Kritik an Netzfusion: „Wirtschaftliche Macht ist gefährlich“
Mit der Fusion von Telefónica und E-Plus gibt es nur noch drei große Unternehmen. Das kann teuer werden, sagt der grüne Finanzpolitiker Gerhard Schick.
taz: Herr Schick, künftig können Handykunden in Deutschland nur noch zwischen drei großen Anbietern wählen: Telekom, Vodafone und O2. Denn die EU hat gerade die Fusion von Telefónica/O2 und E-Plus genehmigt. Warum befürchten Sie, dass wir uns auf höhere Preise einstellen müssen?
Gerhard Schick: Eine geringere Zahl von Anbietern bedeutet häufig auch weniger Wettbewerb. Die Kunden haben dann nur noch eine eingeschränkte Auswahl. Sie müssen Preise und Produkte akzeptieren, die sie bei größerer Auswahl ablehnen würden. Das ließ sich gut beobachten, nachdem 2006 die EU-Kommission der deutschen T-Mobile erlaubte, den österreichischen Konkurrenten Telering zu schlucken. Die Preise zogen an – ein Beleg dafür, dass Marktmacht schädlich sein kann.
Die EU-Kommission verspricht, Preissteigerungen zulasten der Kunden zu verhindern. Warum haben Sie Zweifel?
Preise bilden sich in erster Linie am Markt. Wenn ein mittelgroßer Anbieter wie E-Plus verschwindet, kann er die Telekom oder Vodafone nicht mehr mit niedrigeren Kundenpreisen unter Druck setzen.
Laut Statistischem Bundesamt sind die Mobilfunkpreise seit 1995 auf ein Drittel gesunken. Dieser Befund widerspricht Ihrer Befürchtung.
Nein, diese Preissenkungen haben stattgefunden in Zeiten intensiven Wettbewerbs. Die Vergangenheit kann hier kein Beleg für die Zukunft sein. Die Fusionskontrolle muss immer präventiv handeln und dafür sorgen, dass eine ausreichende Zahl von Unternehmen auf dem Markt ist.
42, ist Abgeordneter der Grünen-Fraktion und stellvertretender Vorsitzender des Finanzausschusses im Bundestag.
In Deutschland gibt es noch kleine Anbieter wie Drillisch, die die Preise der Großen unterbieten. Diesen muss Telefónica nun besseren Zugang zu ihrem Netz ermöglichen. Die EU-Kommission scheint auf den Wettbewerb zu achten.
Die EU macht zwar ein paar Auflagen. Aber die sind viel zu schwach und helfen eher den anderen großen Anbietern. Die beherrschenden Netzanbieter können den kleinen Konkurrenten zunehmend die Bedingungen diktieren. Denn es sind ja nur virtuelle Konkurrenten, die von der Netzinfrastruktur der Großen abhängig sind.
Sie sagen, dass rund 150 transnationale Konzerne knapp die Hälfte der Weltwirtschaft dominieren. Abgesehen von Preisen und Produktqualität – welche Nachteile sehen Sie im Einfluss großer Unternehmen?
Wirtschaftliche Macht ist gefährlich für die freiheitliche Gesellschaft. Wenn die Gewinne bei wenigen Unternehmen und Menschen landen, kann die Ungleichheit so stark wachsen, dass der soziale Zusammenhalt nachlässt. Beherrschende Konzerne haben zudem die Tendenz, die Politik mit Parteispenden und Lobbyarbeit zu beeinflussen und ihre Interessen an den demokratischen Verfahren vorbei durchzusetzen. Das tut der Demokratie nicht gut. Die ökologischen und sozialen Herausforderungen werden wir nicht meistern, wenn eine kleine Gruppe profitorientierter Unternehmen die Wirtschaftspolitik prägt.
Wie ließe sich die Fusionskontrolle in Europa verbessern?
Die EU-Kommission muss sich unabhängiger machen von Brancheninteressen und auch mal eine Fusion verbieten. Zweitens brauchen wir eine Reform zur Stärkung des europäischen Fusions- und Kartellrechts. Beispielsweise sind die Bußgelder für Verstöße heute zu niedrig. Und schließlich wäre es gut, ein unabhängiges europäisches Kartellamt zu gründen. Die EU-Kommission ist mit der Fusionskontrolle überfordert.
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