Lästige Gespräche auf Familienfeiern: Endlich Boss
Für unsere Autorin sind Gespräche auf Familienfeiern unerträglich. Schön, dass sie jetzt damit prahlen kann, Chefin vom Dienst zu sein.
F amilienfeiern sind super. Es gibt Alkohol umsonst und man kann damit punkten, in den vergangenen 20 Jahren gewachsen zu sein. Ein großer Nachteil: Die Gespräche. Es sind immer die gleichen und je länger sie andauern, desto schwieriger wird es, zu überspielen, dass man keine Ahnung hat, wie das Gegenüber heißt und wie man noch mal mit ihm oder ihr verwandt ist. Hier eine Auswahl der Klassiker.
„In deinem Alter war ich schon mit deiner Tante verheiratet“: Es ist der zweite Satz, den der Mann meiner Tante zu mir sagt, als wir uns auf dem 50. Geburtstag meiner Mutter begegnen. Ich muss an die Sätze denken, die ich seit zwei Jahren immer wieder von meiner Stiefmutter höre. Erst war es: „In deinem Alter habe ich deinen Vater kennengelernt“, das Jahr danach: „In deinem Alter war ich schon mit deinem Bruder schwanger“.
Ich kann verstehen, dass jüngere Familienmitglieder Erinnerungen an die Zeit in einem hervorrufen, in der man selbst in ihrem Alter war. Genauso, wie sie das Bedürfnis wecken können, ihnen in die Wangen zu kneifen. Mach ich das deshalb bei meinen jüngeren Geschwistern und Cousinen? Nein. (Nicht jedes Mal zumindest).
Ebenso könnten es sich die Älteren verkneifen, den Jüngeren eine Liste von Dingen aufzuzählen, die sie vermeintlich in ihrem Alter abgehakt haben sollten. Insbesondere, wenn es sich dabei um eine Checkliste handelt, an der seit Jahrhunderten ein vermeintlich erfolgreiches und erfülltes Frauenleben bemessen wird: Feste Beziehung, heiraten, Familie gründen.
Bisher hat noch kein Onkel zu mir gesagt: „In deinem Alter habe ich im olympischen Kader geboxt“, oder: „In deinem Alter habe ich schon über Hunderttausend im Jahr verdient“. Das wird von mir als Frau eben nicht erwartet. Aber um das Thema Beruf kommt man auf Familienfeiern auch als Frau natürlich nicht drumherum.
„Hoffentlich fragt mich niemand, was ich beruflich mache“, sagt meine Cousine, während wir uns für die Beerdigung unseres Opas schick machen. Ähnlich schlimm wie Partner- und Kinder-Fragen: die was-machst-du-so-Frage. Entweder man hat einen Job und die Frage langweilt einen oder man hat keinen und sie stresst.
Ich befinde mich gerade in der privilegierten Situation, mit „Chefin vom Dienst“ antworten zu können. „Oh!“, sagen die Verwandten dann. „Chefin!“. Wäre ich männlich sozialisiert, würde ich das Thema damit vielleicht auf sich beruhen lassen. Ich spüre aber jedes Mal den Drang, aufzuklären, dass Chefin vom Dienst in einer Redaktion etwas ganz anderes ist als Chefin und dass der Vertrag auch nur auf sechs Monate befristet ist. Dann wiederum folgen sorgenvolle Blicke: „Das ist aber auch schwer in deiner Branche! Weißt denn schon, was du danach machst?“.
Nein, ich weiß ich noch nicht, woher auch. Hör auf, mich zu bemitleiden, Boomer, wenn ich gerade versuche, eine gute Zeit zu haben. Ich habe ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis in meinem Bereich und ein Glas Sekt in der Hand. Immerhin mit meiner Cousine kann ich darauf anstoßen.
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