Künstlerische Weltreise in Frankfurt: Jenseits etablierter Pfade
Das Weltkulturenmuseum präsentiert 50 Kunstwerke aus Reinhard Wanzkes Reise um die Welt. Es ist eine sehr persönliche Ausstellung.
Viel ist von Kunst im öffentlichen Raum die Rede, aber hier, in Ozzie’s Fresh Market in Brooklyn, gewinnt das Schlagwort doch noch mal ein anderes Gewicht: Zwischen dicht gepackten Hot-Dog-Brötchen, das Achterpack zu 2,49 $, lädt Alana McFarlanes Soundwalk zum auditiven Rundgang durch Vancouver. Die Kompass-Holzkugel von Stephan von Borstel fand ihren Platz zwischen Ranch- („Great for Dipping!“) sowie Greek-Dressing, und die zart glasierte Vase von Wang Hongjun steht umringt von Waschmittelpackungen in Knallorange.
Eine respektlose Präsentation, kann man finden, aber auch: Welcher Raum ist schon öffentlicher als der des täglichen Warenaustauschs? Der New Yorker Supermarkt war 2017 die letzte Station auf Reinhard Wanzkes Reise, die den Frankfurter Künstler in sieben Stationen um die Welt führte. Eine Versuchsanordnung darüber, wie Kunstausstellung & Sammlung jenseits etablierter Pfade respektive Institutionen funktionieren. Und ohne Geld und doppelten Boden.
Wenig überraschend, dass New York City das schwierigste Pflaster und die Idee Supermarkt ursprünglich gar nicht beabsichtigt war: Ausstellungsflächen standen ab 1.500 Dollar den Abend zur Verfügung, alles darunter war zu klein oder auf Monate ausgebucht, und das Goethe-Institut, oft eine Art Sicherheitsnetz für deutsche Kunst- und Kulturschaffende im Ausland, lehnte vorerst auch ab – zu heikel die Sache mit den Fake-Ferragamo-Taschen, die als Transportgefäß für Wanzkes Sammlung dienten.
Im Museum gelandet ist die letztlich doch: Unter dem Titel „Sammlung als Erzählung – Wanzkes künstlerische Reise um die Welt“ präsentiert das Weltkulturenmuseum 50 Kunstwerke, die Reinhard Wanzke auf seinem Weg von Deutschland über Uganda, Australien, Malaysia, China, Kanada und schließlich die USA und zurück sammelte.
Aus Deutschland nahm er Arbeiten befreundeter Künstlerinnen und Künstler mit, um sie an der nächsten Station im ugandischen Kampala auszustellen. Dort wiederum packte er Werke lokaler KünstlerInnen in eine eigene Tasche, um sie am nächsten Zwischenstopp mitsamt der bis dato entstandenen Sammlung zu präsentieren. So füllten sich Ausstellungsräume und Taschen, die komplette Sammlung ist nun erstmalig in Frankfurt zu sehen.
Statt der sonst üblichen, diskursgestählten Wandtexte liest man hier von Reinhard Wanzkes Erlebnissen und Begegnungen: In Uganda trifft er den „nach eigener Auskunft einzigen ernst zu nehmenden Kunstkritiker in ganz Kampala“. In Australien tauscht er Kunst gegen eine Flasche Chardonnay, derweil es zwei Werke nicht durch den Zoll schaffen – also gleich per Post weiter nach Malaysia, wohin ihnen Wanzke später folgte und einer Kayan-Familie lauscht, die in traditioneller Erzählform das 21. Jahrhundert besingt. In Kanada schließlich macht sich der Künstler erfolgreich auf die Suche nach Hank Bull, einen Teilnehmer der documenta 8.
„Sammlung als Erzählung – Wanzkes künstlerische Reise um die Welt“, bis 19. Mai, Weltkulturenmuseum, Frankfurt am Main.
Das Weltkulturenmuseum sah im Projekt eine zeitgenössische Form dessen, was man auch aus der eigenen Provenienzforschung kennt: „Vieles erinnerte uns an die Tagebucheinträge, die wir von Sammlern lesen“, erklärt Co-Kuratorin Julia Friedel. „Manchmal verraten die natürlich auch mehr über den Sammler selbst, über den Zeitgeist und den Kontext als über das Werk, mit dem wir es zu tun haben.“
Neben der Frage, wie sich Wege und Kontakte zu Kunstobjekten für den Ortsunkundigen auftun, geht es auch darum: Was passt in eine plagiierte Luxustasche? Physisch kleine Formate, natürlich, aber auch Digitales. So umfasst die im besten Sinne eklektische Sammlung Miniaturen und Editionen, Fotografien, Zeichnungen, Malerei, Soundwalks und einen Videoclip, der im Ausstellungsraum nun auf Handy im Dauerloop läuft, von Berufskünstlern, Amateuren und allen Zwischenformen. „Sammlung als Erzählung“ ist ganz explizit eine Schau über persönlichen Geschmack und persönliche Geschichten geworden. Die alles entscheidende Frage „Gefällt mir das/Gefällt’s mir nicht?“ darf sich auch das Publikum stellen: Zum Ausstellungsende versteigert Wanzke die Werke zu einem jeweils zwei- bis vierstelligen Mindestpreis, den die KünstlerInnen vorher festgelegt haben.
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