Kündigungsschutz für Mieter: Was noch alles besser werden könnte
Die Wohnungswirtschaft hat Mietern einen Kündigungsschutz versprochen, wenn es im Winter mit dem Geld knapp wird. Wir hätten da noch paar Ideen.
Krisen, haben wir in den letzten Jahren gelernt, passieren in unserer spannenden Gegenwart mal nicht immer nur woanders. Einst konnten wir von der gemütlich geheizten Wohnung aus das üble Geschehen in fernen Ländern auf uns einwirken lassen; und wenn uns das zu langweilig wurde, gingen wir halt aus, ins Kino oder ins Restaurant. Lockdown und Gaskrise haben uns gelehrt, dass Selbstverständlichkeiten vieles sind – nur nicht selbstverständlich. Aber steckt nicht in allen Krisen auch eine Chance? Eine auf ein gerechteres Miteinander, mit mehr menschlicher Wärme, wenn es drinnen schon kühler sein muss?
Ein Teil der Wohnungswirtschaft hat Mieterinnen und Mietern nun einen Kündigungsschutz in der Energiekrise versprochen. Keiner solle seine Wohnung wegen krisenbedingter Zahlungsschwierigkeiten verlieren, sagte der Präsident des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, Axel Gedaschko, gestern den Zeitungen der Funke-Gruppe; und anstatt das nun wieder auf die Goldwaage zu legen, überlegen wir lieber, was noch alles besser werden könnte in der durch den russischen Überfall auf die Ukraine ausgelösten Winterkrise 22/23. Utopisch? Gewiss! Oder – mal sehen?
Mehr Zeit am Todesstreifen
Gerüchten zufolge haben es autofahrende Deutsche ja sehr schwer gerade. Der Tankrabatt ist ausgelaufen, nun heißt es blechen oder umsteigen. In meiner Berliner Nachbarschaft ist von einer solchen Krise allerdings nichts zu spüren. Jeden Morgen stehe ich mit meiner Tochter auf dem Weg zu U-Bahn und Schule an drei autoverkehrsfreundlichst geschalteten Ampeln. Da rauscht und stinkt es vorbei, da wird für den Gewinn weniger Meter das Gaspedal durchgedrückt und mit quietschenden Bremsen gestoppt, wenn die Ampel dem Fußvolk ein paar Sekunden zur hastigen Überquerung der Todesstreifen einräumt.
Es geht den deutschen Autofahrer:innen nicht schlecht, es geht ihnen deutlich zu gut. Fast alle sitzen allein in ihren zunehmend gepanzerten Fahrzeugen. Kein Wunder, hat doch der Motorisierungsgrad in Deutschland in den letzten Jahrzehnten stetig zu- statt abgenommen.
Deswegen ist meine Vision ganz kurz: Keine Autos mehr; oder mindestens dreiminütige Ampelphasen für Nichtmotorisierte. Das wäre wunderbar. Aber wo sollen die Leute hin, die mit ihren Brumbrums wohin wollen? Lesen Sie mal weiter. Ambros Waibel
Darmstadt rules
Es ist ja leider immer mal wieder so, dass geradezu geniale Ideen in der Politik nicht weit kommen. Jüngstes Beispiel: das 9-Euro-Ticket. Bundeskanzler Scholz nannte es „eine der besten Ideen, die wir hatten“. Deshalb war nach den angekündigten drei Monaten des sorgenfreien Bus- und Bahnfahrens auch erst einmal wieder Schluss, logisch. Momentan diskutieren Bund und Länder über ein 49-Euro-Ticket als Nachfolger. Okay, schon mal besser als der Status quo, aber geht das nicht auch anders? Hat die Energiekrise uns nicht klargemacht, dass sich verkehrspolitisch dringend etwas ändern muss? Und, Moment mal, was ist eigentlich mit der Klimakrise, die gibt es doch auch noch?
In einer Welt, in der wir all die Probleme ernst nähmen, die unser Konsum hervorruft, wäre es vielleicht ein wenig mehr wie zurzeit in Darmstadt. Darmstadt?! Ja, ja, richtig gelesen. Die hessische Stadt hat auf eigene Faust einen Nachfolger für das 9-Euro-Ticket eingeführt, genannt: Klimaticket. Seit 1. September bekommen Darmstädter Bürgerinnen und neu Zugezogene ein kostenfreies Ticket für den öffentlichen Nahverkehr – wenn sie nachweisen, dass sie ihr Auto abgemeldet und kein neues angemeldet haben. CO2-Schleuder gegen kostenlosen ÖPNV sozusagen. Ich war länger nicht mehr in Darmstadt, aber ich stelle mir vor, wie missgelaunte Autofahrer von der Straße und geparkte Wagen von Gehwegen verschwinden; und wie entspannte Bus- und Bahnfahrer hinzukommen. Vielleicht auch genervte, weil nun eben alles voller ist. Aber nun fängt der Stadtrat an, das öffentliche Verkehrsnetz auszubauen, Radwege, freie Fußgängerzonen, reine Luft … okay, ich komme ins Schwärmen. Reden wir also über Geld! Lale Artun
Grundeinkommen für alle
Ist das Volksbegehren über die Erprobung eines bedingungslosen Grundeinkommens gerade noch an mangelnder Beteiligung gescheitert, wird es nun von oben einfach beschlossen. Für die Dauer der Energiekrise wird jeder Bürger*in zusätzlich 1.000 Euro im Monat aufs Festgeldkonto überwiesen. Denn auch wenn die Mietzahlungen vorerst ausbleiben können, gilt: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Das Geld für die Nachzahlungen muss man bei den exorbitant steigenden Gaspreisen auch einen Monat später erst einmal aufbringen, und wer weiß, wie lange die Krise anhält. Das läppert sich. Mit dem nun doch eingeführten bedingungslosen Grundeinkommen können Verbraucher*innen selbst entscheiden, ob sie es für Heizung, Schals, Decken oder sonstige wärmespeichernde Artikel verwenden wollen. Die Verbraucher*innen fluide zu halten, hilft schließlich auch der Wirtschaft, die sich ja gerade erst wieder von den Folgen der Pandemie erholt.
Finanzminister Lindner ist sehr glücklich. Seine Maxime, dass der Mensch dem Menschen ein Faultier sei, sieht er wider Erwarten nicht bestätigt. Denn dass trotz Finanzspritze niemand mehr arbeiten könnte, ist nicht zu befürchten. Schließlich erzeugt Arbeiten Energie und Energie erzeugt Wärme und Wärme spart Heizkosten. Beste Voraussetzungen für gesteigerten Einsatz in den kalten Wintermonaten, denn mit etwas Durchhaltevermögen kann man vielleicht auch noch etwas Geld ansparen, um nach der Krise mit der Bahn in den warmen Süden zu fahren. Den Urlaub hätte man sich redlich verdient. Oder etwas anderes? Daniel Schütz
Therapie? Sofort!
Die Krise ist ein Glück für all die, die schon lange in einer Krise sind – nur eben in der falschen. Denn psychische Krisen sind keine ansteckenden Infektionen und bedrohen auch nicht den warmen Filmabend vor dem Fernseher. Daher lohnt es sich für die Regierung nicht, diesen entgegenzuwirken: bis jetzt, wo das ganze Leben eine Krise zu sein scheint. Mit einer nie zuvor dagewesenen Einigkeit folgt nun der sofortige Ausbau von zugänglichen Therapieplätzen. Die monatelangen Wartezeiten auf ein Erstgespräch gehören der Vergangenheit an, die Krankenkassen bewilligen umgehend die nötigen Klinikaufenthalte. Eine Utopie, die fast zu schön ist, um sie hier enden zu lassen. Die weiter ausgebaut und ausgeschmückt gehört – müsste man jetzt nicht los an die frische Luft. Schließlich ist der Spaziergang der einzige Lichtblick des heutigen Tages – Therapie gibt es erst in vier Monaten. Larena Klöckner
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