Künstlerin über Installation im Freien: „Menschen in Publikum verwandeln“
Josephin Böttger über die Hamburger Video- und Soundinstallation „Deviation One“ und den Reiz, ganz normale Passant_innen zu erreichen.
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taz: Josephin Böttger, was erwartet eine_n heute Abend neben der Hamburger Galerie der Gegenwart?
Josephin Böttger: Die gesamte Fassade wird be-projiziert: Es erscheint eine Projektion, rund 30 Minuten dauert ein Durchlauf, den wir pro Abend noch zweimal wiederholen. Dazu ist eine Soundinstallation von Felix Kubin zu hören. Wobei er selbst sagt: Soundinstallation sei das falsche Wort, denn es deute eine eigenständige Arbeit an; was er hier mache, beziehe sich aber sehr auf meinen Film.
Hat er recht mit seiner Unterscheidung?
Er hat vor Ort die Tonverhältnisse vermessen und die dort auftretenden Umgebungsgeräusche, die Bahn, zum Beispiel, die da gleich nebenan vorbei rauscht. Und das alles berücksichtigt er, es hat Eingang gefunden in seine Soundbearebeitung. Da würde ich schon sagen: Es ist eine Soundinstallation im weiteren Sinne.
Ich las, die Videoinstallation thematisiere „innere und äußere Strukturen des zeitgenössischen und historischen Bauwerks“.
55, ist Videokünstlerin und lebt in Hamburg. Sie hat Visuelle Kommunikation
an der HFBK studiert.
Ich verwende verfremdete Schwarz-Weiß-Filmaufnahmen, die ich in der Kunsthalle und in der Galerie der Gegenwart gemacht habe. Es erscheinen also die Innenräume nun auf der Außenseite. Auch die Fassade des historischen Teils wird auf jene des zeitgenössischen Gebäudes projiziert. Die Fassaden vermischen sich, könnte man sagen. Eine Art temporärer Austausch der Architekturen. Die Oberfläche der Galerie der Gegenwart wird verfremdet, bekommt für einen Moment eine andere Gestalt.
Der Ungers-Bau, also die Galerie der Gegenwart, wurde 1996 fertiggestellt, der gegenüberliegende Gründungsbau 1869 – hat es da nicht auch etwas von einer Zeitreise?
Das könnte man so erleben, ja.
Die doppelte Installation ist Begleitprogramm zur Ausstellung „Out of Space“. Korrespondiert das Video auch mit den da gezeigten Installationen und Raumobjekten?
Ich habe auch bei den Kamerafahrten eher vermieden, dass einzelne Kunstwerke genau zu erkennen sind – sonst hätte ich alle Künstlerinnen und Künstler nennen müssen, und dann wäre der Abspann länger als meine Installation selbst. Mir geht es ja mehr um die filmische Raumwahrnehmung der Architektur. Es gibt eine – wiederum ziemlich schnelle – Fahrt auch durch die Ausstellung. Aber die ist durch eine digitale Verzerrung kaum noch erkennbar.
Wie viel Zeit habt ihr auf die Vorbereitung verwendet?
Ich habe mich vor einem halben Jahr zum ersten Mal damit beschäftigt, fand es auch toll, wie belebt der Ort doch ist, dieses Plateau.
Video- und Soundinstallation „Deviation One“: 17.–19. September, 20.30−22 Uhr, Plateau zwischen Kunsthalle und Galerie der Gegenwart Glockengießerwall 5.
Eintritt ist frei, eine Anmeldung ist nicht erforderlich
Ja, ich kam gerade mal wieder abends vorbei und fragte mich: Ob all diese Menschen nun verscheucht werden müssen für die Kunst?
Nein, im Gegenteil! Das ist für mich ein ganz wichtiger Aspekt: Kunst im öffentlichen Raum, Projektionen im öffentlichen Raum sind gerade so toll, weil sie Menschen, die da sowieso sind, in ein Publikum verwandeln können. Auch Leute, die vielleicht niemals reingehen würden in eine Kunsthalle.
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