Landesbank-Desaster: Sachsen droht Finanzkrise
Milliardenverluste der Sächsischen Landesbank bringen jetzt die Landesregierung und Ministerpräsident Milbradt in die Bredouille.
Angesichts des drohenden Haushaltkollapses in Sachsen wurde sogar die Opposition staatstragend. Von der "Stunde der Patrioten" sprach FDP-Fraktionschef Holger Zastrow am Mittwoch im Landtag. Es gehe darum, "zu retten, was noch retten ist". Die Risiken infolge des Spekulationsdesasters der Landesbank haben Regierung und Landtag alarmiert. Am Mittwoch gab Finanzminister Stanislaw Tillich (CDU) dem Landtag eine Regierungserklärung ab. Er bekräftigte die Weigerung des Freistaates, eine von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) verlangte Ausfallbürgschaft von 4,3 Milliarden Euro allein zu übernehmen. "Sachsen kann das nicht leisten", so Tillich.
Die Sachsen LB war nach dem Jahr 2000 am internationalen Immobilienmarkt weit überproportionale Risiken eingegangen, um die kärglichen Gewinne aus ihrem sächsischen Kerngeschäft zu steigern. Im Sommer dieses Jahres geriet die Sachsen LB in den Strudel der US-Hypothekenkrise. Das Hauptrisiko stellt dabei der Fonds Ormond Quay im irischen Dublin dar. Aber auch die knapp 2 Milliarden Euro des erst im Vorjahr aufgelegten Sachsen Funding sind praktisch verloren. Im August konnte mit dem Verkauf an den vermeintlich starken Partner in Baden-Württemberg der Zusammenbruch der Sächsischen Landesbank noch verhindert werden. Der endgültige Kaufabschluss steht allerdings unter dem Vorbehalt einer Bilanzprüfung zum Jahresende. Diese Woche sollen die Verhandlungen über den Kauf abgeschlossen werden.
Darauf hat auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gedrängt, um weitere Turbulenzen im öffentlichen Bankensystem zu verhindern. Die nunmehr auch offiziell auf 43 Milliarden Euro bezifferten außerbilanziellen Risiken der Sachsen LB haben die LBBW veranlasst, vom Freistaat Sachsen eine Bürgschaft von 4,3 Milliarden Euro zu verlangen. Zusätzlich soll das Stammkapital der Bank um 500 Millionen Euro aufgestockt werden. Der Kaufabschluss steht somit auf der Kippe.
In der Landtagsdebatte am Mittwoch ging auch Koalitionspartner SPD auf Distanz zur CDU. Ihr Finanzpolitiker Mario Pecher ärgerte sich, zur "Aufarbeitung politischer Fehlentscheidungen der CDU" genötigt zu sein. "Das kann schlichtweg teuer für alle Sachsen werden", fügte er hinzu. André Hahn als Fraktionsvorsitzender der Linken schoss sich ganz auf den Ministerpräsidenten und Exfinanzminister Georg Milbradt (CDU) ein und verlangte erneut dessen Rücktritt. So weit wollte die Grüne Haushaltsexpertin Antje Hermenau nicht gehen, verlangte aber, Milbradt solle "die Suppe auslöffeln, die er uns eingebrockt hat".
Allein Milbradts Körpersprache verriet, wie angeschlagen der als exzellenter Finanzpolitiker gerühmte Ministerpräsident ist. Auch deshalb ist es für ihn eine politische Überlebensfrage, es nicht im Landtag auf eine Abstimmung über einen möglichen Nachtragshaushalt ankommen zu lassen. Sein Rückhalt in der Koalition, sogar in der eigenen CDU, scheint derzeit ungewiss.
Eine Kompromisslösung stellte der SPD-Wirtschaftsexperte Karl Nolle in Aussicht. Danach könnte der Freistaat 1,7 Milliarden Euro Bürgschaft übernehmen. Bis zu dieser Höhe dürfte dies laut Haushaltgesetz der Finanzausschuss allein ohne das Parlament beschließen. Weitere 300 Millionen könnte der Sparkassenverband beisteuern, den Rest übernähme Baden-Württemberg. Ein Sprecher des Finanzministeriums dementierte energisch angebliche Vorbereitungen für eine Haushaltssperre. Stimmen in der Union halten eine "Notschlachtung" der Sachsen LB inzwischen möglicherweise für das kleinere finanzielle Übel. Voraussichtlich am 21. Dezember wird der Landtag sich erneut mit dem Ergebnis der Verkaufsverhandlungen befassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!