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Kritik an PolizeinachwuchsStimmung wird gemacht

Senatsmitglieder äußern sich zu Vorwürfen gegen Polizeischüler. SPD-Politiker Özdemir: Interkulturelle Öffnung der Polizei ist unvollständig.

Sehen doch ganz manierlich aus: Berliner Polizeischüler bei einem Besuch der Presse in der Akademie am vergangenen Freitag Foto: dpa

Zu den Vorwürfen gegen Polizeischüler mit Migrationshintergrund haben sich jetzt auch Senatsmitglieder geäußert. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte der Berliner Morgenpost, es müsse „lückenlos“ aufgeklärt werden, ob die Behauptungen zuträfen. „Wenn es stimmen sollte und mehrfach zu solchen Missständen gekommen ist, ist das untragbar und muss Konsequenzen haben“, sagte Müller. „Es muss jedem bewusst sein, dass er Vorbild ist, wenn er bei der Polizei arbeitet.“

Auch Innensenator Andreas Geisel (SPD) nimmt die Vorwürfe nach eigenen Angaben „sehr ernst“. Er wehre sich aber „dagegen, dass hier – fahrlässig oder vorsätzlich – Stimmung gegen die Polizei gemacht wird“, teilte er am Freitag mit. Inhaltlich werde er sich erst äußern, wenn ihm seriöse Informationen vorlägen. Geisel bekannte sich „ausdrücklich zu PolizistInnen mit Migrationshintergrund: „Eine moderne Hauptstadtpolizei muss ein Spiegelbild unserer Gesellschaft sein.“

Kritisch nahm Orkan Özdemir die Beschuldigungen ins Visier. Der integrationspolitische Sprecher der SPD-Fraktion in der BVV Tempelhof-Schöneberg ordnete sie in einem Kommentar auf seiner Facebook-Seite als Angriff auf „muslimisch markierte Polizeianwärter“ ein. Sie zeigten, dass „die positiv zu bewertende interkulturelle Öffnung vielen ‚alt-eingesessenen‘ Polizisten in der Stadt schwer aufstößt“.

Özdemir vermisst eine Strategie, die die Veränderungen beim Polizei­nachwuchs begleiten müsse: „Was hier fälschlicherweise als interkulturelle Öffnung bezeichnet wurde, ist in Wahrheit eine personelle Diversityoffensive gewesen.“ Es müssten aber gleichzeitig „die alteingesessenen weißen Kolleg*innen empowert werden, um mit den neuen Gesichtern in den eigenen Reihen, die sie bislang mit Kriminalität in Verbindung brachten und als ‚Feind‘ empfinden, umzugehen“.

Eine dem Polizeipräsidium zugespielte Audiodatei und ­anonyme Aussagen hatten ein Bild von Disziplinlosigkeit migrantischer Schüler an der Polizeiakademie in Spandau gezeichnet. Auch eine Verbindung von Schülern zu kriminellen Clans war hergestellt worden. Die CDU hatte diese Vorwürfe aufgegriffen. Ein Sprecher der Gewerkschaft der Polizei hatte sich in der taz skeptisch zu den Behauptungen geäußert.

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8 Kommentare

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  • Die Vorwürfe sind offenbar laut Polizeileitung unwahr: Kein bekannter "Clan" ist in der Berliner Polizei vertreten. Polizeipräsident Klaus Kandt nennt solche Behauptungen "definitiv falsch".

    Wie wäre es, die Polizei nimmt sich mal eines wirklich wichtigen Problemes an, von dem wir seit dem NSU wissen und das auch Neonazi-Aussteiger Manuel Bauer auf den Punkt bringt:

    "Außerdem seien bei Nazi-Treffen immer wieder Polizisten hilfreich, die der Szene "versteckte Hinweise" gäben. So wüssten die Skinheads vor Aufmärschen oft von Beamten, "wo die Kollegen verstärkt Streife fahren". Bauer berichtet von einem Polizisten, der sich aus Thüringen in die Oberpfalz zurückversetzen ließ. Seine Begründung lautete: "Dort war die Polizei ein einziger brauner Sumpf."" (http://www.sueddeutsche.de/bayern/neonazi-aussteiger-manuel-bauer-deckname-pistole-1.1226570-2)

     

    Während rechter Mainstream (Focus bis AfD) nun Stimmung gegen Migranten machen, sollten im Gegenteil mal die richtigen Prioritäten gesetzt werden!

  • Entschuldigung - das stinkt doch bis zum Himmel.

     

    In anderen deutschen Medien (Focus, Welt) wurde dies schon länger angesprochen und klingt komplett anders.

    Dort klingt es nach einer Unterwanderung der Polizei durch Typen die anscheinend irgendeinem "Spaghettimonster" näher stehen als unserer Verfassung.

     

    In der taz wiederum klingt das alles so als wäre das nur die Hirngespinnste von ein paar Rassisten.

     

    Was stimmt jetzt. Machen Focus und Welt "Stimmung" und schüren Ängste oder formulierts die taz mal wieder positiv damit nicht ist was nicht sein darf und man nicht von der falschen Seite Applaus bekommt.

     

    Mein Problem ist, dass in Berlin unter irgendeinem Multi-Kulti-Hirnfurz auf einmal Abu-Chacker-Clan-Mitglieder mit vorhandener Strafakte (laut Welt) auf einem die Polizei "bereichern" soll halte ich für absolut glaubhaft.

     

    ///

    "Sie zeigten, dass „die positiv zu bewertende interkulturelle Öffnung..."

    Da steht ja schon - es MUSS positiv bewertet werden, vollkommen unabhängig ob es tatsächlich so ist.

  • "Kritisch nahm Orkan Özdemir die Beschuldigungen ins Visier."

     

    So sprach er dann von "muslimisch markierten Polizeianwärtern", von "personeller Diversityoffensive", von "empowert werden".

     

    Das scheint mir weniger kritisch, als auf geradezu verrückte Weise unverständlich zu sein, ebenso wie die implizite und eindeutig falsche Behauptung, die "alteingesessenen Polizisten" seien "weiß", was – so könnte man vermuten – wohl heißen soll: irgendwie nicht-muslimisch homogen.

     

    Die im Raum stehenden Vorwürfe besagen, dass Kriminelle bzw. Personen mit Kontakten ins kriminelle Milieu auf dem Weg in den Polizeidienst sind. Dies ist entweder falsch oder richtig. Özdemirs Ausführungen tragen zur Klärung nichts bei.

  • Die Polizei ein Spiegelbild der Gesellschaft? Niemals! Wenn in der Gesellschaft Moral, Vernunft und Anstand durch Banker, Spekulanten und Karrieristen abgeschaft werden, muß die Polizei die moralische Instanz sein und bleiben. Wenn sie diese Prämisse aufgibt, wird sie korrupt und verliert ihre Neutralität.

    • @finches:

      sie verklären die Polizisten, das sind keine besseren Menschen, die sind genau so korrupt wie andere Menschen und der Anteil der Rassisten ist 2-3 mal so hoch als in der Gesamtbevölkerung.

  • Man möchte schreien angesichts der Vehemenz, mit der Özdemir auch nur die Möglichkeit leugnet, es könnte ein solches Problem geben. Stattdessen erhebt er den Vorwurf der Moslemfeindlichkeit. Es ist nicht jede Kritik an Personen muslimischen Glaubens Islamfeindlichkeit. Genauso wenig wie Kritik an Leuten wie Seehofer Christenfeindlichkeit bedeutet, nur weil der katholisch ist (ist er doch, oder?).

    Sollten tatsächlich die Sprösslinge arabischer Clans Polizeilaufbahnen einschlagen, bedeutet das eine Erosion des Staatswesens und die hiesigen Verhältnisse nähern sich denen in der arabischen Welt an.

    Es gab doch bereits Fälle, in denen Polizisten aus diesem Milieu vor Razzien gewarnt oder Ermittlungen sonstwie behindert haben. Man kann auch Toleranz und Vielfalt leben, ohne ein halbwegs funktionierendes Gemeinwesen gegen Korruption und das Recht des Stärkeren zu opfern.

    • @Frank Martell:

      am besten ist wir markieren diese Menschen aus den arabischen Clans wie wärs denn mit einem gelben Stern?

       

      du plädierst hier für Sippenhaft, die ist aus gutem Grund schon längst abgeschafft.

      • @Marcus Kochalski:

        Ich gehe gerne auf Ihre Argumente ein, finde es aber unpassend Ihrerseits, mit einem Nazivergleich in eine Diskussion einzusteigen.

        Sicherlich sollte niemand für die Vergehen seiner Verwandtschaft Nachteile erleiden, mich interessiert aber, was Sie vorschlagen, wenn eine Familie als kriminell Organisation geführt wird? Wollen Sie 12.000 Polizisten so eng überwachen, dass sie die Weitergabe von Informationen umgehend zuordnen können? Ich wäre übrigens genauso abgeneigt, wenn Polizisten aus irgendwelchen Nazi-Parallelstrukturen rekrutiert werden.