Künftiger CDU-Chef Friedrich Merz: Gefährliche Projektionsfläche
Die Aufgaben, die vor Merz liegen, sind gewaltig. Wenn er floppt, könnte es mit dem Hype schnell vorbei sein.
F riedrich Merz wird an diesem Samstag mit einem guten Ergebnis zum CDU-Chef gewählt werden, vermutlich sogar mit einem sehr guten. Die allermeisten Parteitagsdelegierten werden sich an das Votum der Mitglieder halten, und die hatten sich klar für den Sauerländer ausgesprochen. Damit wird die Fallhöhe für Merz weiter steigen – und sie liegt ohnehin ziemlich hoch.
Jahrelang haben ihn seine Anhänger:innen zu einer Art Heilsbringer stilisiert, der die CDU zu alter Klarheit und Stärke bringen kann – wobei es die ersehnte alte Klarheit in Wahrheit nie gab. Merz war auch immer eine Projektionsfläche – auch für seine Gegner:innen. Doch selbst die setzen jetzt Hoffnungen in den neuen Parteichef: dass nun, da Merz es im dritten Anlauf geschafft hat, seine Anhänger:innen endlich Ruhe geben. Und dass Merz sein Versprechen einlöst, Parteichef aller Christdemokrat:innen zu sein – und nicht nur seiner wertkonservativen und wirtschaftsliberalen Fans.
Doch jetzt muss er liefern – und der Realitätsabgleich könnte ernüchternd ausfallen. Denn die Herausforderungen, vor denen der neue Parteichef steht, sind gigantisch. Er muss die Partei inhaltlich neu aufstellen und sie strukturell modernisieren. Er muss die Flügel einen und der CDU ein neues Image verpassen – weg von der zerstrittenen Altherrenpartei. Dabei steht unmittelbar ein neuer Konflikt an: um den Fraktionsvorsitz, den Amtsinhaber Ralph Brinkhaus behalten will. Und natürlich wird Markus Söder mit Blick auf die Landtagswahl im kommenden Jahr in Bayern vor allem seine eigene Profilierung und die CSU im Blick haben.
In der CDU wird jetzt stets betont, dass man auch wegen der Größe der Herausforderungen ein Team aufstellen will. Doch als Teamplayer ist Merz bislang nicht bekannt. Ob er auch anders kann, wird er unter Beweis stellen müssen.
Nagelprobe Landtagswahlen
Die erste Nagelprobe werden die drei Landtagswahlen im Frühjahr sein – allen Umfragen nach ist es völlig offen, ob die CDU die Ministerpräsidentenposten im Saarland, in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen wird verteidigen können. Sollte das – besonders in Merz’ eigenem Bundesland NRW – schiefgehen, wird das auch dem neuen Parteichef angekreidet werden. Wahlerfolge sind eben das, mit dem erfolgreiche Parteipolitik gemessen wird. Schlimmstenfalls könnte die Union sogar ihren Einfluss im Bundesrat verlieren. Merz wäre dann für einen weiteren Bedeutungsverlust seiner Partei mitverantwortlich.
Die Begeisterung für den neuen Parteichef könnte der Ernüchterung weichen und mancher Anhänger dann die Überhöhung des alten Idols verfluchen. Aus großer Höhe kann man eben auch leicht abstürzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja