Moskautaz | In Russland hofft man auf einen Boom nach dieser Weltmeisterschaft. Die Großmacht will auch im Fußball groß werden: Wäre doch gelacht, wenn das angesichts der vielen Menschen in diesem Land nicht klappen sollte. Bislang zählt man zwar nur halb so viele Fußballer wie in Deutschland, aber mit der WM und vielen unterstützenden Maßnahmen soll sich das ändern.
Die Zahl der Fußballfelder hat sich in den letzten Jahren von 18.000 auf 26.000 erhöht. Zudem hat der russische Fußballverband das Programm „Strategie 2030“ gestartet, das auf eine Verbesserung der Nachwuchsstrukturen abzielt. Vor einem Jahr war das. Etwas spät, aber immerhin.
In China denkt man ähnlich. Es gibt einen Staatsplan für den WM-Titel. Spätestens 2048 soll die Feier steigen. Die Massen talentierter Fußballer werden an einzelnen Standorten zusammengeführt. In Guangzhou im Südosten Chinas trainieren 3.000 Kinder in einer eigens gebauten kleinen Fußballstadt.
Doch gerade diese WM in Russland lässt Zweifel aufkommen, ob Riesentanker wendig genug sind, um im Weltfußball zielgenau zu navigieren. Uruguay, wo in etwa so viele Menschen wie in Berlin zu Hause sind, scheiterte erst im Viertelfinale nach großem Kampf gegen das favorisierte Frankreich.
WM 2018: Und raus bist du!
Kroatien ist bei dieser WM genau genommen nicht ausgeschieden. Das Finale haben sie trotzdem mit 2:4 gegen Frankreich verloren. Und Mandzukic (Foto) geht als erster Eigentorschütze in die WM-Geschichte ein.
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Belgien verliert das Halbfinale mit 1:0 gegen Frankreich. Im Spiel um den dritten Platz können die Belgier jedoch punkten: sie gewinnen 1:0 und erklimmen damit das WM-Treppchen. Ein historischer Erfolg.
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Ein zerplatzer Traum: Die letzte WM-Finalteilnahme der Engländer war im Jahr 1966 im eigenen Land. Auch dieses Mal hat's nicht gereicht; die Mannschaft verliert im Halbfinale 2:1 gegen Kroatien. Auch im Spiel um den dritten Platz müssen sie sich geschlagen geben: Belgien gewinnt 1:0.
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Igor Akinfeew, im Achtelfinale gegen Spanien noch Elfmeterkiller, muss diesmal zu oft hinter sich schauen. Dennoch: Das in der Fifa-Rangliste schwächste Team hat sich hervorragend geschlagen, Zeiter in der Gruppe A, Spanien rausgeworfen, gegen Kroatien im Viertelfinale gut mitgehalten. Tolles Heimturnier.
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Weit gekommen, gut verteidigt, Deutschland und die Schweiz rausgeschmissen: Schweden scheitert erst im Viertelfinale mit 0:2 gegen England.
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Brasilien war stark. Aber Belgien war stärker. Das Aus für Neymar und Co kam im Viertelfinale nach einem 1:2.
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Uruguays Torwart Muslera patzt: Frankreich gewinnt das erste Viertelfinale mit 2:0, die Urus (ohne den verletzten Cavani) sind raus. Dennoch: Starker WM-Auftritt von Uruguay. Souverän in Gruppe A gewonnen und ein gutes Achtelfinale gegen Portugal abgeliefert.
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Achtelfinale. England gewinnt gegen Kolumbien. England gewinnt gegen Kolumbien im Elfmeterschießen. Kein Witz. Kolumbien fährt heim.
Die Schweizer können ihrer Favoritenrolle nicht gerecht werden. Emil Forsberg erzielt für Schweden in der 65. Minute den einzigen Treffer des müden Achtelfinales. Michael Lang (Schweiz, Foto) schleicht vom Platz.
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Japan schockt im Achtelfinale die favorisierten Belgier mit einem Doppelschlag nach der Pause: erst Haraguchi, dann Inui (Foto). Doch Belgien kommt zurück und schafft mit einem Tor in der Nachspielzeit den Lucky Punch. Japan muss heimfahren.
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Torhüter Guillermo Ochoa kann dem Ball nur noch entgeistert hinterhergucken - das 2:0 durch den Brasilianer Willian besiegelt das Ausscheiden von Mexiko, das einigen bis dahin als Geheimfavorit gegolten hatte.
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Kroatien setzt zum Jubel an, Dänemark versteift. Erst im Elfmeterschießen konnten sich die Kroaten durchsetzen und treffen im Viertelfinale auf Russland. Dänemark scheidet als starke Defensivmannschaft im Achtelfinale aus.
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Russlands Torwart Akinfeew hält im Elfmeterschießen zwei Elfer, einen von Koke (im Bild). Die sehr defensiv spielenden Russen kommen ins Viertelfinale. Für Spanien, den Weltmeister von 2012, ist im Achtelfinale Schluss.
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Ein schönes, faires, sportliches Bild: Cristiano Ronaldo (Portugal, r.) führt den verletzten Edinson Cavani (Uruguay), der zuvor zweimal getroffen hatte, vom Feld. Wenn es ums Ergebnis geht, ist das Bild spiegelverkehrt. Uruguay ist mit weiter, Portugal scheidet im Achtelfinale nach einer 1:2-Niederlage aus.
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Argentiniens Torwart Franco Armani fliegt umsonst: Benjamin Pavard trifft zum 2:2. Frankreich gewinnt das erste Achtelfinale der WM mit 4:3 und zieht ins Viertelfinale ein. Argentinien ist raus!
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Vorrundenaus: Senegal, 4 Punkte, 4:4 Tore, Gruppe H: einmal gewonnen, ein Unentschieden, einmal verloren. Punkt und torgleich mit Japan. Raus wegen Fairplay: Japan hatte am Ende zwei gelbe Karten weniger. Ganz bitterer Abschied für Senegal.
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Polen, 3 Punkte, 2:5 Tore, Gruppe H: Seit 12 Jahren hat Polen mal wieder an einer WM teilgenommen, die Erwartungen der Fans waren hoch. Aber Robert Lewandowski und seine Mitspieler lieferten nicht.
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Panama, 0 Punkte, 2:11 Tore, Gruppe G: Panama hatte bei seiner ersten WM nicht das größte Glück, mit Belgien und England als Gruppengegner. Aber: Die Mittelamerikaner haben ihr erstes WM-Tor geschossen – gegen England! Gegen Tunesien hätte es fast noch zu einem Punkt gereicht. Fast.
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Tunesien, 3 Punkte, 5:8 Tore, Gruppe G: Tunesien war neben Marokko das einzige Außenseiterteam, das versuchte, offensiv zu spielen. Auffällig war, dass die Tunesier am Anfang (Minuten 0 bis 10) und am Ende des Spiels (85. Minute bis Ende der Nachspielzeit) schwach waren. Nach einem knappen Sieg gegen Panama schieden sie aus.
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Deutschland, 3 Punkte, 2:4 Tore, Gruppe F: Schland unter, das war's. Der amtierende Weltmeister und Gruppenfavorit verliert gegen Mexiko und Südkorea und scheidet damit in der Vorrunde aus. Verdient.
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Südkorea, 3 Punkte, 3:3 Tore, Gruppe F: So sehen glückliche Verlierer aus. Trotz WM-Aus kann sich Südkorea über ein verdientes 2:0 gegen Deutschland freuen. Die Südkoreaner scheiden als Gruppendritter vor Deutschland aus dem Turnier aus.
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Costa Rica, 1 Punkt, 2:5 Tore, Gruppe E: Im letzten Spiel sicherte man sich knapp noch einen Punkt. Geholfen hat es nicht: Das Team muss nach der Vorrunde nach Hause fahren.
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Serbien, 3 Punkte, 2:4 Tore, Gruppe E: Zuletzt traf Serbien 2014 in einem Freundschaftsspiel auf Brasilien – und gewann mit 1:0. Vier Jahre später verlieren die Serben 0:2. Damit sind sie raus aus dem Turnier.
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Island, 1 Punkt, 2:5 Tore, Gruppe D: Island ist das Team, dass irgendwie jeder mag. Die Isländer spielen körperbetont, aber nicht unfair und sie agieren als Team. Bei ihrer ersten WM-Teilnahme konnten sie zwar nicht in die K.o.-Phase vordringen, aber sie haben mit drei guten Partien gegen starke Teams eine gute Premiere hingelegt.
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Nigeria, 3 Punkte, 3:4 Tore, Gruppe D: Ach ja, Nigeria. Es ist in den letzten vier Weltmeisterschaften immer dasselbe: Man ist mit den Argentiniern in der Gruppe, um knapp an ihnen zu scheitern.
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Australien, 1 Punkt, 2:5 Tore, Gruppe C: Australien hat in dieser WM mal wieder überrascht. Aufgrund ihres Kaders, der größtenteils mit Spielern aus zweitklassigen Ligen besetzt ist, wurden die Australier mehr oder weniger abgeschrieben. In einer schweren Gruppe konnten sie aber mit jedem Gegner mithalten – fast.
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Peru, 3 Punkte, 2:2 Tore, Gruppe C: Peru hat die leidenschaftlichsten Fans der WM – eine riesige WM-Euphorie. Im letzten Spiel zeigten die Peruaner dann, wie stark sie wirklich sind und besiegten Australien mit 2:0.
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Marokko, 1 Punkt, 2:4 Tore, Gruppe B: Marokko ist der Pechvogel der WM. Gegen Iran verlor man wegen eines Eigentores in der 95. Minute. Marokko hat außerdem, im Gegensatz zu vielen Underdogs, das ganze Turnier über versucht, offensiv zu spielen. Gegen Portugal und Spanien war das Team durchaus ebenbürtig.
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Iran, 4 Punkte, 2:2 Tore, Gruppe B: Der Iran hat bei der WM positiv überrascht. Besonders beeindrucked war, dass die Iraner sich von Spiel zu Spiel verbessert haben. Sie brachten sowohl Spanien als auch Portugal ins Schwitzen.
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Ägypten, 0 Punkte, 2:6 Tore, Gruppe A: Auch Ägypten stellte einen Rekord auf. Im Tor vertraute das Team auf den ältesten Spieler der WM-Geschichte, den 45-jährigen Torwart El-Hadary. Ansonsten bot Ägypten ohne Mohamad Salah im 1. Spiel gegen Uruguay offensiv nichts, Salahs zwei Tore in den anderen Spielen halfen auch nicht mehr.
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Saudi-Arabien, 3 Punkte, 2:7 Tore, Gruppe A: Saudi-Arabien hat einen speziellen Rekord aufgestellt. Mit 5:0 erlitten die Saudis eine der härtesten Eröffnungspleiten der WM-Geschichte. Trotzdem sind sie nicht so schlecht aufgetreten wie erwartet.
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Belgien, das nicht an die Einwohnerzahl von Moskau herankommt, wurde Dritter. Kroatien, das nicht an die Einwohnerzahl von Sankt Petersburg herankommt, gelangte ins Finale. Ganz zu schweigen von der Auswahl Islands, die sich aus etwa 334.000 Menschen rekrutierte und für die WM qualifizierte. Russische Städte mit so wenig Einwohnern kennt man nicht einmal mit Namen. Die Quali hätte Russland in seiner Form vor der WM wohl kaum geschafft. Nur die Gastgeberrolle ersparte dem Land die Pein.
Kleine flexible Systeme
Bevölkerungsarme Staaten bestechen durch ihre Effizienz. Wenn man es klug anstellt, kann gerade aus einem kleinen Reservoir ein Weltklasseteam entstehen. Für seine vortreffliche Nachwuchsarbeit ist etwa der kroatische Klub Dinamo Zagreb lange bekannt. Das Internationale Zentrum für Sportstudien sah den Verein in einer Untersuchung vor drei Jahren europaweit auf dem vierten Platz.
Ein Vorteil gegenüber Ländern und Vereinen mit großen Ressourcen ist die Flexibilität. Es regiert weniger Schema F als das gute Auge. Den kleinen, schmächtigen Jungen namens Luka Modrić, der von anderen Vereinen zuvor abgewiesen wurde, nahm man bei Zagreb einst auf und bildete ihn zum Weltklassespieler aus.
In Belgien sticht der RSC Anderlecht mit seiner integrativen Jugendarbeit hervor. Der Verein funktioniert wie ein Schmelztiegel der Kulturen. Trainer und Spieler entstammen einem bunten Mix.
Wallonen, Flamen und Migrantenkinder zentral- und nordafrikanischer Herkunft arbeiten hier vereint. Jugendtrainer Stéphane Stassin erklärte dem Onlineportal Goal: „Wir folgen hier der Idee, dass Fußballer Menschen sind und keine Produkte, die den maximalen Gewinn bringen sollen, sei es sportlicher oder finanzieller Natur.“ Romelu Lukaku hat hier das Fußballspielen gelernt. Die europäischen Topklubs bedienen sich mittlerweile schon frühzeitig aus den belgischen Jugendakademien.
Das Phänomen ist nicht neu. Die Niederlande haben über Jahrzehnte eine führende Rolle im Weltfußball gespielt. Portugal hat gerade mit seinen Nachwuchsteams immer wieder große Erfolge gefeiert. Kleine, flexible Systeme sind den großen oft überlegen – das gilt erst recht im Fußball.
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Ein wirklich interessanter Artikel und toll um darüber Nachzudenken , aber ich glaube dem Autor ist ein Denkfehler unterlaufen.
Ich denke er übersieht bei seiner Argumentation, dass sehr viele kleine Länder den wenigen großen Ländern gegenüberstehen. Deshalb erscheinen diese so Erfolgreich.
Um die These des Autors zu überprüfen (kleine Länder sind besser weil flexibler), müsste er aber eine bestimmte Anzahl kleiner Länder mit der gleichen Anzahl großer Länder vergleichen.
Dabei müssten andere Faktoren möglichst gleich sein.
Da bei einem einzelnen Turnier auch der Zufall eine große Rolle spielt ist es außerdem besser einen längeren Zeitraum zu betrachten.
Meiner Einschätzung nach gibt es 3 Hauptfaktoren für den langfristigen Erfolg eines Landes.
1. Die Bevölkerungsgröße.
2. Popularität des Fußballs in dem Land.
3. Finanzielle Ressourcen, damit eine professionelle Nachwuchsarbeit betrieben werden kann.
Natürlich kann auch ein kleines Land mal eine goldene Generation hervorbringen oder einfach Glück haben, aber es ist viel schwerer für sie Erfolgreich zu sein.
Dazu folgende Überlegung:
In Europa gibt es über 40 Länder und die meisten haben zumindest einen mittleren Entwicklungsindex (Faktor 3). Außerdem ist Fußball in vielen dieser Länder recht populär (Faktor 2).
Mit Ausnahme Russlands waren alle diese Länder mindestens einmal Weltmeister. BRD und Italien sogar jeweils 4 mal. Von den anderen über 30 kleineren europäischen Ländern ist kein einziges jemals Weltmeister geworden !!!
Das macht die These, dass die Bevölkerungsgröße ein Nachteil ist doch ziemlich unwahrscheinlich.
Deshalb halte ich die These des Autors (große Nationen können nur nach Schema f vorgehen) für falsch. Ich glaube, dass sowohl kleine als auch große Länder gute und kreative Nachwuchsarbeit leisten können. Die größere Auswahl erhöht die Chancen der Großen aber massiv.
Mehr noch, speziell Island zeigt, dass Talent wahrscheinlich eine fast unbegrenzte Ressource ist. Ein so kleines Land mit nur ca. 170.000 männlichen Einwohnern stellt Weltklassemannschaften im Fußball *und* im Handball der Herren sowie im Schach! Im Grunde steckt alles in jedem Menschen -- man muss es nur heben. Die Isländer wissen anscheinend, wie das geht; vielleicht sind Begeisterung und Lockerheit Schlüsseleigenschaften dazu. Lernt davon! Dann stellt bald jedes Kleckerdorf tolle Mannschaften, die es mit Brasilien aufnehmen!
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