Künstler Günther Uecker ist tot: Mit Kunst in die Welt nageln
Günther Uecker hämmerte Nägel in Stühle, Plattenspieler, Nähmaschinen – und erzeugte Widerstand. Jetzt ist der Düsseldorfer Künstler mit 95 Jahren gestorben.

Günther Uecker wurde 1930 in Wendorf im heutigen Mecklenburg-Vorpommern geboren. Als Jugendlicher half er wenige Tage vor Kriegsende beim Begraben der Leichen des Schiffswracks „Cap Arcona“. Später nagelte er aus Angst vor der Roten Armee die Tür des Elternhauses von innen zu – eine „panische, instinkthafte Handlung“, die er 2015 in einer Fernsehdokumentation des HR als prägend für sein künstlerisches Arbeiten beschrieb.
In den 1950er-Jahren verließ er, wie sein Malerkollege Georg Baselitz und später Gerhard Richter, die DDR. Er zog nach Düsseldorf, wo er bis zu seinem Tod lebte, und studierte an der dortigen Kunstakademie. Im Jahr 1961 trat er der Künstlergruppe Zero bei, die sich mit neuen Formen gegen die Erstarrung der Nachkriegszeit auflehnte.
Tschernobyl-Katastrophe als Aschebild
Immer wieder positionierte er sich mit seinen eigenen Werken politisch und reiste damit um die Welt – nach China, Russland, Ägypten, Iran, Usbekistan oder Kuba. In Peking zeigte er auf Stoff gemalte Appelle für Menschenrechte, nach der Tschernobyl-Katastrophe malte er düstere Aschebilder und engagierte sich künstlerisch und öffentlich für das indigene Volk der Navajo. In der Werkreihe „Verletzungswörter“ malte er Begriffe des Leidens und der Gewalt in verschiedenen Sprachen auf große Leinwände.
„Das Thema meiner künstlerischen Arbeit ist die Verletzbarkeit des Menschen durch den Menschen“, sagte er im Jahr 2000, als er in den Orden Pour le Mérite aufgenommen wurde. 2023 errichtete er in Weimar ein Steinmal zur Erinnerung an die Opfer des KZ Buchenwald.
Auch jenseits internationaler Museen setzte der genreübergreifende Uecker Impulse. Nachdem er in New York einmal Andy Warhols „The Dom“ besuchte, wollte er einen vergleichbaren Ort in Düsseldorf schaffen: experimentell, offen, über die künstlerischen Sparten hinweg. Gemeinsam mit Künstlerfreunden gründete er 1967 schließlich den legendären Underground Club „Creamcheese“. Ende 2023 ließ der Düsseldorfer Kunstpalast ihn wiedereröffnen als Hommage an eine Kunst, die sich nie einengen ließ.
Bis ins hohe Alter arbeitete Uecker in seinem Atelier-Speicher in Düsseldorf.
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