piwik no script img

Kurden im NordirakOpposition fordert Barsanis Rücktritt

Sie reagiert damit auf den Verlust großer Gebiete an die Zentralregierung in Bagdad. Viele Kurden geben Barsani eine Mitschuld an dem Debakel.

Sie wollen unabhängig sein, doch ihrem Präsidenten trauen nicht mehr Foto: dpa

Suleimanija afp | Die größte Oppositionspartei in der kurdischen Autonomieregion im Nordirak hat den Rücktritt von Kurdenpräsident Massud Barsani gefordert, nachdem die Kurden große Gebiete an die Zentralregierung in Bagdad verloren haben. „Der Präsident der Region Kurdistan und sein Stellvertreter (Kosrat Rasul) haben keine Legitimität mehr und sollten zurücktreten“, sagte Schoresch Hadschi von der Oppositionspartei Goran am Sonntag.

Barsani hatte trotz interner Widerstände die Kurden am 25. September über die Unabhängigkeit abstimmen lassen. Zwar votierten die Kurden praktisch geschlossen für die Abspaltung von Bagdad, doch startete die irakische Zentralregierung daraufhin eine Offensive, bei der sie den Kurden vergangene Woche praktisch alle Gebiete außerhalb der Autonomieregion abnahm, die sie überwiegend seit 2014 unter ihre Kontrolle gebracht hatten.

Insbesondere der Verlust der Region Kirkuk mit ihren großen Ölfeldern ist ein schwerer Schlag für die Kurden. Viele Kurden geben Barsani eine Mitschuld an dem Debakel. Wegen des Streits wurden bereits die für den 1. November angesetzten Wahlen in der Autonomieregion verschoben. Hadschi forderte nun die Schaffung einer „Regierung der nationalen Rettung“, um Verhandlungen mit Bagdad aufzunehmen und Neuwahlen vorzubereiten.

Goran verlangte außerdem die Auflösung des Gremiums, das Barsani nach dem Referendum gebildet hatte, um die „Konsequenzen des Votums“ zu managen. Seine Gegner fürchten, dass Barsani das Gremium nutzt, um hinter den Kulissen weiter die Strippen zu ziehen, wenn er nach den nächsten Wahlen seinen Posten aufgibt. Seine Amtszeit war bereits vor Jahren ausgelaufen, doch wurden die Wahlen wiederholt verschoben.

Die Staatsanwaltschaft der Kurdenregion stellte Haftbefehle gegen mehrere schiitische Milizenführer aus, die an der Offensive gegen die Kurden beteiligt waren

Unterdessen stellte die Staatsanwaltschaft der Kurdenregion Haftbefehle gegen mehrere schiitische Milizenführer aus, die an der Offensive gegen die Kurden beteiligt waren. Unter den elf Gesuchten sind Kais al-Chasali, der Kommandeur der proiranischen Miliz Asaib Ahl al-Hak, sowie Rajan al-Kaldani, der Anführer einer Christen-Miliz. Beide Milizen gehören zu den Volksmobilisierungseinheiten (Haschd al-Schaabi).

Es war zunächst unklar, was ihnen vorgeworfen wird. Zuvor hatten Gerichte in Bagdad Haftbefehle gegen mehrere Kurdenführer wegen der Organisation des Referendums ausgestellt. Ebenfalls gesucht wird der frühere irakische Generalstabschef Babaker Sebari. Ihm wird Veruntreuung öffentlicher Mittel vorgeworfen. Auch der kurdische Vizepräsident Kosrat Rassul wird wegen „Provokation“ der Streitkräfte gesucht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Völker mit (gewählten) Führern wie Barsani und Özcalan sind irgendwie suspekt. Die Kurden wollten "den Preis" für ihre Unabhängigkeit bezahlen. Jetzt wird halt zur Kasse gebeten. Es gibt im Nahen Osten - einschließlich Türkei- vielleich mit Ausnahme Iran und Israel - nicht ein einziges im westlichen Sinne halbwegs funktionierendes Staatswesen.