„Kurzfristiger Dämpfer“: RWE zieht sich aus Wasserstoffprojekt in Namibia zurück
Der Hoffnungsträger Wasserstoff erleidet eine weitere Niederlage: RWE will in Namibia aussteigen. Das sei nicht so schlimm, sagen die Projektfirmen.

Ursprünglich wollte der Essener Konzern künftig pro Jahr 300.000 Tonnen Ammoniak aus der Anlage im südlichen Afrika abnehmen. Eine entsprechende Absichtserklärung hatte RWE im Jahr 2022 mit dem Konsortium Hyphen Hydrogen Energy unterzeichnet.
Ammoniak wird unter anderem aus Wasserstoff hergestellt. Wurde der mit Wind- oder Solarenergie hergestellt statt zum Beispiel aus Erdgas, bezeichnet man ihn als „grün“. Ammoniak lässt sich leicht verflüssigen und transportieren, während das bei Wasserstoff aufwändiger und teurer ist. Ob RWE den Ammoniak zur direkten Nutzung in der chemischen Industrie – etwa zur Düngemittelproduktion – vermarkten wollte oder ob am Ende der Kette auch die Rückgewinnung von Wasserstoff stehen sollte, war noch offen.
An dem Konsortium, das die Anlage plant, ist mit 24 Prozent der Staat Namibia beteiligt, den Rest teilen sich hälftig die deutsche Firma Enertrag und die britische Nicholas Holdings. Die Unternehmen hatten sich in einer Ausschreibung des Staates Namibia gegen fünf Mitbewerber durchgesetzt.
Projekt steht noch am Anfang
Ein Sprecher von Enertrag bezeichnete den Rückzug der Firma RWE gegenüber das taz nur als einen „kurzfristigen Dämpfer“. Schließlich sei RWE gar kein Projektpartner gewesen, sondern wäre lediglich als Kunde aufgetreten. Daher sei das Projekt als solches von dem Rückzug nicht akut betroffen, aber man suche nach weiteren Abnehmern, zum Beispiel aus der chemischen Industrie.
Noch steht das Projekt ohnehin am Anfang. Bisher befänden sich am geplanten Standort in der Wüste lediglich Windmessmasten und es gebe Messbojen in der nahegelegenen Meeresbucht, weil für die Wasserstoffgewinnung Süßwasser nötig ist. Das sei vor Ort aber nicht ausreichend verfügbar, deswegen müsse man zunächst eine Meerwasserentsalzungsanlage bauen, heißt es bei Enertrag. Derzeit laufe die Umweltverträglichkeitsprüfung.
Die finale Investitionsentscheidung werde erst Ende 2026 fallen. Fällt sie positiv aus, werde das Konsortium mehr als zehn Milliarden US-Dollar investieren, um künftig im Tsau/Khaeb Nationalpark auf einer Fläche von 4.000 Quadratkilometern mit Windkraft und Solarenergie Wasserstoff zu erzeugen. Dieser werde dann in Form des Wasserstoffprodukts Ammoniak vermarktet.
Rund eine Million Tonnen Ammoniak – knapp 180.000 Tonnen Wasserstoff-Äquivalent – sollen pro Jahr produziert und anschließend verschifft werden. Allerdings verzögert sich das Projekt schon jetzt: Das ursprüngliche Ziel, im Jahr 2030 bereits 50 Prozent der Kapazitäten aufgebaut zu haben, sei wohl nicht mehr haltbar, heißt es bei Enertrag.
Wasserstoff-Nachfrage reicht noch nicht aus
RWE erklärte auf Anfrage, es gebe keinen konkreten Zusammenhang zwischen dem eigenen Rückzug aus dem Projekt und der deutschen oder europäischen Wasserstoffpolitik. Vielmehr hänge im Moment alles „an der Abnehmerseite“, erklärte der Energiekonzern; die Nachfrage der Industrie nach „grünem Wasserstoff“ entwickle sich „langsamer als erwartet“.
Dass das Interesse potenzieller Nutzer an „grünem Wasserstoff“ dürftig ist, hatte im September auch der Monitoringbericht im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums dargelegt: „Aktuell gibt es trotz bestehender Instrumente kaum marktseitige Nachfrage nach Wasserstoff“, heißt es darin. Schließlich lägen die Bereitstellungskosten von erneuerbarem Wasserstoff höher als die Zahlungsbereitschaft der potenziellen Abnehmer. Man habe der „tatsächlichen Zahlungsfähigkeit von Industrie, Gewerbe und Haushalten“ in der Vergangenheit „zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt“.
Ohne Staatsgeld kommt der Wasserstoff also nicht in den Markt, wobei allerdings der „öffentliche Finanzbedarf für die Unterstützung der Transformation“, so das Bundeswirtschaftsministerium, „noch nicht belastbar berechnet worden“ sei, heißt: Die Kosten sind unklar.
Das geplante Wasserstoffbeschleunigungsgesetz wird an diesem Kernproblem der hohen Kosten wenig ändern. Das Gesetz soll vor allem einen schnelleren Ausbau der Infrastruktur ermöglichen – einerseits durch Digitalisierung der Abläufe, andererseits, indem dem Bau von Anlagen und Leitungen „überragendes öffentliches Interesse“ bescheinigt wird. Das soll in politischen Abwägungsprozessen Genehmigungshürden abbauen.
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