piwik no script img

Lage in GazaFrühchen aus al-Schifa evakuiert

Während die Weltgesundheitsorganisation das Krankenhaus als „Todeszone“ bezeichnet, intensiviert Israel seine Luftschläge auf Nordgaza.

Weitere humanitäre Hilfe für Gaza: Al-Arish-Flughafen in Ägypten am Sonntag Foto: ap

Berlin taz | Eine Delegation der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Zustände im seit Tagen umkämpften Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt nach einem ersten Besuch als verheerend beschrieben. Es sei eine „Todeszone“, der Mangel und Wasser, Medizin, Nahrungsmitteln und Treibstoff habe dazu beigetragen, dass die Klinik „aufgehört hat, zu funktionieren“, erklärte die WHO am Wochenende.

Unter dem Krankenhauskomplex soll sich nach Angaben des israelischen Militärs eine Kommandozentrale der islamistischen Hamas befinden. Über die Präsenz von Hamas-Kämpfern in al-Schifa wurde in der Vergangenheit immer wieder berichtet, auch während des Gaza-Kriegs im Jahr 2014. Die israelischen Bodentruppen hatten das Krankenhaus zunächst eingekreist und waren schließlich dort eingedrungen. Dabei fand das israelische Militär nach eigenen Angabe neben Waffen auch Belege, dass in dem Komplex Geiseln festgehalten wurden. Außerdem konnte das Militär die Leichen zweier israelischer Geiseln nahe des Krankenhauses bergen.

Bereits seit Tagen fordert das israelische Militär dazu auf, das Krankenhaus zu evakuieren – eine kaum lösbare Aufgabe, berichteten Hilfsorganisationen. Das al-Schifa versorgte unter anderem Patienten, die beatmet werden müssen, sowie Dutzende Frühgeborene. Viele der Patienten des Krankenhauses seien nach Angaben von WHO-Mitarbeitern schwer verletzt, hätten Infektionen und offene Wunden.

Noch 300 Patienten in der Klinik

Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums sind mittlerweile alle noch verbliebenen Frühchen aus dem Krankenhaus evakuiert worden. In den sozialen Netzwerken wurde am Sonntagnachmittag ein Video geteilt, dass die Ankunft von aus al-Schifa evakuierten Säuglingen in einem Krankenhaus in Rafah zeigen soll. Knapp 300 Patienten und 25 Angestellte sollen sich derzeit noch in der Einrichtung befinden.

Derweil hat das israelische Militär in der Nacht von Samstag auf Sonntag seine Luftschläge auf Nordgaza intensiviert. Dort begann nach dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober die Bodenoffensive in den Gazastreifen. Man habe sich mit Kämpfern der Hamas schwere Gefechte nahe Dschabalia geliefert. Schiffe der israelischen Marine gingen außerdem vom Wasser aus gegen Hamas-Stellungen entlang der Küste vor, so das israelische Militär.

Es ruft außerdem weiter zur Evakuierung des Nordens auf. Im Laufe des Samstags haben nach Angaben der Vereinten Nationen etwa 10.000 Menschen dem Folge geleistet. Laut dem Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten berichten Geflüchtete, dass sie auf ihrem Weg israelische Checkpoints mit Maschinen zur Gesichtserkennung passiert hätten. Auch im Süden Gazas gibt es weiterhin Luftschläge, auch die humanitäre Lage bleibt extrem angespannt. Am Samstag gab Israel bekannt, künftig mehr Treibstoff – der unter anderem dringend für den Betrieb des Abwassersystems benötigt wird – in den Gazastreifen zu lassen.

Derweil wurden am Wochenende bei Einsätzen der israelischen Armee im Westjordanland laut palästinensischem Roten Halbmond mindestens sieben Palästinenser getötet. Auch im Norden des Landes hält der Krieg an: Die Hisbollah beschoss am Sonntag Ziele in Israel, der Kibbuz Hanita sei „direkt getroffen“ worden. Israels Militär erklärte wiederum, dass es Ziele im Südlibanon angegriffen habe.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Liebe Autorin es wurde gesagt, dass die WHO-Mitarbeiter mit Sondergenehmigung des israelischen Militärs 1 Stunde im Krankenhaus waren. Woher beziehen Sie ihre Informationen? .www.zdf.de/nachric...ho-israel-100.html

  • Das scheint mir dieser Kommentar deutlich zu erklären -

    taz.de/Motive-der-Hamas/!5969587/

    Die Frage ist, ob man das weiter unterstützt.

  • Die WHO war also persönlich vor Ort. Jetzt gibt es drei Möglichkeiten: (1) Sie konnte alle Keller begehen, alle Türen öffnen und sich überzeugen, es gibt dort nichts als Krankenhaus. (2) Sie konnte genau das sehen, was die Hamas ihr vorführen wollte, und sonst gar nichts. (3) Sie wollte es aus eigenem Antrieb lieber nicht so genau wissen und hat aktiv weggesehen. Darüber, was stimmt, schweigt die WHO. Seriöser Journalismus wäre aber in der Pflicht gewesen, mindestens die Frage zu stellen.

    • Lisa Schneider , Autorin des Artikels, Redakteurin für Nahost
      @Axel Berger:

      Lieber Axel, ich bin Lisa und habe den Text geschrieben. Diese Fragen habe ich mir auch gestellt. Sie belegbar zu beantworten ist ungleich schwieriger. Wir verfolgen das aber weiter. Viele Grüße