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Kutteln kochenEinsam essen

Wer für eine Patchworkfamilie kocht, weiß nie, wie viele Leute tatsächlich zum Essen kommen. Wer gar keine Gäste will, serviert einfach Pansen.

Was haben denn alle? Sieht doch lecker aus Foto: imago/Helke Bauer

Neue Familienkonstellationen erfordern eine ganz neue Küchenorganisation. Zu Zeiten meiner Eltern war die Mutter für die Auffüllung der Küchenschränke zuständig, und auch was es zu essen gab, bestimmte sie. Die Generation hatte es einfach. Sie setzte sich an den gedeckten Tisch zu Weib und Kindern, und wenn der Ehemann gut drauf war, nickte er seiner lieben Gattin freundlich über die weiße Tischdecke hinüber zu, wenn sie die Suppe schöpfte.

Mit der Erfindung des Single-Haushaltes und der Patchworkfamilie ist alles schwieriger geworden. Man weiß nicht mehr, wer kocht, ob es überhaupt jemand macht und was am Abend noch im Kühlschrank ist. Und erst recht weiß man nicht, wer zum Essen kommt. Ich, beispielsweise, wohne in einem Haus zusammen mit einer Frau, die sich von ihrem Mann getrennt hat und deren drei Töchter manchmal da sind und manchmal nicht.

Meine Frau wohnt vier Häuser weiter mit unserem Sohn, der manchmal zum Essen kommt und manchmal nicht. Die Pflegetochter der Frau, mit der ich zusammenwohne, deren neuer Freund manchmal zum Essen kommt und manchmal nicht, ist auch manchmal da.

Am Wochenende kommt meine Freundin aus Berlin, manchmal bringt sie ihre Tochter mit und manchmal nicht. Würden alle zum Essen kommen, die irgendwie manchmal da sind, wären das zehn Personen. Auf diesen Ernstfall muss die Logistik unserer Küche vorbereitet sein. Deshalb gibt es bei uns eine Art Notsortiment, ähnlich, wie es das Technische Hilfswerk am Flughafen in Bonn vorhält für einen jederzeit eintreffenden Katastropheneinsatz. Dazu gehören Salz, Nudeln, Tomatendosen, Thunfisch im Glas, Parmesan und noch ein paar andere Dinge, die lange haltbar sind und aus denen zumindest ein Gericht mit Sättigungscharakter hergestellt werden kann.

Wir haben uns schon überlegt, eine Liste auszuhängen, auf der sich bis Freitag jeder einträgt, der am Sonntagabend zum Essen kommen möchte. Aber das schien uns dann doch ein wenig zu bürokratisch. Wir sind ja nicht die Schulkantine, in der man am Ersten seine Essensmärkchen für den ganzen Monat kaufen muss. Also fragen wir zu Beginn des Wochenendes meist in die Runde oder per Handy, wer denn so denke, dass er am Sonntagabend vielleicht käme. Bei Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 18 lautet dann die Antwort standesgemäß: „Kann ich noch nicht sagen.“ „Vielleicht.“ „Muss erst noch mit Jan telefonieren.“ Manchmal fragt auch jemand: „Was gibt’s denn?“

taz.am wochenende

Willkürliche Wahlen, Bomben in den kurdischen Gebieten, Präsident Erdogan, der um die Macht kämpft. Wohin führt der Weg der Türkei? Rückt sie näher an den Nahen Osten? Was geschieht mit den Kurden? Fragen, die sechs Kulturschaffende aus der Türkei in der taz.am Wochenende vom 26./27. September diskutieren – bei einer Flasche Schnaps. Außerdem: Das Massaker an den Studenten in Mexiko jährt sich am 26. September. Und: Allergien, die Plagegeister der modernen Industrienation. Warum das so ist und was wir über sie wissen. Das alles – am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.

Keine gute Küche ohne Kutteln

Habe ich Lust, mit meiner Freundin oder der Mitbewohnerin alleine zu essen, sage ich: „Saure Kutteln.“ Ist mir nach großer Gesellschaft: „Lasagne, einmal mit Fleisch und einmal vegetarisch.“ Im letzten Fall muss ich allerdings damit rechnen, dass die Jugendlichen noch ihre Freunde mitbringen, die manchmal kommen und manchmal nicht. Dabei schmecken Kutteln wunderbar, machen aber einsam.

Saure Kutteln

300 g Kalbskutteln (vorgekocht und in feine Streifen geschnitten)

2 Schalotten (kleine Zwiebeln)

1 dünne Stange Lauch

1 Karotte (fein gewürfelt)

Tomatenmark

0,1 l Essig

0,2 l Weißwein

0,2 l Brühe

30 g Mehl

30 g ButterFein gewürfeltes Gemüse in Butter anbraten, die Kutteln zugeben, leicht Farbe nehmen lassen und Weißwein und Brühe zugießen. Bei kleiner Flamme 15 Minuten köcheln lassen. Mit Mehl und Butter eine dunkelbraune Schwitze herstellen und mit Essig ablöschen. Etwas Tomatenmark einrühren und die Kutteln unterheben. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Dazu passen Bratkartoffeln.

Nieren, Leber, sogar Lunge genießen einen besseren Ruf als der in Streifen geschnittene Vormagen (Pansen) der Kuh, was eine große Ungerechtigkeit ist. Kutteln sind ein hervorragender Indikator, ob es in einem Land eine gute oder eine elende Küche gibt. In Finnland isst man keine Kutteln. „Man sollte“, sagte mir einmal der Stuttgarter Koch Vincent Klink, „nie in Länder reisen, in denen es keine Kutteln gibt.“

In einem Haus, in dem ständig die Haustüre auf- und zugeht, möchte ich an manchen Sonntagabenden einfach auch mal meine Ruhe haben. „Kinder, es gibt Kutteln“ ist dafür das Zauberwort. Es ist eine teuer erkaufte Ruhe. Denn obwohl Kutteln zu den billigsten Produkten in der Fleischertheke gehören: Mich kostet so ein Kuttel-Sonntag richtig Geld. Dann stehen die Jugendlichen mit ekelverzerrtem Gesicht vor mir, halten die Hand auf und bitten um eine Spende für den nächsten Dönerstand. Ich bezahle gerne – und sitze wenig später alleine oder zu zweit am großen Tisch.

Der nächste Sonntagstisch steht allen taz-LeserInnen offen und findet am Sonntag, 4. Oktober, um 19 Uhr in der Hermann-Kurz-Str. 7, 72074 Tübingen statt. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. PS: Es gibt keine Kutteln.

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3 Kommentare

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  • Bernhard

    Zuerst mal danke für die freundliche Einladung. Leider kann ich sie nicht wahrnehmen, es wäre sicher interessant geworden.

    Wenn es mal einfach und schnell gehen muss ist bei mir inzwischen Spagetti mit Pomarola-Sauce der Renner. Auch dafür ein Dankeschön, ich bin jedes mal begeistert von dem Geschmack, auch ohne Selleriestange da nicht immer auf Vorrat.

    In dem Zusammenhang fällt mir, warum auch immer, ein "süddeutsches" Rezept ein : Bohnen mit Spätzle.

    Am liebsten Tiroler Prunk-(Käfer) Bohnen wegen dem unvergleichlichen Nussgeschmack. Am Vorabend in Wasser einweichen. Mit frischem Wasser, Lorbeer und etwas Kümmel weich kochen. Mehl in Butter anbräunen und mit Bohnenwasser ablöschen, glatt verrühren. Ein Landjäger oder ähnliches klein schneiden und mit allem zusammen kurz aufkochen. Die Spätzle am besten vom Brett schaben. Beides zusammen ergibt ein kulinarisches Gedicht !

    Zu klären wäre noch, warum dieses Gericht auch in Baden beliebt ist ? Meine Theorie dazu ist : In Schwaben wird es gekocht weil es einfach und kostengünstig ist. In Baden wird es gekocht weil es einfach gut schmeckt.

  • Ich vermute, hier geht´s im Artikel ein bißchen durcheinander. Pansen ist Rindermagen und wird auch Fleck genannt. Schmeckt süß-sauer ganz passabel.

    Kutteln sind der Dünndarm, meist von Kälbern. Gibt es in Berlin kaum noch zu kaufen. Etwas gewöhnungsbedürftig, kann aber schmecken.

  • Esse sehr gerne Kutteln (fränkisch Schnickerle, badisch Sulz) auch sehr obwohl ich in meiner Familie seit jeher der einzige bin. Als Kind winkte mich sonntags in einer Dorfgaststätte ein alter Mann zu sich und ließ mich mitessen. Ich wusste nicht, was es war, ließ es mir aber schmecken, was meine Eltern sehr erstaunte. Es dauerte etliche Jahre, bis ich mir selber ab und zu Kutteln kochen konnte.

    Ein weiteres Rezept:

     

    500 g Kalbskutteln wie oben

    100g durchwachsener Speck klein gewürfelt

    1 Zwiebel

    3 Knoblauchzehen

    Tomatenmark

    Weißwein, Brühe

    Thymian, Rosmarin

    Salz, Pfeffer

    500g vorgekochte Kichererbsen

    Kapern nach Belieben

     

    Speck auslassen, Zwiebel dazugeben und kurz anbraten. Danach Kutteln, Gewürze, Tomatenmark und Flüssigkeit zugeben und ca. 30 min. sanft köcheln lassen. Die Kichererbsen weitere 20 min. mitziehen lassen und ganz zum Schluss ev. Kapern unterrühren.

    Dazu schmeckt Weißbrot. Man kann bei Tisch auch frischen Parmesan darüberreiben.