Kurdisch-jüdische Verständigung: Der Hetze zum Trotz
Um Feindbilder aufzuweichen, kamen in Berlin jüdische und kurdische Menschen zusammen. Die Minderheiten wollen ihre Kräfte bündeln gegen Fremdenhass.

D er erste kurdisch-jüdische Kongress Europas, Anfang September in Berlin, war ein zivilgesellschaftlicher Versuch, Vertrauen zwischen zwei Gemeinschaften aufzubauen, die seit Langem Diskriminierung und Verfolgung erfahren. Gemeinsam wollen wir die Demokratie verteidigen, gegen Antisemitismus und Kurdenfeindlichkeit agieren. Die Botschaft lautete: Wenn Minderheiten ihre Kräfte bündeln, schützen sie nicht nur sich selbst, sondern stärken zugleich die demokratische Gesellschaft insgesamt.
Die Begegnung knüpfte an unsere historische Verbindung an. In Teilen Kurdistans, etwa im Irak oder in Syrien, lebten Jüd:innen über Jahrhunderte vergleichsweise sicher. In der heutigen Diaspora bringen beide Gruppen Erfahrungen von Unterdrückung und Vertreibung mit – und finden in Deutschland einen geeigneten Rahmen, ihre Beziehungen institutionell weiterzuentwickeln.
Nicht zufällig fand der Kongress in Berlin statt. Deutschland trägt die Erinnerung an die Schoah und sieht sich zugleich mit wachsenden Herausforderungen durch islamischen Radikalismus und Rechtspopulismus konfrontiert. Hinzu kommt, dass hier sowohl eine große kurdische Community als auch eine wieder erstarkte jüdische Gemeinschaft leben.
Nicht selten wirken alte Stereotype nach. Viele Kurd:innen wurden in Syrien in Schulen mit Parolen wie „Tod Israel, Tod dem Zionismus“ geprägt, Jüd:innen wiederum hatten Kurd:innen oft nur als Teil feindlich eingestellter Staaten wahrgenommen. Diese Bilder sind nicht harmlos; sie beruhen auf antisemitischer Propaganda, die seit Jahrzehnten im Nahen Osten verbreitet wird, oft mit Wurzeln in importierten NS-Ideologien.
ist kurdischer Journalist aus Syrien und Mitbegründer der Medienorganisation +963, die in Syrien und im Libanon aktiv ist. Seine Arbeitsschwerpunkte sind: internationaler Terrorismus, Bekämpfung des Antisemitismus sowie Verteidigung von Menschenrechten und Demokratie.
Für Kurd:innen, die in Syrien, im Irak, in der Türkei oder in Iran Bedrohungen durch Regime und Milizen ausgesetzt sind, könnte der Dialog mit Jüd:innen in Europa ein Schritt sein, Vertrauen aufzubauen, Erfahrungen auszutauschen und neue Perspektiven zu entwickeln: Verständigung statt Feindbildern, Vertrauen statt Misstrauen.
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