piwik no script img

Kulturstaatsministerin in der DefensiveRoth verteidigt Berlinale-Kurs

Der künstlerische Leiter der Berlinale, Carlo Chatrian, kündigt seinen Ausstieg an. Claudia Roth zeigt sich überrascht über den Rückzug.

Claudia Roth hat Personalprobleme bei der Berlinale, hier im Februar 2022 auf dem roten Teppich Foto: Beata Siewicz/imago

Die Kulturstaatsministerin Claudia Roth steht derzeit in der Kritik. Für internationale Aufmerksamkeit sorgte letztens die Meldung von Ende August, dass der Aufsichtsrat der Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin unter dem Vorsitz Roths entschieden hat, dass die Berlinale künftig nicht mehr von einer Doppelspitze geleitet werden soll. Stattdessen kündigte Roth für die Leitung nach 2024 eine Intendanz als Einpersonen­lösung an.

Als zwei Tage später der künstlerische Leiter der Berlinale, Carlo Chatrian, in einer persönlichen Erklärung mitteilte, nach 2024 nicht mehr bei der Berlinale zu arbeiten, da in der neuen Struktur „die Bedingungen für mich, als künstlerischer Leiter weiterzumachen, nicht mehr gegeben“ seien, gab es Protest in Form eines offenen Briefs, unterschrieben von über 400 internationalen Filmemachern – darunter der US-amerikanische Regisseur Martin Scorsese, ein genauer Beobachter der aktuellen Entwicklungen des Kinos –, die Roths Entscheidung kritisierten.

Managerfähigkeiten seien gefragt

Roth verteidigte ihr Vorgehen diese Woche gegenüber der Presse. Der Aufsichtsrat habe sich für ein Intendanz­modell ausgesprochen, da das Tandemmodell nicht gut funktioniere. Chatrian sei darüber informiert worden und habe sich zunächst gesprächsbereit gezeigt. Seine Absage kurz darauf habe sie überrascht.

Roth nannte als zu erwartende Qualitäten für die zukünftige Intendanz unter anderem Managerfähigkeiten, auch solle sie mit starken Persönlichkeiten um sich herum arbeiten. Chatrian, der sich auf Anfrage der taz nicht weiter zum Thema äußerte, hatte seinen öffentlichen Äußerungen nach aber erwartet, dass er weiter als künstlerischer Leiter bei der Berlinale arbeiten werde. Die künstlerische Leitung kann allerdings in Zukunft allein bei der Intendanz liegen, die diese Aufgabe zusammen mit der Geschäftsführung wahrnehmen wird.

Negatives internationales Echo

Wie es zu diesen unterschiedlichen Einschätzungen gekommen ist, lässt sich bis auf Weiteres nicht klären. Die abweichenden Darstellungen lassen jedenfalls einige Fragen offen. Gab es Missverständnisse in der Kommunikation?

Wobei schwer vorstellbar ist, dass allein darin die Gründe zu finden sind, die zu den jüngeren Entwicklungen mit dem negativen internationalen Echo geführt haben.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Kulturpolitik hört sich easy an. Bisschen Geld verteilen, bisschen schöne Reden halten, bisschen roter Teppich, bisschen Bussi-Bussi. Dachte vermutlich Frau Roth. In Wirklichkeit ist das Terrain hochgradig vermint, überall Fettnäpfchen, überall kampagnenerfahrene Guerilleros, die Dir das Leben schwer machen. Nur was für Profis.

  • Claudia Roth war von Anfang an eine Fehlbesetzung. Eigentlich war der Posten für die SPD vorgesehen, Carsten Brosda, Kultursenator in Hamburg, ein in der Kulturszene allseits geschätzter Fachmann, war der Favorit. Dann kam der Postenschacher um die Minister. Kultur war ein Trostpflaster für die Grünen, und statt in ihren Reihen nach Kompetenzen zu suchen (die aucch in der Kulturpolitik zu finden sind), wurde die Stelle zu einem Versorgungs- und Quotenfall. Roth habe in ihren Leben ja irgendwie schon mal was mit Theater und den Toten Hosen gemacht... Mein Gott nochmal! Insofern wundern mich weder die Abwesenheit von Kompetenz zur documenta wie bei der Berlinale.

    • @Hans aus Jena:

      Da schließe ich mich gern mal an.

      Die Grünen haben ein feines Gespür dafür, Posten mit Leuten zu besetzen, die der jeweiligen Aufgabe nicht gewachsen sind. Özdemir wäre auch so ein Beispiel.



      Oder die unfreiwillig kalauernde Außenministerin.

      Immerhin kann Roth sich rühmen, vom Großmeister Scorsese eins auf die Finger bekommen zu haben.

      • @Jim Hawkins:

        Nachschlag, heute in der FAZ, leider hinter der Paywall:

        Frau Roth zum Documenta-Skandal:

        "Was von Anfang an nicht ausreichend passiert ist, ist, dass einem Kollektiv, in dem Fall dem indonesischen – und denjenigen, die alle ja dann noch dazugekommen sind –, klargemacht worden ist, in welchem Land die Documenta stattfindet."

        Klar, man hätte den Kuratoren einfach sagen müssen:

        "Also Leute, dieses Land, ihr wusstet es wahrscheinlich nicht, heißt Deutschland und hier müsst ihr leider, was euren Antisemitismus angeht, der an sich kein Problem ist, einen Gang runterschalten, ok?"

        Viel erlebt und nichts begriffen.