Kurden im türkisch-syrischen Grenzgebiet: Streit um US-gestützte Einsatztruppe
Die USA wollen eine 30.000 Soldaten starke Kurdenarmee in Syrien aufbauen. Die Türkei will gegen sie kämpfen. Droht eine Eskalation unter Nato-Ländern?

Seit Tagen verstärkt die türkische Armee ihre Truppen entlang der syrischen Grenze in Kilis und Hatay, direkt gegenüber dem kurdischen Kanton Afrin auf der syrischen Seite. „Wir können jeden Moment losschlagen“, bekräftigte Erdoğan am Dienstag in einer Rede vor der Fraktion der Regierungspartei AKP.
Anlass für diese neuerliche Eskalation in der Auseinandersetzung mit den syrischen Kurden ist eine Ankündigung der USA vom vergangenen Samstag. Man werde, erklärte das Pentagon, zur „Abwehr eines Wiedererstarken des IS“ in Syrien Schritt für Schritt eine Armee von 30.000 Mann aufbauen, trainieren und bewaffnen. Diese soll die Grenzen des von den Kurden im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ eroberten Gebietes schützen. Diese Truppe wird nach US-Angaben hauptsächlich aus Mitgliedern der kurdischen YPG-Miliz bestehen, wie ein US-Kommandeur gegenüber der New York Times bestätigte, weil dies „die besten Kämpfer“ seien.
Für die türkische Regierung ist das eine Horrorvorstellung. Für sie ist die kurdische YPG ein direkter Ableger der türkisch-kurdischen PKK, gegen die die türkische Armee seit mehr als 30 Jahren ankämpft. Erdoğan nennt die geplante Truppe deshalb eine „Terrorarmee an unserer Grenze“ und wirft den USA vor, die „schlimmsten Feinde der Türkei“ mit Waffen zu versorgen und zu trainieren.
Erdogan will Unterstützung der Nato
Am Dienstag forderte er den Beistand der Nato gegen die YPG ein. Der Konflikt um die YPG schwelt seit Jahren zwischen den beiden Nato-Partnern Türkei und USA. Seit es der YPG im Winter 2014 mit US-amerikanischer Luftunterstützung gelang, den IS aus der syrischen Grenzstadt Kobane zu vertreiben, arbeiten die YPG und die US-Armee im Kampf gegen den IS zusammen. Die türkische Regierung hat immer wieder in Washington dagegen protestiert und angeboten, eigene Truppen zu schicken, wenn die USA die Zusammenarbeit mit den Kurden beenden würde.
Nachdem der IS militärisch weitgehend besiegt ist, hatte Ankara erwartet, dass die USA die Unterstützung der YPG beenden. Die jetzige Ankündigung ist jedoch das genaue Gegenteil. Offenbar planen die USA, sich mit Hilfe der neu zu gründenden Grenztruppe ein größeres Gebiet in Syrien zu sichern. Das würde dann eine dauerhafte Unterstützung der Kurden voraussetzen, was Erdoğan auf jeden Fall verhindern will.
In der türkischen Öffentlichkeit gibt es kaum Kritik daran, dass Erdoğan notfalls mit einer militärischen Intervention verhindern will, dass entlang der Grenze eine amerikanisch unterstützte „PKK-Armee“ entsteht. Außer der kurdisch-linken HDP sind alle Parteien dafür.
Lawrow kritisiert die Pläne der USA
Der russische Außenminister Sergej Lawrow warf am Montag den USA vor, Syrien aufteilen zu wolle. Damit unterstützte er indirekt die Vorwürfe Erdoğans. Trotzdem wartet die türkische Regierung offenbar noch auf ein direktes Signal des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Ohne dessen Zustimmung ist ein türkischer Einmarsch in Afrin nur schwer vorstellbar, weil dort auch russische Beobachter stationiert sind.
Am Montag gab es jedoch noch zwei diplomatische Versuche, einen Krieg zu verhindern. Der türkische Generalstabschef Husuli Akar traf sich mit seinem amerikanischen Kollegen Joseph Dunford im Nato-Hauptquartier in Brüssel, während Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu seinen US-Kollegen Rex Tillerson am Rande einer Konferenz in Kanada treffen wollte.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung