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Kürzungen bei EntwicklungszusammenarbeitKratzen an der Glaubwürdigkeit

Tanja Tricarico
Kommentar von Tanja Tricarico

Die Ampel kürzt bei der Entwicklungszusammenarbeit. Verteidigung und Kriegsgerät sind ihr offenbar wichtiger – das sendet ein fatales Signal.

Eine der größten Geldgeberinnen in der Entwicklungshilfe: Svenja Schulze in einer Schule in Ghana Foto: Ute Grabowsky/photothek/imago

B ildungsinitiativen, Vorhaben, um Frauen und Mädchen zu unterstützen, Stärkung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratieförderung – alles Projekte, die zur modernen Entwicklungszusammenarbeit gehören. Und das alles in Staaten, die in Gewaltspiralen gefangen sind, mit fragilen Regierungskonstrukten leben, von Armut und Hunger betroffen sind.

Die Bundesregierung gehört weltweit mit zu den größten Gebern in der Entwicklungszusammenarbeit – und setzt nun den Rotstift bei den Ausgaben an. Ebenso wie im Etat für humanitäre Hilfe, die im Auswärtigen Amt angesiedelt ist.

In Zeiten, in denen für Verteidigung und Kriegsgerät Milliarden freigesetzt werden, muss wohl auch an der einen oder anderen Stelle gekürzt werden. Aber ausgerechnet dort, wo es um die nachhaltige Stabilisierung von Staaten in der Krise geht? Entwicklungszusammenarbeit ist ein langwieriges, mühsames Geschäft; Erfolge sind nicht unmittelbar sichtbar. Und seit Jahren streiten sich Ent­wick­lungs­ex­per­t:in­nen und Haus­häl­te­r:in­nen über den Nutzen und die Messbarkeit des Erfolgs solcher Projekte.

Natürlich lassen sich Kriterien und Messlatten ansetzen, etwa wie viele Menschen in Arbeit kamen, oder ob Gewalt gegen Frauen und Kinder abgenommen hat, ob zivilgesellschaftliche Strukturen maßgeblich gefördert werden konnten, was wiederum Regierungen stabilisiert.

Hohle Worte von früher

Es ist nichts anderes als ein fatales Signal, dass die Bundesregierung mit den Kürzungen sendet. Zumal sich die Ampel in der ersten Nationalen Sicherheitsstrategie auf einen integrierten und vernetzten Sicherheitsbegriff geeinigt hatte. Ausdrücklich wurde in dem Papier länglich heruntergebetet, dass militärische Sicherheit nur ein Baustein sein kann. Entwicklungszusammenarbeit oder humanitäre Hilfe sind eine ebenso starke Säule.

Wörtlich heißt es in dem Papier: „Entwicklungspolitik leistet unverzichtbare Beiträge zu einer Politik der Integrierten Sicherheit, indem sie menschliche Entwicklung und Sicherheit erhöht.“ Schon bei der Vorstellung gab es berechtigte Zweifel, wie ernst das Ansinnen tatsächlich ist. Die Zweifel haben sich nun bestätigt.

Das Vorhaben, deutlich weniger Geld für 2024 und auch perspektivisch für 2025 bereitzustellen, kratzt enorm an der Glaubwürdigkeit der Bundesregierung und erinnert zudem stark an Zeiten, in denen Verteidigungs- und Entwicklungsministerium gemeinsam zu Konferenzen zum Thema Entwicklung und Sicherheit einluden. Zeiten, in denen es vordringlich darum ging, Geflüchtete von Europa fernzuhalten und verstärkt auf militärische Aspekte zu setzen.

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Tanja Tricarico
wochentaz
Schreibt seit 2016 für die taz. Themen: Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklungszusammenarbeit, früher auch Digitalisierung. Leitet derzeit das Politik-Team der wochentaz. Privat im Einsatz für www.geschichte-hat-zukunft.org
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6 Kommentare

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  • LOL!



    Die Grünen, die "Pazifisten", schreien konstant nach mehr Kriegsgerät für die Ukraine, und jammern jetzt, wenn gespart werden muss, um diesen Irrsinn zu finanzieren.



    Kann man sich nicht ausdenken...

  • Wie kann man denn (zumindest indirekt) niedrigere Verteidigungsausgaben fordern, ohne den Grund für die erhöhten Ausgaben auch nur zu erwähnen? Dass es hier um die Verteidigung gegen Putin Angriff auf die Ukraine geht, kommt überhaupt nicht vor. Wer in diesem Kontext die Verteidigungsausgaben kritisiert, der sagt damit letztlich, dass wir die Ukraine nicht mehr unterstützen sollen. Solche Forderungen, auch als whataboutism-Argumente wie hier, spielen Putin in die Hände.

    Wenn man hier schon Zusammenhänge herstellt, dann sollte man auch die wirklichen geopolitischen Zusammenhänge verstehen, unter anderen, dass Putin Afrika gezielt destabilisiert (Niger, Wagner-Söldner in verschiedenen afrikanischen Ländern etc.) und damit gut gemeinte westliche Anstrengungen in der Entwicklungshilfe zunichte macht. Es ist Afrika an Ende wahrscheinlich mehr geholfen, wenn Putin geschwächt wird, als wenn irgendwo Brunnen gebohrt werden .

  • „ Erfolge sind nicht unmittelbar sichtbar.“

    In einigen Fällen seit den 60er Jahren nicht.

  • Na dann fangen wir doch mal an zu gewichten und zu bilanzieren und addieren in einem ersten Schritt die Beträge, die an Mali, Niger und Afganisthan in der letzten Dekade gezahlt worden sind und indexieren dann in den Bereichen wirtschaftliche Entwicklung, Gleichstellung und Demokratie.

  • Deutschland ist weltweit der 2.-grösste Geber von Entwicklungshilfen, deutlich mehr als dem wirtschaftlichen Gewicht Deutschlands entspricht. Dagegen ist erstmal nichts einzuwenden. Dass Indien und China and 2. und 3. Stelle der Empfängerländer stehen, ist unverständlich und fast schon pervers. China bedroht mit seiner Zustimmung zu Krieg in Europa offen unsere demokratische Freiheit, Indien fliegt lieber zum Mond, als den Hunger im eigenen Land abzuschaffen. Aber Hauptsache Deutschland beschuldigt sich erstmal selber für seine Unzulänglichkeit.

    • @Newjoerg:

      Danke,



      hast genau meinen Gedanken wiedergegeben.



      Hilfe und Unterstützung ist wichtig. Nur muss sie nicht mit dem Füllhorn auf Granit ausgeschüttet werden. Schon garnicht in Ländern die das selbst finanzieren könnten.