Torten und Zahlen im Quadrat

■ Die Galerie der Gegenwart wird ein Jahr alt. Doch trotz Besuchererfolgen ist die Kasse leer

Kommenden Sonntag vor einem Jahr wurde die Galerie der Gegenwart eröffnet: Kontroversen über die Architektur gab es schon vorher und gibt es bis heute. Manche sehen einen quadratversessenen Solitärbau auf abweisendem Pyramidenstumpf mit vielen museumspraktischen Schwächen. Andere loben die klare Abgrenzung gegenüber dem umbrandenden Verkehr, die reduzierte, doch anspielungsreiche Architektursprache, die durch die ungewöhnliche Befensterung bewirkte dogenpalastähnliche Umkehr des Schweren und Leichten und vor allem das Juwel des kristallinen Lichthofs.

Doch auf der gestrigen Pressekonferenz anläßlich des einjährigen Bestehens der Galerie der Gegenwart ging es nicht darum, ob hier eine übersteigerte Architektendominanz festzustellen ist, sondern darum, wie sich die erweiterte Kunsthalle im vorigen Jahr bewährt hat.

Mit 434.000 Besuchern hatte das Haus 33 Prozent mehr Besucher als 1996; nimmt man die ersten zwölf Monate der Galerie der Gegenwart von Februar bis Februar, wurden sogar die angestrebten 500.000 erreicht. 25,1 Prozent der Kunstfreunde waren Besucher, die vorher noch nie in der Kunsthalle waren. Demzufolge wurde auch die Vermittlungsarbeit mit Führungen und Vorträgen mit Sponsorenhilfe besonders erweitert. Einzigartig ist zudem der Freundeskreis der Kunsthalle: Der Verein ist mit 8500 Mitgliedern der größte seiner Art.

Die Finanzlage sieht allerdings nicht so rosig aus: Das Defizit beläuft sich auf eine Million Mark. Obwohl die Kunsthalle hervorragende 30 Prozent ihres Etats selbst erwirtschaftet, eine äußerst knappe Personaldecke und einen geringen Ankaufsetat hat, müssen zusätzlich zehn Prozent pauschal gespart werden. Dazu wurden die Eintrittspreise um zwei auf 14 Mark erhöht und die Ermäßigung für Rentner gestrichen.

Regelmäßige Umgestaltungen der Sammlung und Sonderausstellungen sollen die Attraktivität dennoch steigern. Drei der Sonderausstellungen dieses Jahres werden bereits gesetzte Schwerpunkte der neuen Sammlung umkreisen: Zeitgenössische amerikanische Fotografie mit 240 Bildern der „Boston-Group“um Nan Goldin ab Ende März, eine große Ausstellung der Versuchsanordnungen von Bruce Nauman, von dem die Galerie der Gegenwart ohnehin die größte deutsche Sammlung hat, und eine erste Retrospektive von Rosemarie Trockel. Der Tradition und Genese des Konstruktivismus widmet sich ab Oktober Kandinsky, Malewitsch und die russische Avantgarde, und mit den Landschaftsbildern von Max Beckmann dürfte für den Publikumsmagneten des Sommers gesorgt sein. Hajo Schiff

In der Reihe „Reden über Kunst“spricht Ilya Kabakov über „Totale Installation“: Morgen, 19 Uhr.

Zum „Einjährigen“: „Wie die Künstler die Galerie der Gegenwart bezogen. Uwe M. Schneede liest aus seinen Aufzeichnungen. Mit Dias“: Matinee am Sonntag, 22. Februar, 12 Uhr, TIK.