Kroatien schottet die EU-Außengrenze ab: Mit Schlagstöcken gegen Flüchtende
Dass Zagreb Pushbacks praktiziert, ist seit langem bekannt. Jetzt sind erneut Videos öffentlich geworden, die diese brutale Praxis dokumentieren.
Das Ergebnis zeigt einmal mehr, was die kroatische Regierung unter Sicherung der EU-Außengrenzen versteht: brutale Gewalt und systematische Verstöße gegen die Rechte von Flüchtlingen – und das Recht der EU.
Auf den Videos ist zu sehen, wie junge Männer durch ein Gebüsch an Polizisten vorbeigetrieben werden. Ein Maskierter schlägt sie auf die Beine, in den Bauch oder auf den Rücken. „Go to Bosnia“, ruft er dabei.
Kroatien ist seit 2013 zwar EU- aber kein Schengen-Mitglied. Das wird ein neuer EU-Staat erst, wenn die übrigen Schengen-Mitglieder offiziell feststellen, dass das Land die Außengrenzen verlässlich sichert. Bulgarien und Rumänien warten schon seit 2007 auf die Schengen-Aufnahme.
Beteiligung Sloweniens
Um 2017 herum hat Kroatien begonnen, Flüchtlinge mit Gewalt zurück nach Serbien, Montenegro und vor allem nach Bosnien zu treiben. Allein im ersten Halbjahr 2018 hatte das UN-Flüchtlingswerk UNHCR 1.954 dieser Zurückweisungen anhand von Schilderungen Betroffener dokumentiert.
Seitdem gibt es durchgängig entsprechende Berichte. Auch Slowenien ist an dem Vorgehen beteiligt: Dort von der Polizei aufgegriffene Flüchtlinge werden teils nach Kroatien zurückgebracht und von dort mit Gewalt nach Bosnien geschafft.
Bei diesen Aktionen kommen auch Hunde zum Einsatz, teils müssen die Menschen lange in kalten Gewässern stehen. Solche Folter ähnlichen Praktiken sollen sie hindern, einen erneuten Grenzübertritt zu versuchen. Mehrfach war es Aktivisten mit versteckten Kameras gelungen, Aufnahmen von diesen Aktionen zu machen. Die kroatische Regierung stritt jedoch alles ab.
Eine Ausnahme bildete ein Interview der damaligen kroatischen Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović von 2019. Damals hatte das Schweizer Fernsehen Aufnahmen der Pushbacks gesendet. Grabar-Kitarović sagte daraufhin, dass es eben „ein bisschen Gewalt“ brauche.
Schock und Sorge
Das sehen offenbar auch andere so: Vor dem Treffen der EU-Innenminister am Freitag lobte der österreichische Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), Koalitionspartner der Grünen, dass Mitgliedsländer wie Kroatien und Griechenland an den EU-Außengrenzen „hervorragende“ Arbeit leisteten.
Die EU hatte Kroatien zwar mehrfach für die Pushbacks kritisiert, diese aber nie unterbunden. Am Donnerstag nannte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson die Videos „schockierend“, und sagte, sie sei „sehr besorgt“. Es gebe Anzeichen orchestrierter Gewalt an den EU-Außengrenzen. Zudem scheine es überzeugende Beweise zu geben, dass EU-Geld in diesem Zusammenhang missbraucht werde. Dies müsse gründlich untersucht werden, so Johansson.
Sie verwies darauf, dass es mittlerweile einen unabhängigen Überwachungsmechanismus an der kroatischen Grenze gebe. Ihre Behörde habe in den Gesprächen mit Zagreb monatelang darauf gedrungen.
Der grüne EU-Abgeordnete Erik Marquardt nannte diesen Mechanismus „ein reines Feigenblatt“. Das Geld dafür fließe an das kroatische Innenministerium, das mehrfach gezeigt habe, dass es kein Interesse an Menschenrechtsbeobachtung hat. „Kroatien kann nicht Mitglied im Schengenraum werden, solange das Land an seinen Grenzen systematisch Menschen misshandelt“, sagte Marquardt.
Versäumnisse der Kommission
Eine der ersten NGOs, die die gewalttätige Pushbacks an den EU-Außengrenzen dokumentierte, war das Border Monitoring Network. „Die Kommission hat trotz erdrückender Beweise, versäumt, gegen die Pushbacks vorzugehen“, sagte Mitgründer Bernd Kasparek.
Denkbar gewesen sei die Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren, der Abzug der europäischen Grenzschutzagentur Frontex aus Regionen, in denen Pushbacks stattfinden oder die Sperre von Geldern aus europäischen Grenzverwaltungsfonds, sagte Kasparek.
Die Zunahme der Pushbacks an Europas Grenze sei auch eine „Krise des europäischen Rechtstaats“, denn die tagtägliche Gewalt gegen Schutzsuchende bedrohe „auch den demokratischen und rechtstaatlichen Charakter des europäischen Projekts.“
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