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LKW-Fahrer protestieren in KanadaUngewohnte Töne in Ottawa

Befeuert von US-Konservativen radikalisiert sich der Protest gegen die Corona-Maßnahmen in Kanada. Grund ist die Impfpflicht für LKW-Fahrer.

Unübersehbarer Kanadischer Ahorn: Protestierende in Ottawa Foto: Lars Hagberg/reutersap

taz | Tag 13 in Ottawa. Noch immer versperren mannshohe Kühlergrills die Straßen zum Parlament in der kanadischen Hauptstadt. Der selbsternannte „Freiheitskonvoi“ ist gekommen, um zu bleiben, trotz des Ausnahmezustands, den Ottawas Bürgermeister am Sonntag verhängte. Schon seit dem 24. Januar, als Hunderte Trucks von Vancouver aus aufbrachen, hält der Konvoi Kanada in Atem.

Eigentlich ging es um ein Nischenthema: Seit dem 15. Januar müssen LKW-Fahrer geimpft sein oder zwei Wochen in Quarantäne, um aus den USA wieder nach Kanada einzureisen. Anders herum, von Kanada in die USA, ist dies bereits länger Pflicht. 85 Prozent der Grenztrucker sind geimpft.

Zuvor hatte die Regierung schon in vielen Sektoren berufsbezogene Impfpflichten eingeführt, unter anderem für Krankenpersonal und für alle Staatsangestellten. Selbst hochrangige Politiker, die sich nicht impfen lassen wollten, flogen aus dem Parlament. Es gab keinen Konvoi.

Aber schon auf der fünftägigen Fahrt Richtung Hauptstadt schlossen sich immer mehr Sympathisanten an, bis am Ende beinahe zehntausend Menschen in die Hauptstadt einfielen – angetrieben von Elon Musk-Tweets, US-Republikanern und am Ende umgerechnet acht Millionen Euro an Spenden. Und die Polizei in Ottawa setzte dem kaum etwas entgegen. Kaum Festnahmen, kaum Strafzettel.

Bruch der politischen Kultur

Es ist nicht so, dass es in Kanada noch nie Konvois in Richtung Hauptstadt gegeben hätte. Aber: „Die Leute protestieren und fahren danach wieder nach Hause. So etwas aber, das hatten wir noch nie.“ Das sagt Stewart Prest, der Politik an der Simon Fraser Universität in Vancouver lehrt.

Prest sagt, dass sich Kanadier historisch in zentralen politischen Punkten immer einig gewesen seien. Parteiübergreifend, im Gegensatz zu den USA. Strikte Waffenrechte, weit großzügigere Sozialgesetze, eine umfassende Bekämpfung der Pandemie. 88 Prozent der Kanadier über vier Jahren haben mindestens eine Impfung erhalten.

Doch die Pandemie scheint das zu ändern, sagt Prest. Premierminister Justin Trudeau sei daran gescheitert, einen klaren Weg aus der Pandemie zu zeigen. Anders sei nicht zu erklären, dass drei von zehn Kanadiern mit dem Konvoi sympathisierten.

Angetrieben wird diese Frustration von US-amerikanischen Konservativen. Prest spricht von einer neuen Bruchlinie, einer nie dagewesenen Polarisation, die in der Pandemie dadurch entstanden sei, dass sich radikalere kanadische Konservative mit ihren US-amerikanischen Pendants zusammengetan hätten.

Rechtliche Konsequenzen

Dies kann man hervorragend am Konvoi ablesen. Fox News-Host Tucker Carlson fragt in seinem Programm, wann es US-amerikanische Ableger des Konvois gebe. Als die Crowdfunding-Plattform GoFundMe das Spendenkonto des Konvois einfror, kündigten führende Republikaner um Floridas Gouverneur Ron DeSantis rechtliche Konsequenzen gegen die Plattform an. Ein Großteil der Spenden für den Konvoi kam nach Angaben von Peter Sloly, Chef der Polizei in Ottawa, aus den USA.

Und so trifft gerade eine radikalisierte Minderheit auf eine Hauptstadt, die keine radikalisierten Minderheiten gewohnt ist. Aber: „Irgendwann werden die Trucks weg müssen“, sagt Prest. Dann könnte es eskalieren, denn der harte Kern habe angekündigt, nicht gehen zu wollen, solange seine Forderungen nicht erfüllt würden.

Es wird eine eine neue Regierung gefordert, eine neue Regierungsform, das Ende aller Corona-Maßnahmen. Trudeau hat dem bereits eine Absage erteilt. Prest: „Niemand wird gewinnen können. Niemand wird happy nach Hause fahren.“

Dass einige Tausend eine ganze Hauptstadt lahmlegen können, ist ein Erfolg für die Protestierenden. Schon wenige Tage, nachdem der Konvoi in Ottawa ankam, haben mehrere kanadische Provinzen die Aufhebung von Corona-Maßnahmen angekündigt. Saskatchewan will sogar fast alle Beschränkungen zurücknehmen.

Das spornt an. Innerhalb weniger Tage blockierten Trucker und Protestierende mindestens 16 andere Orte in Kanada. Meist jedoch nur kurz, ähnlich wie überall im Rest der Welt. In 34 Ländern sollen sich laut Toronto Star bereits ähnliche Konvois in Planung befinden.

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11 Kommentare

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  • 4G
    47601 (Profil gelöscht)

    Ich kann mich erinnern, daß bei einem wesentlich tragischeren und folgenreicherem Ereignis nämlich der "orangenen Revolution" (was eine wahrhaft blumige Umschreibung für einen echten Staatsstreich ist) in der Ukraine, insbesondere Kiew, die taz wesentlich wohlmeinender zugunsten der Staatsstreichenden berichtete. Heute gibt's dort zu Ehren des ukrainischen Nazikollaborateurs Stepan Banderea einen offiziellen Feiertag. Voll demokratisch! Aber da im Westen ja alles schon lange demokratisch ist, muß und kann auch nicht mehr gegen antidemokratische Maßnahmen demonstriert werden, weil's die ja gar nicht gibt! Toll!

  • So radikalisieren sich die Trucker: Sie fordern die Auflösung der Bundesregierung. Sie verlangen, daß Corona-Mandate, die Provinzsache sind, von der Bundesregierung aufgehoben werden. Das können die gar nicht. Sie lassen ihre Motoren rund um die Uhr laufen und hupen 24 Stunden am Tag. Die benutzen ihre Laster als Waffen.

  • Ich verstehe die einseitigkeit des Berichtes nicht.

    1. Die Polizei in Ottawa hat erfolgreich gegen eine Impflicht für Polizisten gekämpft und verhaftet jetzt Menschen die Lebensmittel oder Kraftstoff zu den Fahrenden bringen

    2. LKW FahrenDE (oder sind das nur Männer?) sind i.d.R. Selbständige und insgesamt 28 Tage Quarantäne (unbezahlt) sind bisl happig.

    3. Die Gründe Warum es keine allgemeine Impfpflicht gibt, fehlen im Beitrag ganz (halt nicht Verfassungsgemäß bzw. unverhältnismäig)

    4. Sind die nicht radikal; radikalisiert oder sonst was. Die Protestieren eben. Schauen wir doch dazu mal kurz nach Berlin zu der anscheinend letzten Generation..

    Komm Martin, das kannst du besser ;)

  • Impfplicht für LKW-Fahrer? Klingt wirklich eigenwillig. Diese Proteste sind gut nachvollziehbar, werden aufgrund der Polarisierung der gesellschaften natürlich schnell für anderes missbraucht ...

  • Wie genau radikalisieren sich die Trucker denn? Es sind doch friedliche Proteste und die Verpflegung wird z.B. auch mit den Obdachlosen in Ottawa geteilt.

    Dass eine Spendenkampagne gestoppt und das Geld umverteilt (nicht zurückgezahlt) wird, wird hier ja eher nur am Rande erwähnt.

    Es handelt sich um zivilen Ungehorsam, wenn Autobahnen besetzt werden um gegen Lebensmittelverschwendung zu protestieren - und um radikalisierte Proteste, wenn Menschen Regierungsentscheidungen kritisieren?

    • @Michael Olbrich:

      Wie würden sie reagieren wenn plötzlich Ukrainische Kraftfahrer in ihrer Stadt auftauchen würden und sich darüber beschweren würden das man beim Grenzübergang nach Deutschland geimpft sein muss?

      Die ganze Zeit ihre Motoren laufen lassen und Dauerhupen. Vor ihrer Haustür.

      90% der Kennzeichen der LKW sind US Amerikanisch und nicht Kanadisch.

      • @Elkarlo77:

        Gibt es für diese Aussage vielleicht auch eine Quelle?

    • @Michael Olbrich:

      a) Verpflegung mit Obdachlosen teilen? Mir ist da eher der Vorfall in Erinnerung, bei dem eine Tafel mit Drohungen und Sachbeschädigung gezwungen wurde, den Konvoi zu verpflegen.



      b) Das Geld wird natürlich von GoFundMe an die Spender ohne jede Abzüge zurückgezahlt. Dazu gibt es eine offizielle Ankündigung.



      c) Eine Brandstiftung in einem Apartmenthaus, nachdem sich die Bewohner über nächtliches Dauerhupen beschwert hatten, wird durch eine Sonderkommission und landesweite Fotofahndung untersucht. Es gibt klare Hinweise, das die Verdächtigen zum Konvoi gehören.

      • @TheBox:

        a) Zu der Erinnerung kann ich leider nichts finden. Wohl aber Berichte von Kanadiern, die ein anderes Bild zeichnen. bariweiss.substack...-the-truckers-want

        Natürlich auch Berichte die dazu neigen es als Erscheinung der politischen Rechten auszuweisen. www.nytimes.com/li...a-truck-protesters

        b) Der erste Ansatz war es die Mittel umzuverteilen und den Spendern die Möglicheit zu geben eine Rückerstattung zu fordern. Dies wurde nach Einsprüchen der Spender revidiert. medium.com/gofundm...aiser-4ca7e9714e82

        Der eigentliche Punkt ist allerdings, dass eine Spendenkampagne einfach mal so aufgelöst wurde. Und der Grund sind 'unangenehme' Proteste? Vielleicht sollten die Trucker im Fridays-For-Future Modell jede Woche einmal protestieren damit man es bequem ignorieren kann.

        c) Bisher gibt es nur Fotos und Vermutungen. www.dailydot.com/d...-building-footage/

        • @Michael Olbrich:

          Habe es gefunden: edition.cnn.com/20...rs-trnd/index.html

          Es ist natürlich kein akzeptables Verhalten dort zu pöbeln bis man estwas zu essen bekommt. Es ist allerdings auch nicht davon die Rede, dass der ganze Konvoi verpflegt wurde.

  • Krebserregende und neurotoxische Schadstoffe in die Luft der Innenstädte zu blasen because why not ist eine Protestform, die zu den Antivaxern passt wie Topf und Deckel.