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Alert gegen Attacken

Der sächsischen Kulturszene drohen harte Auseinandersetzungen mit der AfD und anderen Rechtsradikalen

Die Dresdner Brassband Banda Communale Foto: Monika Skolimowska/dpa/picture alliance

Von Michael Bartsch

Im Freistaat schwenken AfD-Aktivisten und Vertreter der Freien Sachsen schon mal vor der Dresdner Semperoper weiß-grüne Landesfahnen und weiß-blau-rote Russlandfahnen und versuchen, den Text einer einfältigen Sachsenhymne auf die Melodie der von Putin wiederbelebten alten bolschewistischen Hymne mitzumurmeln.

Unter dem Motto „Keine Steuergelder für linke Vereine!“ ging es bei diesem Aufzug im April 2024 auch gegen angeblichen „linksgrünen Sumpf“ in der Kultur. Konkret gegen die auf vielen Straßenfesten beliebte Brassband Banda Communale. Der berüchtigte Blogger Max Schreiber der rechtsextremen Freien Sachsen listete die Projektförderung der Band „für Auftritte auf Antifademos“ auf und kündigte deren Austrocknung an, „wenn die Freien Sachsen flächendeckend in Ämter auf allen Ebenen einziehen werden“.

So weit ist es seit den Landtagswahlen am 1. September noch nicht gekommen. Anders als in Thüringen verfehlte die AfD in Sachsen die Sperrminorität von einem Drittel der Stimmen im Landtag. Was eine rechte Sperrminorität bedeutet, hat die Landeshauptstadt Dresden vor dreieinhalb Jahren allerdings bereits erfahren. AfD und Freie Wähler blockierten im Kulturausschuss die Freigabe des Haushalts 2021/22, der bislang stets anstandslos verabschiedet worden war. Ein Nadelstich gegen einige allzu freigeistige und an Grundwerten orientierte Institutionen und Vereine, die auf den Förderlisten standen. Erst durch einen erneuten Mehrheitsbeschluss des Stadtrats konnten die Mittel fließen.

Dennoch, die Reaktionen auf die Landtagswahlergebnisse in Sachsen lassen eher Besonnenheit als Panik erkennen. Zum jetzigen Zeitpunkt könne man „noch keine fundierte Einschätzung“ erwartbarer Risiken geben, blickt der stellvertretende Geschäftsführer des Landesverbandes Soziokultur, Tobias Gaub, vor allem auf das unkalkulierbare Überraschungsei BSW. Als einzige Gruppierung hatte die Wagenknecht-„Personenkultpartei“ (Wolf Biermann) die Wahlprüfsteine der Landeskulturverbände unbeantwortet gelassen.

Gaub weiß aber sehr wohl, dass gerade unabhängige Soziokultur Hauptzielscheibe von Rechten, Wählervereinigungen und Teilen der CDU ist. Sie teilt dieses Schicksal mit Vereinen und Initiativen, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen und nicht nur auf Heimattümelei beschränken. Auf der 200. Pegida-Demonstration vor der Dresdner Frauenkirche im Februar 2020 hatte Björn Höcke schon angekündigt, womit sie im Fall einer Machtübernahme durch die AfD zu rechnen haben: „Deswegen werden wir diese sogenannte Zivilgesellschaft, die aus Steuergeldmillionen finanziert wird, dann leider trockenlegen müssen!“

Der häufig in Medien zitierte Treibhaus e. V. im mittelsächsischen Döbeln gibt ein Beispiel. Seit 2019 steht der städtische Anteil an der Vereinsförderung immer wieder infrage und damit auch die Zuwendungen des Kulturraums. 2022 diskreditierte AfD-Fraktionschef Dirk Munzig im Stadtrat die Vereinsarbeit als „bezahltes Erinnern an den Holocaust“. Die mitstimmende CDU störte sich an einem Plakat, das für „radikalen Humanismus“ warb.

In der Geschäftsstelle des sächsischen Landesverbandes Soziokultur weist Gaub den Generalverdacht eines getarnten Linksextremismus zurück. „Grundsätzlich hat sich die Soziokultur sehr breit aufgestellt und deckt viele Strömungen und Meinungen in der Gesellschaft ab. Wir sind nicht einfach nur ein linker Laden, sondern Raumgeber, so dass Diskurs auf eine gute Art und Weise stattfinden kann.“

Weit über Sachsen hinaus hat deshalb Mitte August ein Gutachten des Mainzer Verfassungsrechtlers Friedhelm Hufen zum Neutralitätsgebot bei der Vereinsförderung Beachtung gefunden. Die Dresdner Cellex-Stiftung hatte es in Auftrag gegeben, nachdem der CDU-geführte Landesrechnungshof solche Förderbescheide kritisiert hatte. „Die öffentliche Finanzierung privater Initiativen bedeutet nicht, dass deren Äußerungen zu denen des Staates werden“, deckt der Gutachter indirekt ein gestörtes Verhältnis der Konservativen zu Meinungsfreiheit und Pluralismus auf. Und Bildungsarbeit könne gar nicht neutral sein, wenn es um die Vermittlung von Grundrechten des Grundgesetzes und ethische Normen geht.

Über Sachsen hinaus hatte Anfang Juli der Eingriff in eine Inszenierung der „Weißen Rose“ des Theaterpädagogischen Zentrums Burattino im erzgebirgischen Stollberg Wellen geschlagen. Die promovierte Historikerin und Kulturwissenschaftlerin Frauke Wetzel hat die nach den Vorstellungen jeweils angesetzten Diskussionen mit den jugendlichen Besuchern der „Weißen Rose“ moderiert. „Wenn also zum Beispiel queere Themen in den Theatern, in den Galerien ins Programm genommen werden, es daraufhin einen Shitstorm gibt, dann ist das nicht nur ein Angriff auf diese kulturelle Einrichtung, sondern ein Angriff auf die Community insgesamt“, kommentiert sie den Wahlausgang. Die bisher gewährten Freiräume sollten Kulturschaffende unbedingt verteidigen und „sich immer klarmachen, dass die Freiheit der Kunst eine der meistgeschützten in unserem Land ist“.

Vielfältig und frei

Wie sehr um die Kunstfreiheit gerungen werden muss, zeigt auch ein bislang verborgener Vorgang am Winterstein-Theater Annaberg. Intendant Moritz Gogg hatte auf der Website unter der Überschrift „Wir haben das Glück“ ein leidenschaftliches Statement platziert. Es mahnt, „dass wir in einem demokratischen, weltoffenen, vielfältigen und toleranten Land leben, mit einem nicht hoch genug zu achtenden Grundgesetz und einer Gesellschaft, die divers und frei ist“. Das Theater setze sich gegen jede Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und gegen Verbreitung totalitärer Ideologien ein. Auf Betreiben zweier AfD-Vertreter kam es daraufhin zu einem Gespräch bei Landrat Rico Anton (CDU). Der Landrat erkannte Goggs Grundsätze allerdings an, die AfD-Vertreter mussten dies schlucken. Das Statement ist unverändert nachzulesen, und das Spielzeitmotto in Annaberg lautet „Werden wir wachsam gewesen sein?“.

Auch sächsische Konservative haben ein gestörtes Verhältnis zu Meinungsfreiheit und Pluralismus

Solche Erfolge sind nicht die Regel. Vorauseilender Gehorsam bestimmt die Richtung, als sei die AfD bereits an der Regierung. Zur Dresdner Großdemonstration eine Woche vor der Wahl sagten einige vorgesehene Redner vor allem aus dem Bildungsbereich eingeschüchtert ab. Die Drohkulisse genügt.

Zu vernehmen sind aber auch gelassene Stimmen. Es sei „mit einer gewissen Kontinuität zu rechnen“, erwartet Intendant Dirk Löschner vom Theater Plauen-Zwickau ein fortgesetztes Bemühen um den Erhalt der reichen sächsischen Kulturlandschaft. Löschners Theater war beim Jugendtheaterfestival „Wildwechsel“ im vorigen Herbst aber auch Objekt rechter Attacken. Bis heute bekräftigt die Bühne, dass die Inszenierung „Lecken“ des queer-feministischen Berliner Performancekollektivs Chicks* nur wegen kurzfristig ausbleibender Bundesfördergelder abgesagt wurde. Aber Hasskommentare gegen den „Regenbogenkult“ und angebliche „Schmutzdarbietungen“ und Aufrufe zur Störung der Aufführungen waren dem vorausgegangen.

Die Landeskulturverbände wollten sich schon vor der Wahl durch Kenntnis- und Kompetenzerwerb auf die erwartete Zunahme von Attacken vorbereiten. „Wir wissen jetzt, woran wir sind“, sagt der besonders bei Nachwuchsorchestern beliebte Dirigent und Präsident des Sächsischen Musikrates, Milko Kersten. Für sich und andere konstatiert er „ein Defizit im Umgang mit geschulter populistischer Rhetorik“. Die nun einmal gewählten AfD-Vertreter will er aus ihrer Verantwortung nicht entlassen. Er habe den festen Willen, „in allen Gremien zu den Sach­themen Stellungnahmen abzufordern“. Denn die bisherige Erfahrung zeige, dass Rechtsradikale meist durch Verweigerung auffielen, nur äußerst selten aber durch konstruktive Vorschläge.

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