Kritik an Kooperation mit Ministerium: „Google bevorzugt den Staat“
Thomas Fuchs von der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein erklärt, warum er gegen die Kooperation von Google mit dem Gesundheitsministerium ist.
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taz: Herr Fuchs, letzte Woche hat die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein ein Verfahren gegen Google eingeleitet. Worum geht es?
Thomas Fuchs: Wir prüfen die Kooperation von Google mit dem Bundesgesundheitsministerium. Bei der Internetsuche nach mindestens 160 Krankheiten – von Asthma bis Windpocken – wird seit November der Inhalt des Portals gesund.bund.de, das vom Ministerium finanziert wird, von Google bevorzugt angezeigt. Es besteht der Verdacht, dass dadurch private journalistische Anbieter unzulässig benachteiligt werden.
Das ist das erste Verfahren gegen eine Internetplattform auf Basis des neuen Medienstaatsvertrags. Gibt es keine wichtigeren Probleme?
Wenn Suchmaschinen bestimmte Angebote bevorzugen oder diskriminieren, ist das in der Regel schwer nachzuvollziehen. Hier aber hat Google die Bevorzugung von gesund.bund.de auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Minister Jens Spahn öffentlich angekündigt. Der Sachverhalt ist also eindeutig und wir können uns ganz auf die wichtigen Rechtsfragen konzentrieren.
Gegen welche Vorschrift soll diese Kooperation verstoßen?
Sie könnte gegen das Diskriminierungsverbot im Medienstaatsvertrag, Artikel 94, verstoßen. Danach darf eine Internetplattform beim Ranking nur mit sachlichem Grund von ihrem üblichen Suchalgorithmus abweichen. Und sie darf niemanden unbillig behindern.
Liegt der „sachliche Grund“ für die Bevorzugung nicht auf der Hand? Bei gesund.bund.de informiert faktisch der Staat. Er hat kein Interesse, durch reißerische Darstellung die Klickzahl zu erhöhen, um mehr Werbung zu verkaufen.
Dass hier der Staat handelt, sehe ich eher als ein Problem. Ist es denn eine staatliche Aufgabe, journalistisch gestaltete Gesundheitsinformationen ins Netz zu stellen – und damit privaten Medien Konkurrenz zu machen?
Der Staat garantiert hier für die Seriosität der Inhalte. Ist das bei sensiblen Gesundheitsthemen nicht sinnvoll?
Bei der Google-Suche nach Gesundheitsinformationen stehen aber auch sonst keine unseriösen Angebote oben auf der Trefferliste. Wir haben das untersucht: Die Top 3 bei Gesundheitsthemen sind apotheken-umschau.de, netdoktor.de und gesundheitsinformationen.de. Das zeigt, dass es eigentlich keine Notwendigkeit gibt, ein staatliches Angebot pauschal zu bevorzugen.
Private journalistische Angebote stehen im Google-Ranking weiterhin oben. gesund.bund.de steht nur in einem Infokasten rechts daneben.
Es ist dennoch eine bevorzugte Präsentation von gesund.bund.de und ist ja auch so gedacht. Auf dem Smartphone steht der Kasten sogar vor der Trefferliste.
Die Abweichung vom normalen Suchalgorithmus ist doch durch die abweichende Darstellung im Kasten transparent. Kommt es darauf nicht an beim Medienstaatsvertrag?
Eigentlich ja. Aber hier weicht Google von seinem Algorithmus nicht ab, sondern ignoriert ihn quasi. Da reicht Transparenz nicht aus. Ich sehe zudem Probleme mit dem Verbot der „unbilligen“ Behinderung anderer Angebote. Dabei geht es um eine allgemeine Interessenabwägung.
Halten Sie es auch für „unbillig“, wenn Facebook unseriöse Corona-Informationen als solche markiert und im Ranking nach hinten verschiebt?
Eindeutig nein, wenn es um Verschwörungstheorien zu Corona geht, dann sind Eingriffe der Internetplattformen sicher gerechtfertigt. Aber nicht bei jeder Krankheit gibt es solche Desinformationen.
Wie lange wird das Verfahren gegen Google dauern?
Google hat eine Frist bis Mitte Februar, um Stellung zu nehmen. Eine Entscheidung sollte noch im zweiten Quartal 2021 fallen. Am Ende entscheiden die 14 Landesmedienanstalten gemeinsam.
Hat das Verfahren grundsätzliche Bedeutung?
Zunächst geht es nur um Googles Umgang mit dem Portal gesund.bund.de. Aber die Frage strahlt natürlich aus. Was wäre, wenn Google mit dem Landwirtschaftsministerium vereinbart, dass dessen Inhalte bei der Suche nach Ernährungsthemen immer oben stehen?
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