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Kürzungen durch USA und andereDer UN-Flüchtlingshilfe fehlt das Geld

3,6 statt 11 Milliarden Dollar in diesem Jahr: Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR erhält immer weniger Mittel und muss weltweit 5.000 Stellen abbauen.

Ein vertriebener jemenitischer Junge in einem Lager für Binnenvertriebene am Stadtrand von Sana'a, Jemen, 1. März 2021 Foto: Yahya Arhab/epa

Berlin taz | Zelte, Wasser, Nahrung, Medikamente, Bildung – Millionen Vertriebene weltweit werden künftig bei der Grundversorgung leer ausgehen. Seit Montag tagt in Genf das Exekutivkomitee des UN-Flüchtlingswerks UNHCR – und muss sich mit Kürzungen in Milliardenhöhe befassen.

Gleich zu Beginn hatte UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi die Streichung von 5.000 Stellen bekannt gegeben. Damit bleiben nur knapp 12.000 Posten übrig – 2024 beschäftigte das UNHCR noch über 20.000 Menschen. „Die Zahlen sind düster“, sagte Grandi.

Noch schwerer wiegt, dass Unterstützungsleistungen für Geflüchtete wegfallen. Betroffen sind laut Grandi alle Länder und Bereiche, in denen das UNHCR aktiv ist. „Schulen wurden geschlossen, die Lebensmittelhilfe heruntergefahren“, sagte der UNHCR-Chef.

Zudem hätten beispielsweise Programme zur Vorbeugung gegen Gewalt gegen Frauen und die psychologische Betreuung von Folteropfern eingestellt werden müssen.

Nur noch Kapazitäten für 25 Millionen Menschen

Derzeit betreut die Organisation etwa 36,4 Millionen Menschen. Intern rechnet man damit, künftig nur noch Kapazitäten für rund 25 Millionen Menschen zu haben. Programme für Kinderschutz, Bildung oder Notunterkünfte dürften insgesamt um zunächst ein gutes Drittel zusammengestrichen werden.

„Es sind auch vorher schon Menschen gestorben, weil Sachen für ein paar Euro fehlten. Das ist jetzt deutlich dramatischer geworden,“ sagt Chris Melzer, Sprecher von UNHCR-Deutschland. Derzeit unterhält das UNHCR 397 Flüchtlingslager in 42 Ländern. „Wenn in Südasien der Monsun einsetzt und die Menschen sagen: ‚Es regnet bei uns rein wir brauchen neue Zelte‘ – dann werden wir sagen müssen: Wir können euch nicht mehr helfen,“ so Melzer.

11 Milliarden Dollar hatte das chronisch unterfinanzierte UNHCR als Finanzbedarf für das Jahr 2025 angemeldet. Bisher aber gab es nur Zusagen in Höhe von 3,6 Milliarden. Bis Jahresende hofft die Organisation, auf knapp 4 Milliarden Dollar zu kommen. Die starke Teuerung der vergangenen Jahre, unter anderem bei Treibstoff und Grundnahrungsmitteln, erschwert die Lage weiter, ebenso die wachsende Zahl weltweit Vertriebener.

Für die kommenden Jahre sieht es noch schlechter aus. Denn 2025 flossen noch rund 780 Millionen Dollar aus den USA, die die Biden-Regierung bewilligt hatte, an das UNHCR. Seit Bestehen des UNHCR hat Washington allein meist mehr als ein Drittel des Gesamtbudgets getragen. Doch ob es im kommenden Jahr weiter Geld von der Trump-Regierung geben wird, ist fraglich.

Das wiegt umso schwerer, weil die Finanzierung des Flüchtlingswerks im Wesentlichen an einer Handvoll westlicher Staaten hängt – und die meisten ihre Zuwendungen nun erheblich gekürzt haben. Deutschland war 2024 mit 332 Millionen Dollar noch weltweit zweitgrößter Geber. Nach dem Kahlschlag beim US-Hilfswerk USAID Anfang des Jahres hatten sich Union und SPD ein „stärkeres Engagement nach dem Ausfall anderer Geber“ vorgenommen und versprochen, eine „auskömmliche Finanzierung“ der humanitären Hilfe und Krisenprävention sicherzustellen.“

Tatsächlich aber hat Schwarz-Rot die Zuwendungen für das UNHCR auf 150 Millionen Dollar mehr als halbiert, ebenso wie andere westliche Staaten. Der britische Premier Keith Starmer hat die Kürzungen als Einziger offen mit den steigenden Rüstungsausgaben in Verbindung gebracht. Doch auch in anderen Staaten dürfte die Ausweitung des Militäretats eine der Ursachen der Streichungen bei der humanitären Hilfe sein.

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