Kritik an WM 2022 Katar: Vielleicht lieber woanders kicken
England, Australien, die Niederlande: Immer mehr Länder fordern, die Vergabe der WM an Katar zu überdenken. Ausgeschlossen ist eine erneute Abstimmung nicht.
BERLIN dpa | Nach den neuen Korruptionsvorwürfen gegen den WM-Gastgeber Katar werden die Forderungen nach einer Neuvergabe des Fußball-Weltturniers immer lauter. Vor allem die Nationen, die mit ihren Bewerbungen um die Weltmeisterschaft zuletzt unterlagen waren, üben heftige Kritik und setzen den Weltverband unter Druck.
Wie zuvor schon der Weltverbands-Vize Jim Boyce schloss Lord Peter Goldsmith, Mitglied der unabhängigen Fifa-Reformkommission, eine neue Abstimmung über das Weltturnier in acht Jahren nicht aus. „Wenn es bewiesen ist, dass die Entscheidung, Katar die WM zu geben, durch Bestechung und unangemessene Einflussnahme herbeigeführt wurde, dann sollte diese Entscheidung nicht mehr stehen“, sagte der frühere britische Generalstaatsanwalt dem BBC-Hörfunk.
Scheich Salman bin Ebrahim Al Khalifa hat sich als Präsident des Asiatischen Fußball-Verbandes AFC auch „sehr besorgt“ gezeigt. Der Zuschlag für Katar bedeute sehr viel für den Kontinent, sagte der Bahrainer in einer Stellungnahme am Montag. Er sei aber überzeugt, dass die Organisatoren „alles tun werden, um die Zweifel zu beseitigen“.
Auch Australien pocht nach der Bewerbungs-Niederlage gegen das Wüsten-Emirat auf eine neue Chance. „Es ist eine ernsthafte Entwicklung, es sind ernsthafte Vorwürfe und wir wollen sehen, was die Antwort sein wird“, sagte der nationale Fußball-Chef David Gallop bezüglich der Fifa-Ermittlungen wegen des Verdachts der Bestechung beim Votum für Katar. Die Zeitung The Australian schrieb zudem am Montag, dass der Verband eine erneute Kandidatur in Betracht ziehe, sollte dem Wüsten-Emirat die WM 2022 entzogen werden.
Bis dahin ist es aber trotz der Enthüllungen der Sunday Times, die von vermeintlichen Zahlungen des ehemaligen Spitzenfunktionärs Mohamed bin Hammam in Höhe von fünf Millionen Dollar an Offizielle berichteten, noch ein weiter Weg. Selbst wenn der Bericht von Fifa-Chefermittler Michael Garcia eine Neu-Ausschreibung nahelegt, ist mit einem Gang durch alle Instanzen der Sport- und Zivilgerichtsbarkeit zu rechnen.
Überwältigende Beweise
Auf eine neuerliche Vergabe drängt auch der Vorsitzende des englischen Fußball-Verbands, Greg Dyke. „Einige der Beweise sind ziemlich überwältigend“, sagte er bei Channel 4. Der BBC erklärte Dyke: „Wenn es sich zeigt, dass es ein korrumpiertes System gab und dass die Leute, die gewonnen haben, Schmiergeld und andere Mittel genutzt haben, um Stimmen zu bekommen, dann muss es natürlich erneut vergeben werden.“ England hatte sich zwar um die Weltmeisterschaft 2018 beworben und war damit Russland unterlegen, zürnt aber immer noch über diese Entscheidung.
Der niederländische Fußball-Verband KNVB sprach sich in einer offiziellen Stellungnahme ebenfalls für eine Neuvergabe aus, sollten sich die Vorwürfe bestätigen. „Die Integrität unserer Wettbewerbe und Fußball-Turniere ist von größter Wichtigkeit für unseren Sport“, hieß es in dem Statement.
Katar hatte sich bei der Vergabe im Dezember 2010 neben Australien auch gegen die USA, Südkorea und Japan durchgesetzt. Deren Bewerbungschef Yuichiro Nakajima drängt angesichts der neuerlichen Anschuldigungen gegen Katar auf weitgreifende Maßnahmen: „All dies weist auf die Notwendigkeit für große Reformen hin, wie die Fifa geführt werden muss.“
Deutsche Profis lustlos
Den Profis aus der Bundesliga ist die Lust auf eine WM im Emirat ebenfalls vergangen. 61,6 Prozent der 220 Spieler, die an einer Befragung des Fachmagazins Kicker teilnahmen, votierten dafür, Katar die WM wieder zu entziehen. 16,1 Prozent stimmten bei der entsprechenden Frage mit Nein. 22,3 Prozent war es egal.
Der erneut ins Zwielicht geratene Fifa-Vizepräsident und Chef des afrikanischen Verbands, Issa Hayatou, wies hingegen alle Anschuldigungen zurück. Die Vorwürfe gegen ihn nannte er in einer Stellungnahme „fantasievoll“ und lächerlich. Die Sunday Times hatte berichtet, dass Bin Hammam dutzende afrikanische Funktionäre mit Zahlungen und anderen Zuwendungen in ihrem Votum bei der WM-Vergabe beeinflusst hätte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken