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Kürzungen bei Berlins KulturAngst hinter den Kulissen

Der Senat will die landeseigenen Theater ausgliedern, um Geld zu sparen. Das könnte fatale Konsequenzen haben. Die Pläne stoßen zunehmend auf Kritik.

Berlins Kulturschaffende lassen sich nicht wegkürzen Foto: David Balzer

Berlin taz | Auf den Berliner Bühnen herrscht große Unsicherheit. Nach den massiven Kürzungen im Kulturetat von 135 Millionen Euro in diesem Jahr und weiteren 150 Millionen im kommenden Jahr, ist eine Umstrukturierung der landeseigenen Theater im Gespräch. Am Freitag trafen sich der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und die Staatssekretärin für Kultur, Sarah Wedl-Wilson, mit Ver­tre­te­r*in­nen der Bühnen und Orchester zum „Kulturdialog“. Dabei wurde ausgelotet, wo gespart werden kann sowie über alternative Rechtsformen gesprochen.

Über den genauen Inhalt der Gespräche wurde Stillschweigen vereinbart. Da der Dialog mit den Theatern, Bühnen, Opern sowie Gedenkstätten und Museen noch andauere, würden noch keine Ergebnisse vorliegen, heißt es schmallippig aus der Senatskulturverwaltung von Joe Chialo (CDU). Der Regierende spricht von einem „intensiven und vertrauensvollen Austausch“: „Mein Ziel ist es, die hohe Qualität von Kunst und Kultur in Berlin auch in finanziell herauszufordernden Zeiten zu sichern und mit den Einrichtungen eine Kulturagenda 2035 zu entwickeln“, so Wegner.

Auch wenn die zunächst befürchtete Privatisierung der landeseigenen Theater wohl nicht kommen wird, sind die Ängste unter den Theaterschaffenden groß. Denn im Raum steht eine Umwandlung in Stiftung öffentlichen Rechts nach dem Vorbild der Stiftung Oper in Berlin. Betroffen von den Planungen sind die Volksbühne, das Gorki-Theater, das Deutsche Theater, das Theater an der Parkaue und das Konzerthaus – allesamt ehemalige Osttheater.

Daniel Wesener, Sprecher für Kulturfinanzierung der Grünenfraktion, begrüßt zwar, dass der Regierende Bürgermeister mit dem Kulturdialog „einen Ausweg aus der selbst verschuldeten Krise sucht“. Doch wenn er sein Versprechen einhalten wolle, dass keine große Berliner Kultureinrichtung ihre Pforten schließen muss, führe kein Weg an einer deutlichen Reduzierung der Kürzungsvorgaben vorbei, so Wesener zur taz.

Beschäftigte werden nicht einbezogen

Dass die CDU stattdessen eine Diskussion über die Rechtsform der landeseigenen Theaterbetriebe vom Zaun breche, sei „fachlich völlig abwegig, aber auch politisch dumm“: „Damit lassen sich keinerlei echte Einspareffekte erzielen, vielmehr kostet die Überführung in privatrechtlich organisierte Landesunternehmen zunächst einmal mehr Geld.“ Wesener mahnt zudem an, dass es sich bei dem betroffenen Personal um Landesbeschäftigte handelt, die ein Recht darauf hätten, „dass der Senat nicht länger nur über sie redet, sondern auch endlich mit ihnen“.

Noch-Kultursenator Joe Chialo, der als Kulturstaatsminister für die neue Bundesregierung im Gespräch ist, steht schon länger wegen seiner mangelnden Kommunikation mit der Kulturszene in der Kritik. Rechtlich gesehen müsste bei einer Umstrukturierungen der landeseigenen Theater der Personalrat von Anfang an mit einbezogen werden.

Dies sei aber bislang nicht geschehen, kritisiert Daniela Ortmann vom Berliner Hauptpersonalrat, der die 130.000 Landesbeschäftigten vertritt. Ende April soll daher eine gemeinsame Versammlung mit den Personalräten der fünf betroffenen Häuser stattfinden, zu der auch Wegner und Kulturstaatssekretärin Wedl-Wilson eingeladen sind.

„In den Häusern herrscht erhebliche Unruhe“, so Ortmann zur taz. Die Angst sei groß, dass nach einem Rechtsformwechsel Theater geschlossen, Häuser zusammengelegt und Beschäftigte entlassen werden könnten. Außerdem gebe es die Befürchtung, dass mit der Ausgliederung der Theater aus dem öffentlichen Dienst auch die Hauptstadtzulage von 150 Euro monatlich entfallen und sich die Arbeitsbedingungen verschlechtern könnten. Umso wichtiger sei daher, dass die Beschäftigten mehr als nur Gerüchte hören. Klares Ziel sei, die Ausgliederung zu verhindern. „Wir sehen darin keinen Nutzen für den Landeshaushalt, im Gegenteil.“

Vorbild Stiftung Oper

Auch Verdi ist strikt gegen eine Umwandlung. Die Gewerkschaft befürchtet, dass die Theater durch eine Ausgliederung auch aus dem Tarifvertrag der Länder (TV-L) fallen könnten. Mitbestimmung spiele bei den derzeitigen Reformplänen allerdings keine Rolle, kritisiert der zuständige Gewerkschaftssekretär, Konstantin Kohl. Bereits Mitte März habe man den Regierenden und die zuständige Staatssekretärin zu Gesprächen über die Pläne mit den Theatern aufgefordert – bislang ohne Erfolg.

„Was ist das für ein Demokratieverständnis, wenn nach Gutsherrenart in Hinterzimmern zwischen Politik und Geschäftsführungen Dinge beschlossen werden?“, so Kohl über das Treffen am Freitag. Er befürchtet, dass dadurch Widerstand verhindert und Fakten geschaffen werden sollen.

Die Angst der Beschäftigten vor einem Stellenabbau ist mit Blick auf die Überführung der Opern in eine Stiftung nicht unbegründet. Nach jahrelangem Streit über den Unterhalt der drei Opernhäuser wurde 2004 ein Kompromiss geschlossen: Statt eines der Häuser zu schließen, sollte hinter den Kulissen gespart werden, indem die Deutsche Oper, die Komische Oper, die Staatsoper Unter den Linden, das Staatsballett Berlin und der Bühnenservice in der Stiftung Oper in Berlin zusammengeschlossen wurden. Laut Verdi wurden im Zuge dessen über 70 Menschen entlassen.

Für Manuela Schmidt, kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion, taugt die Opernstiftung nicht als Vorbild für Einsparungen bei den Theatern. „Ganz sicher hat man vergessen, wie lange es gebraucht hat, wie viele Jahre ins Land gingen und wie viel Arbeit und Einbeziehung aller Beteiligten es bedurfte, bis ein solch tragfähiges Konstrukt endlich Wirklichkeit wurde“, so Schmidt zur taz. Zwar sei eine Stiftung Theater ist nicht per se ein Tabu, aber so ein Prozess brauche Zeit und funktioniere nur gemeinsam mit den Theatern und ihren Personalvertretungen.

Zumal es laut Wesener bessere Ideen für eine Reduzierung von Kosten im Kulturbetrieb gibt, etwa durch Zusammenlegungen bei der Infrastruktur, wie Depots oder Probebühnen, die teilweise teuer am Markt angemietet werden müssten. „Umso unverständlicher ist es, dass die CDU die wenigen verbliebenen Landesimmobilien, die sich für eine Kulturnutzung eignen, lieber an Private zu kommerziellen Zwecken abgeben will.“

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