Künstliche Intelligenz und Gender: Zahlen bitte
Wenn wir nicht mal nachzählen, wird sich bei der Diversität auch nichts tun. Aber die Schweiz macht zum Glück vor, wie's geht.
D arauf einen doppelten Sherlock: So jedenfalls heißt eine künstliche Intelligenz, mit deren Hilfe der Schweizer Medienkonzern Ringier seine gesammelten Werke und Aktivitäten vernetzt. Und diese künstliche Intelligenzbestie soll jetzt auch in den Dienst der Geschlechterdiversität treten. Sherlock wird in Zukunft bei allen Websites von Ringier und beim Joint-Venture Ringier Axel Springer Schweiz (RASCH) die Geschlechterpräsenz messen und auswerten.
Sherlock zählt die Anzahl der Artikel über Frauen und über Männer anhand von Vornamen, Bezeichnungen und Bilderkennung – und bastelt daraus zwei Werte. Der sogenannte Teaser-Score misst Titel, Dachzeilen, Leads und Vorspänne sowie Bilder nach Sichtbarkeit von Frauen und Männern. Der Body-Score nimmt sich den restlichen Textkörper vor und analysiert, wie oft pro Beitrag Frauen und Männer zu Wort kommen.
Das Projekt heißt EqualVoice und soll für Gleichwertigkeit sensibilisieren, wie Ringier bekanntgibt. Und damit die Kerle auch keine Angst bekommen, schiebt Vorstandschef Marc Walden gleich hinterher, dass es jetzt natürlich nicht das Ziel sei, „auf einmal in allen Titeln 50 Prozent Männer und 50 Prozent Frauen“ zu haben. Denn Ringiers Journalist*nnen seien schließlich „keine Aktivisten“. Es gehe vielmehr darum, „dass die Chefredaktorinnen und -redaktoren ihre Teams für das Thema Gleichwertigkeit sensibilisieren. Wir sind überzeugt, dass Frauen und Männer gemeinsam viel mehr bewirken als Frauen und Männer alleine. Und: Es gibt mehr Frauen, über die es sich zu berichten lohnt.“
Über Annabella Bassler etwa, Finanzchefin der Ringier AG, die EqualVoice „lanciert“ hat, wie das dort so schön heißt. Denn Medienberichte in der Schweiz behandeln zu 75 Prozent Männer, laut dem von Ringier zitierten Global Media Monitoring Project 2016 weltweit sogar zu 82 Prozent.
In Deutschland nichts neues
In Deutschland, das belegen zumindest die Zahlen der MaLisa-Studie für das Fernsehen, sieht es mit Blick auf Erklärpersonen und Expertinnen ähnlich trübe aus. Bloß von Projekten wie EqualVoice ist hierzulande nichts zu hören. Und was die vielversprochenen Reaktionen auf die MaLisa-Erkenntnisse angehen, heißt es auch weiter fröhlich warten. Aber zum Glück steht ja eine Neuausgabe der Studie an, vielleicht bewegt sich ja dann was.
Nee, kommt, war natürlich ein Witz. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Womit eigentlich die Stunde der Verlage gekommen sein könnte. Springer hängt über „RASCH“ eh schon mit drin. Also könnte doch der hiesige Springer-Chef, der ja praktischerweise auch gleich noch Präsident aller Zeitungsverleger*nnen ist, mal loslegen. Mathias Döpfner sagt ja selbst immer wieder, dass er die Frage spannend findet, wer nach ihm Vorstandsvorsitzende von Axel Springer wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“