verweisen, dass er selbst das Dran-Sein erfolgreich praktiziert: Er hat 2011 der SPD den Wahlkreis in Reinickendorf-Ost abgenommen, den Ex-Regierungschef Walter Momper hielt.

Zoff gab es allerdings nicht allein auf Bundesebene. Als die CDU-Fraktion auf Dreggers Drängen Mitte September ihren kompletten Vorstand neu wählte, gab es für den Chef zwar ein akzeptables Ergebnis bei 5 Nein-Stimmen in der 31-köpfigen Fraktion. Mario Czaja indes, der zumindest inoffiziell sein erster Stellvertreter sein soll, bekam ein maues Resultat. Und den von ihm gewünschten parlamentarischen Geschäftsführer bekam Dregger nur mit Mühe durch.

Monika Grütters wirkt daher auch nicht gerade glücklich, dass die Fraktion kurz nach Dreggers Start nicht mehr Geschlossenheit zeigte. Und es klang durchaus nach Enttäuschung bei ihr, wenn sie mit Blick auf die miserablen Umfrageergebnisse zur taz sagte: „Wir machen ja vieles, aber wir müssen es öffentlich noch besser darstellen.“

Die Landesvorsitzende kämpft weiter gegen das Bild an, sie sei als stark eingebundene Kulturstaatsministerin mit vielen Dienstreisen – auch im Ausland – zu wenig im Berliner CDU-Landesverband präsent. Dregger zumindest verteidigt sie: „Es wird immer erzählt, auch in der Partei, sie sei nie da. Das stimmt nicht, sie ist sehr wohl da.“

Und wie sieht es aus mit der Abgrenzung nach rechts? In Sachsen hat sich Dreggers dortiger neuer Fraktionschefkollege für Gespräche mit der AfD offen gezeigt. Für Dregger kommt das nicht in Frage: „Wir werden die AfD weiter bekämpfen und ihr 5 Prozent abnehmen. Da fasele ich nicht von Koalitionen.“ Nach Neuwahlen will er – in dieser Reihenfolge – mit FDP, Grünen und SPD über ein Regierungsbündnis sprechen. Dregger glaubt nicht, dass die aktuelle rot-rot-grüne Koalition vor dem vorgesehenen Wahl­termin im Herbst 2021 platzt: „Die werden durchhalten, obwohl sie nicht an einem Strang ziehen – die haben kein Interesse an vorzeitigen Neuwahlen.“ Was angesichts der jetzigen Umfragewerte genauso für die CDU gilt.

Wenn am Samstag das selbst ernannte Dream-Team Grütters/Dregger vor den Delegierten des Parteitags sitzt, wird es nach einer Debatte über Wohnungsbau auch einen interessanten Versuch geben, die CDU dem Ziel „moderne Hauptstadtpartei“ näher zu bringen. Familien- und frauenfreundlicher soll sie werden angesichts von wenig Frauen im Landesverband und noch weniger in der Parlamentsfraktion: Von 31 CDUlern sind dort bloß 4 weiblich. Das empfiehlt ein Antrag, den Cornelia Seibeld geschrieben hat, die 2011 Justizsenatorin werden sollte, aber damals wegen ihres einjährigen Sohnes ablehnte. Der Antrag fordert keine Parteitermine mehr am Sonntag, auf zwei Stunden beschränkte Sitzungen, Kinderbetreuung bei Parteiveranstaltungen und – das soll zumindest geprüft werden – Job-Sharing in Parteifunktionen. „Nahezu revolutionär“ für die CDU ist das laut Seibeld.

Grütters stützt das Vorhaben. Und wann, wenn nicht jetzt, im historischen Umfragetief, wäre es Zeit für zumindest eine kleine Revolution?

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