Uecker-Institut in Schwerin: Osmose von Kunst und Leben
Das Schweriner Günter-Uecker-Institut reflektiert die „ars activa“ des Mecklenburger Künstlers. Für ihn gehört Körpereinsatz zum Schaffen.
Hamburg taz | Er ist wohl der bekannteste Mecklenburger, 1930 in Wendorf bei Crivitz geboren – der Künstler Günther Uecker. Seine Nagel-Bilder hängen weltweit in den Museen. Auch in Schwerin, dessen Staatliches Museum die einzige Uecker-Sammlung in Norddeutschland beherbergt.
Dort hängt sein „Weißer Schrei“, weiß bemalte Reliefs aus Nägeln, deren Ausrichtung eine Dynamik von Licht und Schatten erzeugt. Neben der Schweriner Uecker-Sammlung gibt es in der Landeshauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns seit 2013 außerdem das Günther-Uecker-Institut, das GUI.
Katharina Neuburger, die wissenschaftliche Leiterin des GUI, spricht vom wuchtigen, sehr körperlichen Werk Ueckers und erläutert: „Wir haben zwei Arbeitsschwerpunkte, die kunsthistorische Forschung zu Günther Uecker zu stimulieren und Diskurse über Kunst anzustiften.“ Jährlich vergibt das GUI ein bis zwei Stipendien, und es schlägt seine Zelte temporär abseits von Schwerin auf. Ein „Tischgespräch“ bietet dann die Gelegenheit, die Aktivitäten des vorausgegangenen Jahres öffentlich zu präsentieren.
Die diesjährigen Stipendiaten Raha Golestani und Konstantin Schönfelder, die Iranerin und der Deutsche, befassen sich mit Ueckers Werkzyklus „Huldigung an Hafez“ (2015). Uecker, der so oft mit dem Hammer malte, bringt darin die Zartheit des Schreibens zur Geltung.
Hafez grafisch kommentiert
Die 42 betörend schönen Druckgrafiken enthalten Verse aus Gedichten des persischen Dichters und Mystikers Hafez, von Uecker farbenreich kommentiert. „Sobald ich lese, muss ich auch malen“, bekundet der Künstler. Und so nennen die beiden StipendiatInnen ihre Forschungsarbeit „Im All der Zeichen. Der Semionaut Günther Uecker“.
Der Grafikzyklus „Huldigung an Hafez“ wurde bislang in zahlreichen Orten des Irans gezeigt, inspirierte einheimische Künstler zu eigenen Arbeiten. Und wie der große Reisende Günther Uecker, der 1953 von Ost nach West übersiedelte und an der Kunstakademie in Düsseldorf studiert und gelehrt hat, ist auch das GUI im produktiven Sinne unstet. „Wir begreifen uns als wandernde Institution“, sagt Neuburger: „Wir sind in Schwerin verortet, lassen uns aber temporär auch andernorts nieder, aktuell in Düsseldorf.“
Es ist der aktuelle Wohnsitz des Künstlers, im November 2023 findet dort ein Workshop zum Thema „Künstlerische Handlung“ statt. Denn was passte besser zu Günther Uecker als die Reflexion über Körpereinsatz und Kunst, über die Wirkung von Zimmermannsnägeln, die der Künstler in Leinwände treibt und damit überraschende Bilder schafft?
Uecker arbeitet im Atelier in weißer Latzhose, seinem Markenzeichen, und unterstreicht damit das Körperliche seines Schaffens: „Es ist ja vielleicht noch eine gewisse Prägung aus der DDR, mich als Handwerker zu sehen und nicht als einen Intellektuellen, der sich was ausdenkt und dann geht der ins Atelier, versaut seine Klamotten und wird ein Künstler“, sagt er.
Uecker arbeitet im Atelier in weißer Latzhose und unterstreicht damit das Körperliche seines Schaffens
Um den diesjährigen Fokus des GUI zu umreißen, spricht Neuburger von der „ars activa“, anspielend auf Hannah Arendts Konzept der „vita activa“. Das GUI stellt in Düsseldorf den Aspekt des künstlerischen Tuns ins Zentrum. Lässt sich die Trennung von Kunst und Leben aufheben in der „ars activa“, wie sie Uecker verkörpert?
Das GUI provoziert das Gespräch über einen Künstler, der selbst immer wieder provoziert hat, und beweist damit die Treue zu seinem Namensgeber, der mit der Künstlergruppe Zero 1958 einen Neuanfang, eine „Stunde null“ für die Nachkriegskunst proklamierte.
Mit dem GUI ist Uecker also in Schwerin künstlerisch und aktivistisch vertreten, getragen von einem kleinen Verein. Engagiert verficht er sein Konzept wechselnder Schauplätze und Themen. So wie er 2023 Düsseldorf „bespielt“, wird es 2024 einen noch geheimen Schauplatz geben, der den Namen des GUI spiegeln soll. Als „IUG – Institut für Umwelt und Gestaltung“ geht es dann um die Verwundbarkeit des Menschen und seiner Umwelt.